Petersberger Monologe: Warum wir weniger Klimadiplomatie wagen sollten

Klimaschutz ist seit Jahrzehnten Gegenstand der Diplomatie, wie hier beim COP26 in Glasgow. Bild: Dati Bendo, Attribution, via Wikimedia Commons

Nur Protest von unten und vor Ort kann das Klima retten, meint unser Autor. Diplomaten verhandelten, aber CO2-Ausstoß wachse weiter, weil das Grundproblem unberührt bleibt.

Nimmt die Bundesregierung die drohende Klimakatastrophe ernst? In ihren Verlautbarungen geben sich ihre Vertreter engagiert, aber ihre Politik offenbart so manchen Widerspruch.

"Diese Krise ist die größte Sicherheitsherausforderung unserer Zeit", erklärte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Anfang vergangener Woche in ihrer Rede beim sogenannten Petersberger Klimadialog. "Jede Tonne Kohlendioxid, die irgendwo auf der Erde eingespart wird, ist ein gemeinsamer Erfolg", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ebenfalls bei dieser Gelegenheit.

Die nächste UN-Klimakonferenz wird im November in Dubai stattfinden. Die Bundesregierung will erreichen, dass dann Quoten für die erneuerbaren Energien festgelegt werden. "Es gibt keine günstigere und sicherere Energie als erneuerbare", sagte Scholz. Zudem regte er etwa "die Verdreifachung des Zubaus bis 2030" an. Außerdem kündigten die beiden Regierungsmitglieder an, Deutschland werde mehr Geld für die Länder zur Verfügung zu stellen, die besonders unter der Klimakrise zu leiden haben.

Die COP27 hat einen Scherbenhaufen hinterlassen

Die bundesdeutsche Initiative wird kaum ausreichen, um die internationale Klimapolitik wiederzubeleben. Selbst die Optimisten aus Umweltorganisationen und -ministerien konnten der letzten UN-Klimakonferenz in Ägypten (COP27) nichts Positives abgewinnen.

Stärkere Berichtspflichten oder weitergehende Selbstverpflichtungen, den Ausstoß von Treibhausgasen zu senken, wurden abgewehrt. Selbst ein langfristiger Ausstieg aus der Energiegewinnung mit fossilen Brennstoffen wurde nicht ins Abschlussdokument aufgenommen. Die Gegensätze wurden mit Formelkompromissen und wolkigen Absichtserklärungen überspielt oder vertragt, so wie es üblich geworden ist.

Auf der COP27 ließen die Beteiligten zu, dass ausgerechnet die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) das nächste Gipfeltreffen ausrichten werden. Das Land plant, noch mehr Öl und Gas als bisher zu fördern.

Die Klimaverhandlungen auf der COP28 wird Sultan Ahmed al Jaber leiten. Er fungiert in der Regierung des Emirats als Wirtschaftsminister, ist gleichzeitig Vorstandsvorsitzende der staatlichen Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) und leitet außerdem deren Tochtergesellschaft Masdar, die in erneuerbare Energie investiert.

Die ölexportierenden Staaten wehren sich gegen den Ausstieg aus den Fossilen. Dass auf der COP28 in Dubai Kohle, Öl und Gas zurückgedrängt werden, ist nahezu ausgeschlossen.

Trend zur Scheckbuch-Diplomatie

Die besonders vom Klimawandel betroffenen und ärmsten Länder konnten in Ägypten lediglich durchsetzen, dass die Industriestaaten einen Entschädigungsfonds für ihre "Schäden und Verluste" einrichten werden. Wer unter welchen Bedingungen Gelder erhalten wird, soll auf dem nächsten Gipfel festgelegt werden.

Moralisch ist an solchen Ausgleichszahlungen nichts auszusetzen. Ob sie der Emissionsminderung und einer nachhaltigen Anpassung nutzen, bleibt allerdings abzuwarten.

Ohne diese Scheckbuch-Klimadiplomatie wäre die COP27 wahrscheinlich "gescheitert". Dann hätten die Verhandlungsparteien der Weltöffentlichkeit keine gemeinsame Erklärung vorlegen können – aber wäre das so schlimm gewesen?

Seit der ersten UN-Klimakonferenz im Jahr 1995 ist die Gesamtmenge des jährlichen Kohlendioxid-Ausstoßes um etwa zwei Drittel angestiegen. Organisatoren und Teilnehmern fällt es daher zunehmend schwer, den Eindruck aufrechtzuerhalten, der UN-Prozess bremse den Klimawandel.

Deutschland ist kein Vorbild in der Klimapolitik

Vor diesem Hintergrund wirken die Auftritte des Kanzlers und der Außenministerin auf dem Petersberger Treffen wie absurdes Theater. Olaf Scholz lobte den anwesenden Ahmed al Jaber für eine angebliche "entschlossene Hinwendung zu klimaneutraler Wertschöpfung und zu Zukunftstechnologien".

Obwohl der Treibhausgas-Ausstoß und der Anteil der Kohleverbrennung an der Energiegewinnung im Jahr 2022 gestiegen sind, sah Annalena Baerbock eine "globale Transformation in vollem Gange". Ist das noch Zweckoptimismus oder bereits Irrsinn?

Das Kernproblem: Klimaschutz geht angeblich nur "marktkonform". Darunter wird allgemein verstanden, dass die Staaten die richtigen Anreize setzen und Unternehmen handeln. Investitionen und Gewinnerwartungen sollen nach Möglichkeit nicht geschmälert werden.

Die deutsche Außenministerin betonte entsprechend die "riesigen wirtschaftlichen Chancen" einer globalen Energiewende. Und Scholz sprach über "neue Märkte, neue Handelsbeziehungen und Geschäftsfelder, zum Beispiel bei der Produktion von grünem Stahl und grünem Wasserstoff oder bei der Fertigung von Batterien und Halbleitern".

Unterdessen plant das Wirtschaftsministerium einen "Industriestrompreis", damit die Unternehmen auf dem Weltmarkt weiter reüssieren.

Dabei handelt es sich um ein häufiges und bemerkenswertes Muster: Die sogenannten Marktmechanismen, wie der Handel mit CO₂-Zertifikaten, sollen die Unternehmen dazu bringen, energieeffizienter zu fertigen. Wenn aber der CO₂-Preis als marktwirtschaftliches Mittel der deutschen Industrie in die Quere kommt, wird es außer Kraft gesetzt oder wenigstens abgemildert.

Anders gesagt, in der Klimapolitik will die Bundesregierung auf internationaler Ebene erreichen, was sie im eigenen Land nicht umsetzt. Im Ausland, insbesondere im europäischen Ausland, bleibt dieser Widerspruch natürlich nicht unbemerkt.

Unglaubwürdige Manöver

Die Forderung nach einer weltweiten Quote für erneuerbare Energien, ist unglaubwürdig. Die globale Energiewende scheitert an der wirtschaftlichen Konkurrenz, weil der Verzicht auf fossile Brennstoffe die nationale Stellung auf dem Weltmarkt verschlechtern würde.

Zwar sind in bestimmten Weltregionen bestimmte erneuerbare Energiequellen mittlerweile günstiger als nicht-erneuerbare. Dennoch bestimmt weiterhin der Preis darüber, ob Kohle, Öl und Gas zum Einsatz kommen. Aufgrund des Wettbewerbs können sich die Staaten nicht darauf einigen, die CO₂-Emissionen global einheitlich zu verteuern.

Die finanzielle Umverteilung, die im Rahmen der UN-Klimakonferenzen angedacht wird, genügt bei Weitem nicht, um die ökonomischen Nachteile auszugleichen – was natürlich auch der Bundesregierung bewusst ist.

"Grünes Wachstum" ist eine Illusion

Technisch betrachtet beruht die Strategie des "Grünen Wachstums" darauf, sämtliche Bereiche zu elektrifizieren – Energie, Verkehr, Wärme, Produktionsverfahren. Dazu braucht es geeignete Flächen, Fachkenntnisse, Materialien.

Strom wird in Zukunft vermutlich knapper sein als bisher. Der notwendige Ausstieg aus der fossilen Energiegewinnung ist ein Verlustgeschäft, wenigstens gesamtwirtschaftlich betrachtet.

Es gibt allerdings wirksame Möglichkeiten der Emissionssenkung, die ungenutzt bleiben: ein Tempolimit, um das Standardbeispiel anzuführen. Das Verbot von Privatjachten und Privatflügen – einfach, billig und gerecht. Diese Maßnahmen wären nicht genug, aber beachtliche erste Schritte.

Ein vierstündiger Privatflug etwa stößt so viel Kohlendioxid aus, wie eine durchschnittliche Person in einem Jahr verursacht. Sogenannte Suffizienzmaßnahmen können die Lebensqualität erhöhen und gleichzeitig den Energieumsatz senken – durch Alternativen zum energieintensiven Konsum, mehr kulturelle, soziale und sportliche Angebote und kürzere Arbeitszeiten.

Diese Wahrheit ist unbequem: Solange der Verbrauch von Ressourcen und Energie nicht geplant, kontingentiert und eingeschränkt werden kann, sind ökologische Reformen wie die Energiewende eine Illusion.

Lösung "Klimaclub"?

Die internationale Klimadiplomatie leidet an einem grundsätzlichen Widerspruch. Um die Treibhausgas-Konzentration unter Kontrolle zu halten, müssten sich kapitalistische Unternehmen und Staaten auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Sie müssten kooperieren, Technologien und Ressourcen teilen.

Werden sie dazu in der Lage sein, wenn die Folgen der Klimakrise noch drastisch werden? Wenn die Nahrungspreise wegen Missernten und Naturkatastrophen weiter steigen, die Konflikte um Wasser und Rohstoffe sich verschärfen?

Die Antwort fällt schwer, denn in der Geschichte finden sich keine vergleichbaren Situationen. Klar ist immerhin, dass den Regierungen ein vernünftiges Handeln aufgenötigt werden muss.

Sie befinden sich, spieltheoretisch gesprochen, in einem Gefangenendilemma. Sie wählen das schlechtere Ergebnis, weil sie nicht in der Lage sind, ausreichend Vertrauen aufzubringen, opportunistisches Verhalten auszuschließen und zu kooperieren.

Der Vorschlag von Olaf Scholz, einen internationalen Klimaclub zu gründen, zielt eben auf dieses Problem. Die Idee wurde von dem neoklassische Wirtschaftswissenschaftler William Nordhaus ausformuliert, um Trittbrettfahrerverhalten auszuschließen. Dabei handelt es sich um eine Art Kartell, in dem sich die Staaten auf gemeinsame Regeln für die CO₂-Bepreisung einigen und ihre Importmärkte offenhalten.

Praktisch ist der Ansatz bisher nicht vorangekommen, im Gegenteil. Der Konflikt zwischen den USA und der Europäischen Union um Subventionen für Elektromobilität und Halbleiter zeigt, dass nicht einmal die transatlantischen Mächte sich einig werden.

Der Konflikt zwischen den Großmächten, auf die es hauptsächlich ankäme – USA und China –, ist noch schärfer. Der Klimabeauftragte der US-Regierung John Kerry beklagte Ende letzten Jahres, dass die Gespräche mit China wegen der Taiwan-Frage zum Erliegen gekommen seien: "Das Klima ist ein universelles Problem, eine universelle Bedrohung […] Das hat nichts mit dem globalen Wettbewerb zu tun."

Das Gegenteil trifft zu: die geopolitischen und ökonomischen Gegensätze lassen sich gerade nicht ausklammern.

Klimaschutz geht nur von unten

Das sind keine erfreulichen Aussichten. Von allein werden die Regierungen keinen Ausweg aus den Aporien der spieltheoretischen Rationalität finden. Zu wirklichen "Klimadialogen" sind sie nicht in der Lage.

Für die Bevölkerungen – pathetisch gesprochen: Die Menschheit – gilt dies allerdings nicht. Sie wären prinzipiell zu vernünftigem Handeln in der Lage. Die Protestbewegungen müssen konkreten Klimaschutz vor Ort erkämpfen.

Wenn sie dazu in der Lage sind, können sie den Druck auf ihre Volksvertreter erhöhen und Veränderungen erzwingen. Auf die UN-Klimaverhandlungen können wir jedenfalls keine Hoffnungen setzen.

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