Parlamentswahlen in Lettland: Flopp für Putins Freunde

Jens Mattern

Der lettische Premierminister Krisjanis Karins im EU-Parlament im April 2019. Bild: Europäisches Parlament, CC BY 2.0

Krisjanis Karins darf in Riga weiterregieren. Das ist ungewöhnlich für den politisch labilen baltischen Staat. Das Verhältnis zu Russland bleibt angespannt und teilweise ungeklärt.

Lettland wird weiter von einer Koalition unter Amtsinhaber Krisjanis Karins regiert werden, während russlandnahe Kräfte abgestraft wurden. Bei den Parlamentswahlen am Samstag erreichte Karins konservativ-liberale Partei "Neue Einigkeit" nach abschließender Auszählung mit knapp 19 Prozent die meisten Stimmen.

Der 57-jährige Karina kündigte bereits an, im Amt des Premierministers bleiben zu wollen. Gespräche über eine Koalitionsregierung will er mit seinen bisherigen Regierungspartnern wie der rechtspopulistischen "Nationalen Allianz" sowie den neugegründeten Parteien "Vereinigte Liste" und den linken "Progressiven" führen. Zwei der bisherigen Koalitionspartner haben es nicht über die Fünfprozenthürde des Parlaments mit einhundert Sitzen geschafft.

Karins‘ Mitte-Rechts-Regierung hatte nach einer Reihe von Geldwäscheskandalen und Bankenpleiten darum ringen müssen, das Vertrauen in Staat und Demokratie wieder herzustellen. Angesichts der russischen Aggression in der Ukraine verschärfte sich der Umgang gegenüber der russischsprachigen Minderheit, die in dem Land mit knapp zwei Millionen Menschen mehr als ein Viertel der Bevölkerung ausmacht.

Russische Staatssender wurden abgeschaltet und sowjetische Denkmäler beseitigt. Ein Gesetz sieht vor, die russische Sprache innerhalb von drei Jahren schrittweise aus Schulen und Kindergärten zurückzudrängen. In Gebieten mit einem höheren Anteil von Russischsprachigen wird diese Sprache noch als Unterrichtssprache neben Lettisch zugelassen.

Ferner hat Riga Anfang September die Einreise russischer Staatsbürger bis auf einige Ausnahmen verboten. Ab dem kommenden Jahr wird die Wehrpflicht wieder eingeführt.

Zudem hatte Egils Levits, Lettlands Staatspräsident, vergangene Woche für die Parlamentswahlen am Samstag deutliche Ratschläge erteilt: Parteien seien nicht zu wählen, die zu Anfang des Krieges in der Ukraine den Aggressor nicht zu benennen wussten; auch nicht solche, die unhaltbare Versprechungen machen. Das Land solle "national" gehalten und die lettische Sprache gestärkt werden.

Die Negativempfehlungen des Konservativen richteten sich unmissverständlich gegen die vier russlandfreundlichen Parteien und waren ein Plädoyer für ein Fortführen einer rechten Koalition.

Der große Verlierer der Wahl ist die sozialdemokratische wie russlandnahe Partei "Harmonie". Sie war 2018 mit knapp zwanzig Prozent größte Partei geworden. Nun rutschte sie auf 4,8 Prozent ab – und somit unter die Fünf-Prozent-Hürde.

Gründe für den Absturz der prorussischen "Harmonie"

Schuld sind wohl einige Korruptionsaffären. So wurde Spitzenpolitiker Nils Usakovs 2019 als Rigaer Oberbürgermeister nach zehn Jahren Wirken seines Amtes enthoben.

Mit einiger Verzögerung erst hat sich die Parteiführung zudem nach der russischen Invasion von Moskau distanziert – was viele ihrer Wähler nicht goutiert haben.

Und doch hat es durchaus eine prorussische wie populistische Partei ins Parlament geschafft. Die 2021 gegründete Gruppierung "Für Stabilität!" erreichte fast sieben Prozent. Die Abspaltung von "Harmonie" verfolgt einen EU-kritischen Kurs, verlangt eine stärkere Rolle des Staates und möchte der russischsprachigen Bevölkerung mehr Rechte zugestehen.

Parteichef Alexey Roslikov kündigte eine "unmissverständlich aggressive Politik" für seine Klientel an.

Krisjanis Karins hingegen ist schon durch seine Vita ein Gegenmodell zur Sowjetnostalgie. Als Kind von politischen Flüchtlingen in den USA geboren; promovierte er dort in Sprachwissenschaft und begann 1996 im unabhängigen Lettland als Unternehmer tätig zu werden, da er als Dozent keine Arbeit fand. Ärger mit der lettischen Bürokratie ließen ihn politisch tätig werden.

Neben den allgemeinen Problemen der Wirtschaftskrise muss sich der EU-nahe Politiker auch mit der großen Unzufriedenheit über das Einkommensgefälle zwischen der Metropole Riga und dem Rest des Landes auseinandersetzen. Hier werden auch zwei neu gegründete Regionalparteien, die Teil des möglichen Koalitionspartners "Vereinigte Listen" sind, Druck ausüben.

Vermutlich wird eine Dreierkoalition aus dieser Allianz, Karins‘ "Neuer Einheit" und der Rechtsaußen-Formation "Nationale Allianz" gebildet. Die "Progressiven" haben zwar keine sowjetische Altlast an Bord, werden jedoch kaum mit den Rechten kooperieren.

Auch schwebt ihnen ein steuerintensives skandinavisches Wohlfahrtsmodell vor, das kaum zu den volkswirtschaftlichen Vorstellungen Karins‘ passt.

Lettlands besitzt eine der labilsten Parteienlandschaften in der EU, Krisjanis wird der vermutlich erste Premierminister, der nach einer ganzen Legislaturperiode weiter machen darf.

Wenn sich auch die Regierung in Riga für eine harte Linie gegen Russland aussprach, so war man im Hinblick auf die Energiepolitik kompromissbereit. Nach einem Lieferstopp erhält Lettland seit August wieder Gas aus Russland, allerdings nicht von Gazprom, sondern von einem nicht genannten russischen Lieferanten.

Die Gasspeicher seien gut gefüllt, so erklärte das Energieministerium nach Bekanntwerden der Lecks in den Nordstream-Leitungen. Vor den Wahlen hatte die Regierung die Debatte um eine Energiekrise so weit wie möglich vermieden.