Peace Games

Das Spiel "Desert Combat" erfreute sich auch während des Irak-Kriegs großer Beliebtheit, aber wären Computerspiele auch etwas für die Friedensbewegung?

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Vor einigen Tagen brachte die Nachrichtenagentur Reuters einen Artikel mit dem Titel Iraq War Inspires 'Home-Brew' Video Games und wärmte für uns damit eine Diskussion auf, die offenbar etwas rückständig ist: Wenn Kriege und Spiele miteinander so eng verzahnt sind, wie auch an anderen Stellen bei Telepolis anhand der unterschiedlichsten Beispiele gezeigt worden ist, dann lässt sich fragen: Kann ein Spiel die Logik des Krieges nur reproduzieren? Oder kann es im Sinne einer elektronischen Friedensbewegung diese auch in Frage stellen und kritisieren?

Anlass für den Reuters-Artikel war das neue Spiel Desert Combat. Von Developer Frank DeLise wurde es eigentlich nur als Forschungsprojekt betrieben, bis, wie er sagt, die aktuelle weltpolitische Lage es nahe legte, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Letzten Dezember wurde es im Internet angeboten und ist seitdem tatsächlich auch mehr als 250 000 mal heruntergeladen worden. Bis zu 3.000 Spieler spielen "Desert Combat" gleichzeitig, eine Erfolgsquote, die DeLise einem kommerziellen Release entgegen blicken lässt. Was ihn darin bestärkt, ist nicht nur die aktuelle Thematik, sondern auch die Tatsache, dass es im Gegensatz zu den meisten anderen Irak-Kriegsspielen extrem komplex und hyperrealistisch ist. "Desert Combat" hat also gute Chancen sich gut zu verkaufen. Moralische Skrupel, Geld mit einem Kriegsspiel inmitten des Krieges zu machen, hat der Entwickler jedenfalls nicht. Reuters zitiert ihn mit Sätzen wie:

"I definitely think it's an avenue to get out frustrations ... you can be with or against the war, you can play either side."

Dieses Argument ist dieser Tage häufig zu hören. Angeblich sollen die Kriegsspiele die beste Kopfschmerztablette gegen den (Medien)Krieg sein. Dass extensives Spielen die User nicht zuletzt davon abhält, eine politische Stellung in Bezug auf den gegenwärtigen Krieg zu beziehen, scheint sekundär zu sein. Deshalb genügt auch schon ein Satz wie "you can be with or against the war, you can play either side", um uns zu beruhigen. Doch wer sich nicht beruhigen lässt, fragt: Genügt die Option, sich die Seiten aussuchen zu können, um ein pazifistisches Moment stark zu machen?

Counterstrike-Graffiti: Make Love not War

Computerspieltheoretiker werden an das Counterstrike-Prinzip erinnern: Durch die Möglichkeit jederzeit von der Seite der Terroristen auf die Seite der Spezialeinheiten überwechseln zu können, zwingt ein solches Spiel seinen Spielern keine Realität auf, sondern erlaubt ihnen, diese erst zu erschaffen. Dieser Spielraum wurde von Aktivsten auch dazu genutzt, um Anti-Kriegs-Graffitis in den virtuellen Schauplätzen von Counterstrike zu installieren. Doch scheinen sich kritische Beobachter damit nicht zufrieden zu geben. Händeringend suchen sie nach Alternativen zum Kriegsspiel.

Mit Anti-Kriegsspiele übertitelte die linke Wochenzeitung Freitag einen Artikel über Die Sims und wollte darin ein Computerspiel ausgemacht haben, in dem es nicht um Treffer und andere militärnahe Techniken, sondern um soziale Organisation geht. Mike Viscel sichtete derweil eine Anti-Kriegs-Werbung, die mit Charakteren aus Sony-Spielen bestückt war und notierte:

"We came across a rather odd television commercial on EuroGamer.com that is sure to run eventually. At this point, we are unable to confirm who made it, or if it is indeed a real television bound commercial. However, the commercial itself shows main characters in games such as The Getaway, Ratchet and Clank, as well as Grand Theft Auto, putting down their guns. Following that sequence is the familiar Sony button pad markings, except with peace signs."

Am denkwürdigsten ist jedoch eine Aktion, die der 24-jährige Mikel Reparaz aus San Francisco letztes Jahr initiierte. Er startete eine globale Kampagne unter dem Titel Buy Bush a Play Station 2, sammelte im Zuge dessen Unterschriften und insgesamt 370 US Dollar, um daraufhin US-Präsident Bush jr. eine Sony PS2 Konsole, einen extra Controller und zwei Kriegsspiele zu kaufen: "SOCOM: U.S. Navy Seals" und "Conflict Desert Storm".

Das Paket hatte den Präsidenten noch vor dem Krieg erreicht, doch eine heilsame Wirkung, die den Kriegsspielen heutzutage von manchen zugesprochen wird, scheint es auf ihn nicht ausgeübt zu haben. Dass Bush sich durch das Krieg-Spielen abreagiert und damit seine Aggressionen im virtuellen Raum hinter sich gelassen hätte, kann man angesichts der weltpolitischen Lage kaum behaupten ...