Planlos in die vierte Welle
Schwierige Tage für die griechische Regierung
Auch Griechenland erlebt in der vierten Welle der Pandemie Rekordzahlen bei den Neuinfektionen. Im Norden des Landes sind die Krankenhäuser hoffnungslos überlastet, die Impfkampagne stockt. Widersprüchliche Maßnahmen, bar jeder Logik, verschlimmern das Chaos und kosten Glaubwürdigkeit.
Die aktuellen Infektionszahlen übersteigen bei Weitem die Zahlen des Vorjahres. In der laufenden Woche wurde am Donnerstag zum dritten Mal binnen einer Woche ein neuer Rekord gemeldet. 6.808 Neuinfektionen und 42 Todesfälle werden verzeichnet. Am Freitag waren es 6.909.
Die Woche begann schon schwierig für die Verantwortlichen der Pandemiebekämpfung. Geplant war, ab Montag täglich eine SMS an alle nicht geimpften Krankenversicherten zu schicken. Mit diesen SMS-Nachrichten, die mit ständig wechselndem Text die Vorteile des Impfens und die Risiken für Ungeimpfte betonen sollten, würden Impfverweigerer bekehrt, sodass bis zum Montagmorgen vorherrschende Narrativ.
Datenschutzbedenken sowie Einwände, dass die SMS höchstwahrscheinlich das Gegenteil bewirken würden, sorgten für einen eiligen Abbruch der lange geplanten Aktion. Der Datensatz der Mobilfunknummern stammte von Träger der staatlichen Krankenversicherung und sei an die Mobilfunkbetreiber herausgegeben worden, war zuvor berichtet worden.
Standesamt 3G, Kirche ohne Test?
Die griechische Regierung hatte am vergangenen Dienstag eine Verschärfung der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie beschlossen. Grob zusammengefasst gilt mit Ausnahme von Apotheken und Supermärkten an allen öffentlichen Orten die sogenannte 3-G-Regel. Bürger müssen entweder geimpft, innerhalb der letzten sechs Monate genesen oder frisch getestet sein.
Die markanteste Ausnahme dieser Regel betrifft die Kirchen. Hier hat die Regierung keine 3-G-Regel verordnet. Das führt zu dem Paradoxon, dass es mit den seit Dienstag gültigen Regeln etwa möglich ist, ohne Nachweis eines Tests oder einer Impfung in Kirchen zu heiraten. Für den Gang zum Standesamt ist dagegen die Erfüllung eines der drei Gs nötig.
Dieser Widerspruch führte sofort zu Nachfragen von Journalisten und Oppositionellen. Wirtschaftsminister Adonis Georgiadis meinte im Fernsehen, es sei Blasphemie, die Kirche hinsichtlich der Pandemie mit einem Frisörladen zu vergleichen.
Gesundheitsminister Thanos Plevris referierte, dass es in Restaurants eine erheblich höhere Ansteckungsgefahr gebe, als in Kirchen. Eine Äußerung, die zu bissig-ironischen Kommentaren, vorwiegend in sozialen Medien führte.
Schließlich nehmen in der Kirche die Gläubigen das Abendmahl alle aus einem Kelch mit einem Löffel entgegen, während in den Restaurants die Pflicht zur Einhaltung der Abstandregeln herrscht.
Die politische Auseinandersetzung der regierenden Nea Dimokratia und der oppositionellen Syriza war teilweise bizarr. Sie glich einem Wettbewerb darüber, welche Partei näher an den Gläubigen ist. Oppositionspolitiker Alexis Tsipras ging sogar so weit, Premier Mitsotakis mit einer fiktiven Filmfigur eines populistischen, unfähigen Politikers aus einer romantischen Filmkomödie aus dem Jahr 1966 zu vergleichen.
Für weitere Aufregung sorgen Meldungen, dass zum Beispiel in Mytilene auf Lesbos ein Priester mit Symptomen und positivem Covid-19-Befund, die Messe am 26. Oktober, dem Feiertag des heiligen Dimitrios, feierte und das Abendmahl an die Gläubigen ausgab. Sämtliche Personen, die ihm bei der Messe halfen, sowie deren Angehörige sind nun coronapositiv.
Kirche widerspricht Regierung
Die Lösung des Problems kam von der Kirche selbst. Zunächst meldete sich der Metropolit Iakovos von Lesbos zu Wort. Er verordnete, dass alle nicht geimpften Geistlichen suspendiert würden.
Von den 76 Geistlichen seines Bistums sind 35 noch ohne Impfung. Bischof Iakovos ging sogar einen Schritt weiter. Er zweifelte an der praktischen Durchführbarkeit einer 3-G-Regel für Kirchen und propagierte stattdessen eine strikte 2-G-Regel. Für den Oberhirten stellen sich Gläubige, die sich den Entscheidungen der Kirche hinsichtlich der Pandemie widersetzten, Häretiker.
Kurz nach Bekanntwerden der Anordnungen von Bischof Iakovos für sein Bistum, meldete sich die Ständige Heilige Synode der orthodoxen Kirche zu Wort. Sie stellte klar, dass für Kirchen eine 3-G-Regel gelten würde, und widersprach damit den Entscheidungen der Regierung. Zunächst wurde nicht bekannt, wann diese Entscheidung getroffen wurde.
Damit begann ein chaotisches Krisenmanagement der Regierung. Die staatliche Nachrichtenagentur Athens News Agency - Macedonian News Agency (Amna) meldete, dass eine persönliche Initiative vom 4. November von Premierminister Kyriakos Mitsotakis die Kirche zu diesem Schritt bewogen habe.
Das Dementi kam ausgerechnet vom Pressesprecher der Ständigen Heiligen Synode, Timotheos. Timotheos erklärte im Fernsehen, dass die Synode bereits am 3. November einen allgemeinen Impfaufruf sowie die Testpflicht für nicht geimpfte Gläubige beschlossen habe.
Er bestätigte zudem, dass die Regierung sich nach der Entscheidung an die Synode gewandt habe, um sich hinsichtlich der Veröffentlichung der Entscheidung zu koordinieren. Belegbar ist diese Aussage mit der Pressemeldung der Synode vom 4. November, in der ausdrücklich auf die Entscheidung vom 3. November Bezug genommen wird.
Ins Restaurant ohne Test? Geht auch!
Die allgemeinen Maßnahmen der Regierung gegen die Ausbreitung der Pandemie sind, verglichen mit der Lage in Deutschland, sehr streng.
Die griechischen Fahnder sind damit befasst, eine hohe dreistellige Anzahl von bulgarischen Impfzeugnissen griechischer Bürger nach Fälschungen zu überprüfen. Dabei setzen sie für ihre Fahndung Computersysteme und Datenbanken ein, die es in diesem Ausmaß in Deutschland noch nicht gibt.
Dem emsigen Bemühen konträr stehen "Fallen", welche die Verantwortlichen der Regierung selbst in ihr Regelwerk eingebaut haben. So deckte der Boulevardjournalist Nikos Evangelatos am Donnerstag in seiner täglichen Fernsehsendung beim Sender Mega auf, dass ein Restaurantbesuch ohne jeglichen Nachweis einer 3-G-Regel möglich ist.
Für den Besuch von Gaststätten ist die 3-G-Regel zwar verankert, es gibt aber eine Ausnahme. Ein Hotelgast kann im Restaurant des Hotels ohne Test oder Impfzeugnis speisen. Der Zugang zu Hotels ist an keinerlei 3-G-Regeln gebunden.
Infektionsfall - Parlament geräumt
Impfdurchbrüche gibt es auch in Griechenland. Zu den Betroffenen zählen Bewohner von Pflegeheimen, aber auch prominente Politiker, wie der frühere Staatspräsident Prokopis. Als am Dienstag während einer Parlamentssitzung die Infektion des anwesenden Ministers für Infrastruktur, Konstantinos Karamanlis, bekannt wurde, gab es eine sofortige Sitzungsunterbrechung.
Das Plenum wurde geräumt, desinfiziert und für zwei Tage geschlossen. Diese Maßnahme steht im Widerspruch zur Regel, dass bei festgestellten Infektionen in Schulen erst nach der Infektion von 51 Prozent der Schüler Maßnahmen angeordnet werden.
Die Verlautbarungen der Regierung zeigen nicht unbedingt, dass sie sich sehr um die Gesundheit der Bürger sorgt. So meinte der Minister ohne Geschäftsbereich, Akis Skertsos, dass der Ausbau des staatlichen Gesundheitssystems "ein Luxus" sei, den sich die Regierung nicht leisten möchte.