Plastikmüll ohne Grenzen: 52 Millionen Tonnen landen jährlich in der Umwelt
Indien führt die Liste der größten Plastikverschmutzer an. China hat dagegen von Deutschland gelernt. Wie kann die Plastikflut gestoppt werden?
Indien ist mittlerweile vor Nigeria und Indonesien der größte Plastikmüllverschmutzer der Ozeane, zeigt eine unter dem Titel ″A local-to-global emissions inventory of macroplastic pollution″ am 4. September des Jahres in der Fachzeitschrift ″Nature″ veröffentliche Zusammenstellung zum Thema.
Erstellt wurde die Arbeit von einem Forschungsteam der University of Leeds, das mithilfe von Künstlicher Intelligenz die Abfallbewirtschaftungen in mehr als 50.000 Orten weltweit modellierte. Anhand dieses Modells konnte das Team vorhersagen, wie viel Plastikmüll weltweit anfällt und was damit jeweils geschieht.
Im Jahr 2020 landeten danach 52 Millionen Tonnen Plastikprodukte in der Umwelt. In einer Linie aneinandergereiht würden sie den Globus 1500-mal umspannen. Mehr als zwei Drittel dieses Mülls sollen aus dem Globalen Süden stammen, wo der Norden verstärkt einkauft.
Für Nachschub beim Plastikmüll sorgt die weltweite Kunststoffproduktion, die zumeist auf der Petrochemie basiert, welche fossiles Öl verarbeitet. Die Jahresproduktion bei Kunststoffen beläuft sich auf mehr als 400 Millionen Tonnen. In Deutschland sorgt gerade der Mitarbeitermangel im Lebensmitteleinzelhandel für eine Umsatzausweitung bei Kunststoffverpackungen, weil Bedientheken vermehrt durch SB-Verpackungen ersetzt werden.
Bei den meisten dieser Plastikprodukte handelt es sich um Wegwerfartikel, die sich nur schwer recyceln lassen und jahrzehntelang oder sogar jahrhundertelang in der Umwelt verbleiben können, wobei sie oft in kleinere Teile zerfallen und so als Mikro- oder Nanoplastik enden und ihren Weg in die weltweite Nahrungskette finden.
Ein zusätzliches Problem liegt in der Tatsache, dass einige dieser Kunststoffe schädliche Chemikalien enthalten, die gesundheitsgefährdend sein können. Dies gilt besonders dann, wenn sie offen verbrannt werden.
Fehlende Müllsammelinfrastruktur
In vielen Ländern weltweit werden zwar Einwegplastikprodukte hergestellt oder importiert, aber weder recycelt noch zumindest gesammelt, weil dafür sowohl Finanzierung als auch Infrastruktur fehlt. Dies gibt der Markt ohne staatliche Regulierung einfach nicht her.
Die Forscher aus Leeds stellten fest, dass der nicht eingesammelte Plastikmüll etwa zwei Drittel der gesamten Plastikverschmutzung ausmacht und damit die Hauptursache der weltweiten Plastikkrise darstellt. Dies erstaunt kaum, wenn man bedenkt, dass beinahe 1,2 Milliarden Menschen, das sind rund 15 Prozent der Weltbevölkerung, keinen Zugang zu einer geordneten Müllabfuhr haben.
Sie müssen ihren Abfall selbst entsorgen, indem sie ihn irgendwo, meist auf öffentlichem Grund oder im Staatswald abladen, in Flüsse werfen oder in offenen Feuern verbrennen. Zu den weltweiten Hotspots der Vermüllung zählen neben der nigerianischen Metropole Lagos, die indische Hauptstadt Neu-Delhi, die angolanische Hauptstadt Luanda sowie Karachi in Pakistan.
China hat die effiziente Müllverbrennung in Deutschland gelernt
Der deutsche Müllverbrenner ″EEW Energy from Waste″ wurde 2016 vom schwedischen Finanzinvestor EQT an den chinesischen Energie- und Wasserversorger Beijing Enterprises (BEHL) verkauft. EEW betreibt insgesamt 17 Müllverbrennungsanlagen in Deutschland und in Nachbarländern und zählt damit zu den Unternehmen mit der größten Erfahrung in diesem Geschäft.
Mithilfe des in Deutschland aufgebauten Wissens soll die Müllverwertung in China, wo klassischerweise der freie Markt regiert, in geordnete Bahnen gelenkt werden und den Status einer "abfallfreien Stadt" erreichen. Dabei nutzt man auch Identifizierung-Techniken, welche in Deutschland auf erhöhten Widerstand stoßen würden, obwohl das Problem der Fehlwürfe auch hierzulande immer höhere Kosten verursacht und im Falle der über den Hausmüll entsorgten Lithiumbatterien immer wieder zu Fahrzeug- und Anlagenbränden führen, die auf die Entsorgungsgebühren umgelegt werden müssen.
Wie bei der Industrieproduktion befindet sich das extrem lernfähige China inzwischen offensichtlich auch bei der Beseitigung der Überreste dieser Produktion auf der Überholspur. Und beim Thema Müllverwertung musste man sich nicht einmal um Entwicklungshilfe bemühen, sondern hat mithilfe einer Investition gelernt, die keiner der einheimischen Investoren wagen wollte.
Inzwischen ist China auf dem Weg zum Vorbild bei der Müllentsorgung
Dem in Deutschland inzwischen endemischen China-Bashing wird durch die Entwicklung der Realität inzwischen der Boden entzogen, auch wenn man dies hierzulande nicht wahrnehmen will.
Zu den größten Umweltverschmutzern zählen inzwischen gerade die Länder, welche in Zukunft China bei den Handelsbeziehungen mit Deutschland verdrängen sollen. Dort wurden im Jahr 2020 rund 30 Millionen Tonnen Plastik, das sind 57 Prozent der gesamten Plastikverschmutzung in Häusern, auf Straßen und Mülldeponien verbrannt. Und das, ohne dass es Umweltkontrollen gab. Bisher wurde diese offene Verbrennung von Plastikmüll kaum beachtet, doch sie stellt ein ebenso bedeutendes Umwelt-Problem dar wie der Plastikabfall, der einfach weggeworfen wird und so in die Umwelt gelangt.
Menschen, deren Abfälle nicht eingesammelt werden, haben letztlich keine andere Wahl, als sie selbst ungeordnet zu entsorgen oder zu verbrennen. Während das Verbrennen von Plastik auf den ersten Blick eine schnelle und effiziente Lösung zu sein scheint, sieht es in der Realität ganz anders aus.
Tatsächlich kann die offene Verbrennung von Kunststoffen und das Einatmen der Verbrennungsprodukte schwere gesundheitliche Schäden wie Entwicklungsstörungen, Fortpflanzungsprobleme und Geburtsfehler verursachen.