Pflegeversicherung: Die Pleite ist nicht vorgesehen – explodieren jetzt die Beiträge?
Rechtlich muss die Bundesregierung die Finanzierung der Pflege sicherstellen. Aber wie? Sind höhere Beiträge alternativlos?
Da etwa jeder zweite Mensch im Lauf seines Lebens pflegebedürftig wird und jede Familie potenziell betroffen ist, dürfte die Nachricht von der drohenden Insolvenz der Pflegeversicherung am Montag viele verunsichert haben.
Die Bundesregierung bürge dafür, "dass die Pflegebedürftigen und die Angehörigen sich auch in Zukunft darauf verlassen können, dass die Pflegeversicherung für die Versorgung bezahlt und für die Leistungen aufkommt", versuchte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei einer Pressekonferenz in Berlin die Wogen zu glätten.
Pflegeversicherung: Grünen-Politikerin verweist auf Rechtslage
Die Grünen-Politikerin Maria Klein-Schmeink hatte zuvor im Gespräch mit dem Spiegel betont, dass die Pflegeversicherung gar nicht pleitegehen könnte: Gesetzlich sei festgelegt, dass die Bundesregierung die Finanzierung sicherstellen muss. Finanzminister Christian Lindner (FDP) blockiere aber eine Verordnung zur Anpassung der Beitragsbemessungsgrenze. "Finanzminister und Gesundheitsminister müssen diese Blockade schnell lösen und eine Einigung finden", so die Bundestagsabgeordnete.
Lauterbach erklärte die aktuellen Probleme mit der wachsenden Zahl der Pflegebedürftigen und steigenden Lohntarifen. "Und bei den Einnahmen müssen wir mit einer schwächelnden Konjunktur kämpfen", so der Minister.
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Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) fordert Lauterbach hingegen auf, die Ausgaben kritisch unter die Lupe zu nehmen, "statt deshalb weiter am Beitragssatz zu schrauben", wie offenbar geplant.
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland hatte am Montag unter Berufung auf "Regierungskreise" berichtet, dort werde von einem Erhöhungsbedarf von 0,25 bis 0,3 statt 0,2 Prozentpunkten im Jahr 2025 ausgegangen. Zur Begründung hieß es, dass nach der Bundestagswahl im Herbst 2025 mit einer längeren Phase der Regierungsbildung zu rechnen ist. Deshalb müsse die Erhöhung so ausfallen, dass das Geld mindestens bis zum Frühjahr 2026 reiche.
IW will Rentnerhaushalte stärker in die Pflicht nehmen
Das IW geht jedoch davon aus, dass viele Pflegebedürftige "ihren Eigenanteil in der stationären Pflege aus eigener Kraft stemmen" könnten. 2020 habe das IW in einer Studie gezeigt, "dass sieben von zehn Rentnerhaushalten in der Lage wären, die Kosten der stationären Pflege einer Person für ein Jahr selbst zu finanzieren".
Dazu müssten die Pflegebedürftigen auf ihr Vorsorgevermögen zurückgreifen. "Auch wenn das aus politischer Sicht eine unbeliebte Maßnahme wäre: Damit ließen sich die ausufernden Kosten begrenzen und Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber entlasten."
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) fordert dagegen, die soziale Pflegeversicherung mit Steuergeldern zu unterstützen
Linke fordert "Revolution" der Pflegeversicherung
Die Oppositionspartei Die Linke hält derweil eine "Revolution der Pflegeversicherung" für unumgänglich. In eine gute und gewährleistende Pflege- und Gesundheitsversicherung müssten alle einzahlen, auch Beamte und Bundestagsabgeordnete, betont Ates Gürpinar, Sprecher der Bundestagsgruppe für Gesundheits- und Pflegepolitik. Nach dem Konzept der Linken könnten die Beiträge auf monatliche Einkommen von bis zu 6.000 Euro sogar sinken.
"Momentan werden Spitzenverdienende durch die Beitragsbemessungsgrenze auf Kosten Pflegebedürftiger geschont. Denn Reiche müssen sich mit ihrem Vermögen oder Renditen gar nicht an der Finanzierung der Pflege beteiligen", so die Kritik.
Die Linke will daher sowohl die Beitragsbemessungsgrenze als auch das "Nebeneinander von gesetzlicher und privater Versicherung" abschaffen.