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Philantro-Kapitalismus: Wie Milliardäre den Hunger in Afrika bekämpfen

Internationale Lobbyisten, aber auch die EU finanzieren Gentechnik-Forschung in Westafrika. Die Gen-Produkte halten nicht immer, was sie versprechen. Dafür haben die Geldgeber ein gutes Gewissen.

Zehn Jahre lang war in Kenia die kommerzielle Nutzung von Gentechnik verboten. Den USA seien durch das Gentechnik-Moratorium Exporte in Millionenhöhe verloren gegangen, klagte der US-Handelsbeauftragte noch vor wenigen Monaten. Die Einfuhrstopps hätten auch Hilfslieferungen in die Hungerregionen verhindert.

Nun soll der gentechnisch veränderte Mais MON810 von Monsanto/Bayer-Konzern dem Hunger infolge der mehrjährigen Dürre ein Ende setzen. US-Gesandte und eine mächtige Lobby hatten auf den neu gewählten Präsidenten Ruto so lange eingewirkt, bis dieser das Verbot kürzlich aufhob.

Im Rahmen des Tela-Projekts [1], das in mehreren afrikanischen Ländern läuft, wird auch in Kenia seit 2019 Genmais unter streng überwachten Bedingungen angebaut. Die Studien sind mittlerweile abgeschlossen. Das von Bayer lancierte MON810 biete Schutz vor Fraßschäden sowie signifikant höhere Erträge, hieß es. Zudem sei der Genmais resistent gegen Schädlingsbefall.

Doch weder das zuständige Forschungsinstitut Kalro [2] noch Bayer konnten konkrete Studienergebnisse ermitteln. Seit Jahren versuche man vergeblich, die Tela-Ergebnisse aus verschiedenen Ländern zu bekommen, kritisiert Sabrina Masinjila von der African Center for Biosafety (ACB) im Interview [3] mit dem Spiegel.

Die gentechnik-kritische Organisation recherchiert auch zu Genmais. MON810 habe bereits in Südafrika versagt, Schädlinge seien resistent geworden, teilweise habe die Sorte sogar Ernteausfälle verursacht. Auch deshalb klagt der ACB seit Jahren gegen eine kommerzielle Zulassung.

Die Trockenheitstolerenz von MON87460 sei in Kenia noch nicht ausreichend getetestet, daher seien hierzu noch keine wissenschaftlich validen Aussagen möglich, hält Bayer dagegen. Und die Resistenzen in Südafrika seien auf "unzureichendes Resistenzmanagement" zurückzuführen.

Keine schnelle Lösung

Alle Hoffnungen ruhen nun auf dem Gen-Saatgut aus den Tela-Projekten, wie etwa vom renommierten Tegemeo-Institut, das ebenfalls von der Gates-Stiftung gefördert wird. Der billige Genmais könne die enormen Preissteigerungen auf dem Markt abfedern, verspricht Timothy Njagi.

Doch eine schnelle Lösung sei die Biotechnologie nicht, räumt der kenianische Agrarexperte ein: Bis die Voraussetzungen für den Import und Anbau von gentechnisch verändertem Getreide geschaffen werden, könne es Monate oder sogar Jahre dauern.

Doch es gibt auch Bedenken: Billiger Genmais aus den USA könnte die teureren Produkte der lokalen Kleinbauern vom Markt drängen, befürchten Vertreter des Verband der Getreidebauern in Kenia. Mit der aktuellen Entscheidung erhofft sich die Regierung zwar eine schnelle Lösung.

Die Probleme aber sitzen viel tiefer. Hunger ist auch in Kenia eher eine Verteilungsfrage. So herrscht ein Ungleichgewicht zwischen dem dürregeplagten Norden und dem ertragreichen Zentrum und Westen des Landes. Unterdessen will das Nachbarland Tansania die Kontrollen an den Grenzen zu Kenia verstärken, um eine Einfuhr der Gen-Produkte zu verhindern. Auch hier liefen ein Jahr zuvor noch Tela-Feldversuche, bevor diese unvermittelt eingestellt wurden.

Gute Erträge auch bei Dürre?

Im Water Efficient Maize for Africa-Projekt [4] von Monsanto/Bayer, finanziert von der Bill-Gates Stiftung, sollte durch den Anbau von genverändertem dürreresistenten Mais in wasserarmen Regionen den Hunger bekämpft werden. Stattdessen fielen die Ernten bei extremer Dürre sogar geringer aus. Die Kleinbauern wurden in finanzielle Abhängigkeit getrieben.

Nicht nur die Regierung in Tansania ließ daher Versuchsfelder und Forschungsergebnisse vernichten [5], auch Südafrika gab im November 2018 bekannt, dass sie den Monsanto Triple-Stacked GM Drought Mais ablehnt. Die von Monsanto bereitgestellten Daten reichten nicht aus, um die behauptete Dürretoleranz und Insektenresistenz der GVO nachzuweisen.

Angeführt vom Gensaatgut-Hersteller Monsanto beginnt der Siegeszug der GVO in den 1990er-Jahren in den USA, zehn Jahre später auch in Südamerika, wo die Fläche mittlerweile auf rund 70 Millionen Hektar angewachsen ist. Nun entdecken Saatgutkonzerne in Afrika ein gewaltiges Potenzial. Nur drei Prozent der afrikanischen Felder sind mit GVO bebaut – knapp vier Millionen Hektar, erklärt Maureen Jorand von der NGO Terre Solidaire. Südafrika war das erste Land, in dem die Konzerne 1997 Saatgut einführten.

20 Jahre später sind Soja, Mais und Baumwolle hier fast zu 100 Prozent gentechnisch verändert. Es folgen Kenia, Uganda, Sudan, Ägypten, Nigeria, Burkina Faso. Auch in der Elfenbeinküste war Gen-Saatgut lange Zeit verboten – bis eine Gruppe multinationaler Konzerne der ivorischen Regierung 2016 einen Deal vorschlug. Ohne dass es den Menschen bewusst ist, schleicht sich seitdem gentechnisch verändertes Obst und Gemüse auf die Märkte ein. So wissen selbst die Händler nicht, ob die Früchte, die sie anbieten gentechnisch verändert sind.

Milliardäre wollen mit Privatvermögen die Welt retten

Die Bill-und-Melinda-Gates-Foundation ist mit 50 Milliarden Dollar Einlagen die reichste Wohltätigkeitsorganisation der Welt. In Afrika betreibt sie öffentlich Lobbyarbeit und Feldversuche mit GVO. Unter dem Vorwand humanitärer Ziele finanziert sie eine hochriskante Forschung – mit einem Bugdet von rund 700 Millionen Dollar. "Wenn wir einer Pflanze ein Gen einbauen, das sie gegen Krankheit schützt, verhindern wir, dass Ernten zerstört werden und Tausende verhungern", behauptet Bill Gates [6] im Interview mit Arte.

In den sozialen Netzwerken wird der Gen-Mais als "dürretoleranter Mais" beworben. Hier erklärt der Milliardär persönlich, wie er das Hungerproblem mit Hilfe von GVO Afrika lösen will. Wer genug Geld hat, soll entscheiden, welches die beste Lösung ist?

Linsey McGoey, Autorin des Buches "No such thing of a free gift", findet das gefährlich. Unternehmerisches Wachstum verbunden mit philantropischen Zielen sei problematisch, warnt sie. Es erzeuge die Illusion, Milliardäre könnten die Welt retten. Sie versprechen, viel Geld in die Landwirtschaft zu investieren, um "den Hunger zu bekämpfen". Im Gegenzug fordern Sie den Staat auf, die Erforschung und Vermarktung transgener Pflanzen gesetzlich zu erlauben [7].

Der Inhalt des entsprechenden Gesetzes wurde nie öffentlich diskutiert, erklärt Daniel Olai, Gründer der Grainothéque [8], Zentrum für Biodiversität. Niemand weiß, was alles erlaubt wurde. Offenbar lässt das Gesetz den Konzernen völlig freie Hand. Das bedroht massiv die traditionelle Landwirtschaft, in der afrikanische Bauern mit einfachen Werkzeugen arbeiten. Häufig tragen moderne Praktiken zu noch mehr Umweltzerstörung bei.

Im September 2020 schrieb ein Bündnis afrikanischer Glaubensvertreter einen offenen Brief an die Bill-Gates-Stiftung. Sie forderten den Milliardär auf, die massiven Investitionen in die Gentechnik zu überdenken und stattdessen eine nachhaltige Agroökologie zu fördern, die eher den Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht. Gates ignorierte diesen Brief wie auch alle anderen gentech-kritischen Anfragen. So werden Entscheidungen der Bill-Gates-Stiftung den Afrikanern aufgezwungen – ohne eine unabhängige Instanz, die privat Investitionen in Afrika überprüft.

Die Investitionen eines Milliardärs sind perfekt abgestimmt auf die Interessen der Agrarindustrie – beschreibt Linsey McGoey [9] den Kern des Philantro-Kapitalismus. In ihrem Buch No such thing of a free gift hat sie die Aktivitäten von Bill Gates in Afrika scharf kritisiert.

Das Geld, das die Gates-Stiftung in Afrika investiert, stammt aus Dividenden, die sie als Anteilseigner an zahlreichen Unternehmen wie Amazon, Apple, Coca Cola oder der deutschen BASF kassiert. So hält die Stiftung BASF-Aktien im Wert von mehr als sieben Millionen Dollar. Auch das Geld, das BASF mit den Gewinnen von Gensaatgut verdient, landet zum Teil bei der Stiftung.

Transgener Maniok ohne Virenkrankheiten

Maniok (auch: Cassava) ist in Afrika ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Ob gekocht oder geröstet – viele Menschen ernähren sich von den stärkereichen Maniok-Knollen [10]. Doch vielerorts lassen Virenkrankheiten die Wurzeln des Maniok absterben.

In einem Labor bei Abidjan im Süden der Elfenbeinküste wird das Gemüse unter strenger Bewachung und Isolation bis ins letzte Molekül analysiert. Aus einer Zelle will man eine identische Pflanze herstellen. In einem Raum namens Plant genetic Improvement machen sich Wissenschaftler mit gentechnischen Verfahren vertraut – etwa mit CRISPR, einer Methode des Genome Editing, mit deren Hilfe unerwünschte Gen-Schnipsel weggeschnitten werden.

Justin Pita, Geschäftsführer des so genannten Wave-Zentrums, das 2015 mit Mitteln der Gates-Stiftung eröffnet wurde, studierte am Pflanzenforschungszentrum Danforth Plant Science Center in St. Louis/Missouri, gegenüber dem Hauptsitz von Monsanto, das heute zu Bayer gehört.

Wissenschaftler beider Institutionen tauschten sich aus, erinnert er sich. Von einer Finanzierung durch Monsanto/Bayer will er nichts wissen. 2004 jedoch veröffentlichte der Gentechniker gemeinsam mit einer Kollegin von Monsanto einen Forschungsbericht [11], in dem erklärt wird, wie ein Gen im Maniok-Gen still gelegt wird, um die Pflanze resistenter gegen Viren zu machen (englisch: Gene-Silencing). Heute setzt sich Pita für die neuesten biotechnischen Verfahren und transgene Pflanzen in Westafrika ein.

Beim Gen-Silencing wird der problematische Teil kaschiert. Darüber hinaus werden aber auch mittels Mutagenese dauerhafte Veränderungen im Erbgut bewirkt. Im Gegensatz zur klassischen Gentechnik wird bei den neuen Verfahren das Erbgut verändert, ohne Gene zu transplantieren, weiß Jean-Paul Sikeli von Copagen [12] (Coalition pour la Protection du Patrimoine Génétique Africain – deutsch: Koalition für den Schutz des afrikanischen genetischen Erbes).

Gentechniker behaupten deshalb, es handle sich nicht um gentechnisch veränderte Organismen. Dabei ist das Prinzip dasselbe wie bei der Gentechnik: unerwünschte Mutation, Ansammlung krebserregender Moleküle, endokrine Disruptoren [13] in Nahrungs- oder Futterpflanzen. Und was, wenn sich die Versprechen nicht erfüllen und der transgene Maniok keinen Wind oder keine Sonne verträgt? Oder wenn die Gen-Pflanzen andere Mängel aufweisen?

Finanziert die EU Gentechnik-Forschung in Afrika?

Mit dem Urteil vom 25. Juli 2018 entschied der Europäische Gerichtshof [14] deshalb, dass durch Mutagenese entstandene Organismen rechtlich genauso zu behandeln sind wie Organismen, die durch Gentechnik entstanden. Entsprechend dieser Grundsatzentscheidung müsste die EU auch das oben beschriebene Wave-Programm ablehnen.

Pita zu Folge erhält das Labor jedoch EU-Fördergelder im Umfang von fünf Millionen Euro im Zeitraum von 2020 bis 2024, um die Ausstattung zu finanzieren. Die EU unterstützt ein Gen-Labor in der Elfenbeinküste, das Forschungen durchführt, die der EuGH als gefährlich einstuft? Vertreter von NGOs wie Terre solidaire wundern sich darüber.

Schließlich gebe es seit 2014 ein Gesetz zur Entwicklung und internationalen Solidarität, in welchem sich Frankreich verpflichtet, die Forschung, Produktion und Vermarktung von GVO in Afrika nicht zu finanzieren, erklärt etwa Maureen Jorand [15] von Terre solidaire.

In der Elfenbeinküste gebe es kein Labor, das an transgenen Pflanzen oder Tieren arbeite, behauptet die EU-Kommission in einer Mail als Antwort auf entsprechende Anfrage des Arte-Teams. Und das mit EU-Mitteln gekaufte Equipment sei für moderne gentechnische Verfahren ungeeignet.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-7445399

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.cimmyt.org/projects/tela-maize-project/
[2] https://www.kalro.org/
[3] https://www.spiegel.de/ausland/kenia-laesst-genveraendertes-getreide-zu-sieg-der-gentechnik-lobby-a-993afdb2-c083-4340-a9fd-9150a8168d11
[4] https://www.cimmyt.org/projects/water-efficient-maize-for-africa-wema/
[5] https://netzfrauen.org/2018/11/28/tanzania/
[6] https://www.youtube.com/watch?v=YTvDtvRgwpQ
[7] https://news.abidjan.net/articles/586876/biotechnologies-la-cote-divoire-souvre-desormais-aux-ogm
[8] https://grainotheque.org/
[9] https://www.theguardian.com/books/2015/oct/24/no-such-thing-free-gift-gates-foundation-philanthropy-review
[10] https://www.plantura.garden/gemuese/maniok/maniok-pflanzenportrait
[11] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15220420/
[12] http://copagen.org/
[13] https://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/endocrine-active-substances
[14] https://www.tagesschau.de/ausland/eugh-gentechnik-recht-101.html
[15] https://www.youtube.com/watch?v=YTvDtvRgwpQ