Pockenimpfung: Amerikanische Ärzte im Bummelstreik

Fast eine halbe Million Angestellte des nationalen Gesundheitswesens wollte die US-Regierung schon gegen Pocken geimpft haben. Nicht einmal 40.000 haben es bislang mit sich machen lassen

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Das von US-Präsident George Bush letzten Dezember angeordnete Pockenimpfungsprogramm droht zumindest im zivilen Bereich zu einem Rohrkrepierer zu werden. Das geht aus einem neuen Bericht des amerikanischen Institute of Medicine hervor. Statt 420.000, wie ursprünglich geplant, ließen sich bislang nur 38.257 Ärzte, Schwestern und Pfleger in amerikanischen Krankenhäusern impfen. Unabhängig von der Zahl der Impflinge stellt das IOM in seinem Bericht den Sinn des Pockenimpfungsprogramms generell in Frage.

Einige Krankenhäuser traten in Generalstreik

Das Impfprogramm in seiner ursprünglichen Konzeption sollte aus zwei Phasen bestehen. Zunächst erhielten 500.000 Angehörige des amerikanischen Militärs den Impfstoff. Dieser Teil des Programms war verpflichtend, die Impfungen sind mittlerweile durchgeführt worden. Ebenfalls für Phase eins vorgesehen war die allerdings freiwillige Impfung einer weiteren halben Million so genannter "first responder", Ärzte und Schwestern, die im Akutfall Pockenopfer behandeln müssten.

Doch die Anvisierten blieben gleich scharenweise zuhause. Große Krankenhäuser wie das Virginia Commonwealth University Krankenhaus und die Kinderklinik von Philadelphia weigerten sich, auch nur irgendjemanden zu impfen. Und auch dort, wo die Krankenhäuser es ihren Angestellten freistellen, regiert Passivität. Angesichts der absehbar geringen Impfbereitschaft hatte die staatliche amerikanische Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control) bereits im Juni die geplante zweite Phase, in der mehrere Millionen weitere Amerikaner geimpft werden sollten, still und leise zu Grabe getragen.

Allein mir fehlt der Glaube...

Die Gründe für den Fehlschlag des Impfprogramms scheinen vielfältig: Das IOM diagnostiziert in den USA eine wachsende Skepsis: Ist ein Anschlag mit Pockenviren wirklich so wahrscheinlich, wie Bush glauben machen wollte? Hinzu kommt, dass die angeordneten Impfungen der Soldaten den Amerikanern vor Augen geführt haben, was das Problem der Pockenimpfung war und ist: Sie ist nicht ungefährlich. Das IOM berichtet von 52 Impflingen, bei denen Herzbeutelentzündungen aufgetreten sind.

Das ist zwar nur jeder Zehntausendste, aber dafür ist eine Herzbeutelentzündung kein Schnupfen und kann im ungünstigen Fall langfristig schwere Herzprobleme verursachen. Es traten unter den Geimpften auch acht Herzinfarkte auf, drei davon tödlich. Diese Zahl ist nach den Zahlen des IOM nicht statistisch signifikant, soll heißen: Es kann auch Zufall sein. Zur Beruhigung trägt das bei einer ohnehin skeptischen Öffentlichkeit aber natürlich nicht bei. Unklar ist wohl auch, ob und wie Impflinge finanziell entschädigt werden, wenn Komplikationen auftreten. All diese Faktoren zusammen haben wohl dazu beigetragen, dass das Pockenimpfprogramm der USA gerade gegen die Wand fährt.

Brian Henderson, der Hauptautor des IOM-Berichts, weiß auch nicht, wie es jetzt weiter geht: "Natürlich wäre es wünschenswert, mehr Geimpfte zu haben. Aber schließlich ist das Programm freiwillig". Der Bericht plädiert dafür, das Programm abzubrechen und nur fortzuführen, wenn es von einer klinischen Studie wissenschaftlich begleitet wird. Im Notfall, so Henderson, stünden mit den 500.000 geimpften Soldaten wohl genug Leute zur Verfügung, die die dann gebotenen Reihenimpfungen durchführen könnten. Wie das organisatorisch ablaufen soll, sei allerdings noch unklar.