Pay-per-view Hinrichtungen

Die amerikanischen Medien, einschließlich des Internet, haben in aller Breite über den größten Bombenanschlag der amerikanischen Geschichte berichtet. McVeigh wurde für schuldig befunden, und viele wünschen die Todesstrafe, manche Schlimmeres als nur eine tödliche Injektion. Andere haben Angst, daß McVeighs Verurteilung die militanten Gruppen in ihrem Konspirationswahn bestärken und er zu einem Märtyrer werden könnte. Nachdem die Öffentlichkeit nach den Erfahrungen mit dem Simpson-Prozeß am Gerichtsverfahren gegen McVeigh nicht teilhaben konnten, wird es bei der Hinrichtung, sofern die Geschworenen ein Todesurteil aussprechen, erneut zu einer Diskussion über die Medienbeteiligung kommen. Ivo Skoric stellt ein Szenario vor.

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Timothy McVeigh, der des Bombenattentats von Oklahoma für schuldig befunden wurde, erhält vielleicht eine Pay-per-view Hinrichtung zur Hauptsendezeit.

Im Mittelalter waren Hinrichtungen beliebte Schauspiele. Sie waren für die Mächtigen (Adelige, Könige, die Kirche etc.) eine Möglichkeit, ihre Macht auf offenkundigste Weise den Bauern und dem gemeinem Volk zu demonstrieren. Für die Zuschauer waren sie eine Möglichkeit, an der Bestrafung des wahrgenommenen Bösen teilzunehmen, egal ob es sich um einen wirklichen Jeffrey Dahmer als Psycho oder um eine Frau handelte, die der Hexerei beschuldigt wurde. Den Verbrecher wegen seiner Missetaten oder Sünden sterben zu sehen, hat eine kathartische Wirkung für die Menschen und verstärkt ihren Glauben an Gerechtigkeit, Ordnung und den Staat. Erst später in der Geschichte kamen wir zur Entscheidung, daß eine Hinrichtung in Wirklichkeit ein vom Staat bezahlter Mord ist und kein Mörder vom Gesetz Gottes gerechtfertigt wird. Daher unterlassen es normalerweise die vielen Regierungen, die nicht von der Todesstrafe abrückten, Hinrichtungen über das Fernsehen zu übertragen, und zeigen sie nur dem engen Kreis der Angehörigen des Opfers.

Eine Hinrichtung wie im Fall von Timothy McVeigh öffentlich zu zeigen, wäre ein Rückfall ins 15. Jahrhundert. Beim Bombenattentat von Oklahoma waren die Opfer zufällige Amerikaner und prinzipiell alle Bürger der USA lassen sich, wie die Verfechter einer Übertragung der Hinrichtung im Fernsehen sagen könnten, als ihre Verwandten betrachten. Aber die Öffentlichkeit mußte noch niemals in der ganzen Geschichte dafür bezahlen, eine Hinrichtung zu sehen. Wieviele Menschen würden wirklich dafür bezahlen, um McVeigh sterben zu sehen?

Man stelle sich vor, daß man sich nach einer Woche schwerer Arbeit zum Ausruhen auf die Couch legt, eine Dose Bier öffnet und eine schöne Pay-per-view Hinrichtung anschaut. Man sieht ihn in den privaten und gemütlichen eigenen Räumen sterben. Wieviel werden die Menschen dafür zahlen wollen? Sollten die Opfer und ihre Verwandten dafür Lizenzgebühren erhalten? Ihr Leiden führte schließlich zum Urteil und zur Hinrichtung, aber sie nahmen nicht aktiv am Geschäft teil. Werden Kabelgesellschaften sie die Hinrichtungen kostenlos sehen lassen oder ihnen zumindest einen Preisnachlaß gewähren? Sollte Pay-per-view Geld eingeführt werden, dann wird es, so bizarr das auch ist, vielleicht staatlich anerkannte Privatpersonen geben, die eine tödliche Injektion ausführen dürfen (Jack Kevorkian, der vielen zum Selbstmord verhalf, sollte dem als Person mit großer Erfahrung zustimmen), und dann könnte sich "Liefern von Gerechtigkeit" beträchtlich beschleunigen.

Aus dem Englischen übersetzt von Florian Rötzer