Plattenbau oder Fachwerkhaus
Aufbaustrategiespiele für die Konsole
Mit Simcity und Anno 1701 kommen erstmals Vertreter der Aufbaustrategie auf den Taschenspieler Nintendo DS. Doch die architektonische Verkleinerung des Spieldesigns verlangt eine schwierige Gradwanderung zwischen Komplexität und einfacher Bedienung.
Eigentlich sollen Spiele für Unterwegs nur für wenige Minuten den Alltag unterbrechen. Das Gros der Titel für die Nintendo-DS-Konsole besteht deshalb aus kurzweiligen Action- und Puzzle-Spielen, gerade richtig für zwischendurch. Auf der anderen Seite thront der PC als Rechenmaschine im Arbeitszimmer. Zu seiner Domäne gehören Strategiespiele, bei denen man mit Maus und Tastatur komplexe Landschaften und Städte errichtet. Die mobilen Versionen von Simcity und Anno 1701 wollen die zwei eigentlich unvereinbaren Welten miteinander verschmelzen.
Die Städtesimulation Simcity stammt noch aus einer Zeit, als der PC primär zum Arbeiten genutzt wurde. 1989, als der erste von Will Wright produzierte Teil (zunächst für den Amiga und Macintosh und wenig später für den PC und C64) auf den Markt kam, war Multimedia noch ein Fremdwort. In den grauen PC-Kisten wurden mit 16 MHz getaktete 286er-CPUs mit Textverarbeitungen und Tabellenkalkulationen malträtiert. Soundkarten und CD-ROM-Laufwerke waren noch relativ wenig verbreitet.
Startet man die portable Version Simcity DS (von Electronic Arts für Nintendo DS) zum ersten Mal auf seiner Taschenkonsole, fühlt man sich zwangsweise in diese Ära zurückversetzt. Die Kamera schwenkt über eine graue Betonwüste mit Hochhäusern. Alles ist in rechtwinklige Planquadrate aufgeteilt. Selbst die (spärlichen) Grünflächen wachsen in Reih und Glied. Durch das Planspiel führt eine bebrillte Assistentin im hellgrauen Kostümchen mit dem Charme einer Sekretärin des städtischen Katasteramtes. In einen Tutorial erklärt sie kurz und knapp, was sich hinter den winzigen Steuerknöpfen verbirgt und dass eine Stadt ohne Strom und Straßen nicht funktioniert. Dann geht das Planspiel los. Mit den Stylus füllt man winzige Kästchen in den Farben grau, braun, orange, gelb und hier und da einige Tupfer in grün oder hellbau. Auf dem oberen Bildschirm sieht man derweil, wie sich die gelben Zonen mit Häusern und Fabriken füllen und die grauen Kästchen durch Straßen ersetzt werden.
Charme einer Tabellenkalkulation
Ist die Grundversorgung erst einmal gedeckt, kann man sich durch unzählige Statistiken mit so viel sagenden Abkürzungen wie "Qual", "Verb" oder "Vers" quälen, um Mängel und Verbesserungsmöglichkeiten ausfindig zu machen. Unter "Fina" lassen sich die Bilanzen der Stadtkasse einsehen, vorausgesetzt man rät, was sich hinter "ST.-W", St.-G" und St.-I." verbirgt.
Der Abkürzungswahn verleiht dem Spiel den Charme einer Tabellenkalkulation. Hier haben die Entwickler einfach wahllos alle Funktionen der PC-Vorgänger eingebaut und dabei völlig vergessen, dass das Touchpad des DS viel zu klein für eine derartige Informationsflut ist. Simcity ist deswegen in etwa so spaßig wie das Ausfüllen eines Bauantrags. Der drögen Betonwüstengrafik fehlt jedweder "Wuselfaktor" für die das Genre der Aufbausimulationen eigentlich berühmt ist. Wer es mit dem Stylus schafft, die winzigen Planquadrate genau zu treffen, wird mit keiner pulsierenden Großstadt belohnt. So weint man den verpixelten Betonburgen auch keine Träne nach, wenn sie von Umweltkatastrophen oder Feuersbrünsten niedergemäht werden. Wie auch diesem Spiel niemand nachweint, wenn es keiner kauft. Auf einer Skala von 1 ("am Boden zerstört"( bis 10 ("höchst erbaulich") erhält diese Version des Spiels die Wertung 3.
Dass Spiele für die Hosentasche durchaus einiges an Entwicklungsarbeit erfordern und man nicht einfach das PC-Design übertragen kann, zeigt Anno 1701 für den Nintendo DS (erschienen bei Disney Interactive). Mit der Portierung hat Sunflower den in Frankfurt am Main ansässigen Entwickler Keen Games beauftragt, das komplette Spiel für den Zweischirmbetrieb neu zu konzipieren. Statt wie bei Simcity einfach nur die einzelnen Bedientechniken in schnöden Texten herunterzurattern, führt das Spiel behutsam in die einzelnen Bereiche der Inselkolonisation mit einer ausgedehnten Kampagne ein. Von der Errichtung eines Kontors, zu den ersten Holzfällerhütten, Sägewerken und Marktplätzen werden alle Elemente der einzelnen Produktionsketten nacheinander erklärt. Man tauscht Waren mit anderen Inseln, erkauft sich mit Tributzahlungen Abbaurechte auf benachbarten Inseln und bildet Soldaten aus um sich gegen feindliche Piraten zu verteidigen.
Stets hat man die wichtigsten Rohstoffe wie Eisen, Holz, Stoffe und Gold im Blick. Anschauliche Bilder vermitteln, was sich hinter den einzelnen Menüpunkten verbirgt. Ein animierter Berater auf dem oberen Bildschirm gibt Tipps und erklärt die nächsten Aufgaben. So lernt man alle Aspekte des Spiels, ohne ins Handbuch schauen oder mystische Abkürzungen auswendig lernen zu müssen. Gebäude lassen sich mit dem Stylus bequem platzieren. Ein aufgehellter Bereich zeigt ihr jeweiliges Einflussgebiet an. Produktions- und Upgrade-Befehle werden in einem runden Pop-up-Menü gezeigt. So hat man alles im Griff ohne die Übersicht zu verlieren.
Die Anzeige gleitet Geschmeidig über die Inseln dahin. Für den Überblick gibt eine Weltkarte Auskunft über die aktuelle Position der Schiffe und einzelnen Kolonien. Wenn gerade nichts zu tun ist, kann man sich einfach am Treiben im Dorf erfreuen und den Handwerkern und Händlern bei ihrer Arbeit zusehen. Neben einem Endlosspiel gegen den Computer kann man per Funkverbindung gegen 3 weitere Mitspieler um die Wette siedeln, allerdings muss jeder Mitspieler sei eigenes Spielmodul mitbringen
Anno 1701 ist ein mustergültiges Beispiel, wie man Aufbausimulationen auf Taschenkonsolen portieren kann. So verbringt man so manche Stunde vor den kleinen Bildschirmen, die eigentlich nur für den kurzen Spielehappen zwischendurch gedacht waren. Wertung: 8.