Pflicht ohne Zwang?

Österreich ist in die Impfpflicht hinein gestolpert. Das schlechte Krisenmanagement gipfelt in einer fragwürdigen Maßnahme, die auf eine ohnehin schon sehr polarisierte Gesellschaft trifft

Man darf sagen, es war ein buntes Trüppchen, das sich da letzten Samstag auf dem Wiener Ring versammelt hatte. Rechtsextremistische Schlägerbanden und Personen im Feenkostüm, die mit selbstgebastelten Trommeln scheinbar direkt aus dem Wald getanzt kamen. Der linke Aktivismus verdrückt in diesem Tagen manche Träne, wenn man bedenkt, wie viel Arbeit und Energie in linke Sammlungsbewegungen gesteckt wurde, die letztlich meist in sporadischen Treffen erweiterter Freundeskreise enden.

Nicht so bei den Rechten. Ein scheinbar klares Thema: "Wir sind gegen Impfungen" – und es kommen mehr als 40.000 Menschen. Darunter eben auch ein paar gemeingefährliche Kriminelle, ein paar Leute mit Sockenschuss und viele "normale" Menschen, die einfach irgendwie genug haben.

Aber was mobilisiert diese Masse tatsächlich? Auf den Plakaten ist der bekannte rechte Sermon "Wir sind das Volk" oder "Grenzen und Volk schützen" zu lesen, auf anderen Plakaten hingegen "Freiheit, Rechtsstaat, Brüderlichkeit" und "Für eine bessere Welt". Windige und widersprüchliche Hoffnungen, die sich nur schwer mit einem auch nur in Ansätzen artikulierten Programm in Verbindung bringen lassen. Sobald wir alle nicht geimpft sind, sind wir glücklich?

Was ist los mit Österreich?

Unverkennbar emotionalisiert das Thema; und die Gefühle sind stärker als jede Wirklichkeit. Auf der Demonstration behauptet die FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch, es lägen nicht die "bösen Ungeimpften", sondern Menschen mit Impfschäden in den überfüllten Kliniken.

Warum nicht einfach mal etwas behaupten, wenn dann die Masse so schön jubelt? Die Aussage der FPÖ-Politikerin kann nicht mit Fakten untermauert werden, sie ließ sich wohl rein von ihren Emotionen leiten. Ein typischer Vorgang in der aktuell sehr aufgeheizten Stimmung in Österreich.

Es werden aber auch viele Themen, die eine gewisse Substanz haben, von den Demonstranten angesprochen. "Schluss mit der Verbrecher-Regierung!" – Vorsicht, es gilt die Unschuldsvermutung, weshalb es natürlich heißen muss "Schluss mit der mutmaßlichen Verbrecherregierung". Ansonsten wäre dem enervierten Plakatträger durchaus beizupflichten.

Themen wie die verstärkte staatliche Überwachung, die obszönen Gewinne der Pharmaindustrie, die teilweise ungerechtfertigten Einschränkungen der Grundfreiheiten, insbesondere im Jahr 2020 und vieles mehr, sollten besonnen diskutiert werden. Nur wirken die Themen im Kontext der Wiener Demo immer wie ein Vorwand.

An ihnen kondensiert sich ein ungleich dringenderes Bedürfnis: Diese Menschen wollen wirklich nicht geimpft werden. Hierfür mag es verschiedene Gründe geben. Ein wesentlicher liegt wohl im gescheiterten Krisenmanagement der österreichischen Bundesregierung. Wichtiger als der Schutz der Bevölkerung war immer die Absicherung der Wirtschaft. Für die Erwerbsfähigkeit des Landes war man bereit, über Leichen zu gehen.

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