Poeten sind auch nur Menschen

Innenansichten und Gedanken eines Mitglieds des Schriftstellerverbandes PEN über die Spaltung des Vereins, Deniz Yücel, einen Elefanten und seine Flusspferde.

Dieser text is im progressiven wunschdeutsch geschrieben, das heisst, ich fange fast normal an, und es kommen immer mehr rechtschreibänderungen, bis man überhaupt nich mehr durchblickt. Wobei dat ea die fall bei kaudadeutsh is as bei wunschdeutsch, dat is a multiculti deutsh, e plu terible is europix, a mix af al europano linguas, izi tu spik e tu comprend. Zum wunschdeutsch: Ich hab in meinen showlesungen 20.000 zuschauer über änderungen in der deutschen orthografie abstimmen lassen und daraus ein basisdemokratisches deutsch kreiert. Es is so wie die deutschen schreiben würden, wenn sie wüssten, dass sie schreiben dürfen wie sie schreiben möchten.

Man kann den deutschen keine mangelnde streitkultur vorwerfen: es war der deutsche Luther King, ich meine Martin Luther, der die christliche welt entzweit hat, und es war der deutsche Karl Marx, der die politische welt entzweit hat. Und jetz gibt es, vermutlich einzigartig in der welt, zwei PEN-Clubs in einem einzigen land, natürlich Deutschland.

Der Deutsche PEN Club hat sich irgendwann auf PEN-Zentrum umbenennen lassen, vielleicht weil 'Club' zu sehr nach schwimmbad und tennisplätzen riecht, und jetz wurde auch ein Berliner PEN gegründet, der vermutlich kaum berliner hat.

Dieser verein um den journalisten Deniz Yücel könnte sich auch PEN 2.0 nennen, aber egal: man will einen besseren PEN machen, weil der alte eine bratwurstbude is. Wie kam es nur zu diesem streit?

Ich bin vor über zehn jahren ins PEN-Zentrum eingetreten, gehörte aber eher zu den vilen karteileichen. Ich hab zwei oder drei vollversammlungen erlebt, die sind aber mit den vereinsdebatten und ihren regeln nich besonders unterhaltend. Der vorteil is vor allem für literaten, die dort viele freunde treffen, das is bei mir nich der fall: meine freunde nennen mich Zé, aber ich habe keine freunde.

Bei der jetzigen tagung war das ganz anders. Sie war eine besondere veranstaltung, weil die PENner, also die PEN-mitglieder – entscheiden sollten, ob das ganze oder das halbe Präsidium gehen sollte, und das ein halbes jahr nachdem es unter Deniz Yücel die führung übernommen hatte. Der Welt-journalist war schon in haft in der Türkei und musste selber gerettet werden, er is bekannt in den medien, bestens vernetzt, war eine gallionsfigur im verein und wurde mit groszer mehrheit gewählt.

Die diktatur und die rebellen

Bald kamen mir kritiken gegen die führung zu ohren. Ich hatte freunde, die mich mit in eine chatgruppe reinnahmen, und sie waren entsetzt über den autoritarismus und die ruppigkeit, mit der im verein "regirt" wird. Im prinzip gibt es ein zehn-köpfiges präsidium, in dem auch der präsident sitzt, und das Präsidium trifft die entscheidungen. Dann gibt es den Generalsekretär (der auch im Präsidium sitzt) und ein büro, das die papirarbeit erledigt.

Dazu noch eine unterorganisation, die Writers in Exile heisst. Ein groszteil des neuen Präsidiums soll angeblich den Generalsekretär und die Beauftragte für Writers in Exile gemobbt und das leben der büroangestellten zur hölle gemacht haben. Es gab angeblich ein leck im e-mail-verkeer der yücelisten – war Snowden schon wider am werk? – und so erfuhr man, dass dise gruppe den Generalsekretär "den Elefanten" nannte, flankirt von ein par flusspferden.

Und sie erklärte die "trägheit" des Generalsekretärs mit seinem alter, was ihr noch den vorwurf des ageism – wörter gibts! – also der altersdiskriminirung eingebracht hat.

Das war zimlich emotional, aber ich denk, das is vermutlich wie wenn man ein pärchen oder ehepar kennt, das sich grade getrennt hat oder dabei is, es zu tun: hört man sich partner A an, glaubt man, B is ein monster, kommt man aber dazu, auch B anzuhören, glaubt man, A is ein monster – sind beide monster? Ich würd eher sagen, sie sind menschlich. Und wie man in Brasilien so schön sagt, irren is menschlich, die schuld beim andren zu suchen is noch menschlicher.

Zu allem überfluss meinte Deniz Yücel bei einer veranstaltung der Litcologne, die Nato sollte oder könnte in der Ukraina eine flugverbotszone einrichten. Daraufhin haben sich fünf ehemalige PEN-präsidenten von ihm distanzirt und forderten seinen rücktritt. Die kritik war, dass er seine kompetenzen überschritten hatte: als PEN-präsident eines vereins, der für den friden kämpft, darf man nich zur krigserweiterung aufrufen, weil eine flugverbotszone einem krig zwischen Nato und Russland gleichkäme.

Jedenfalls dachte ich, wenn ich ein klareres bild haben will, muss ich zur versammlung hin, auch wenn mir mein zanarzt grade ein zan gezogen hat und ich eine dicke backe hab. Opfer müssen gebracht werden! Danach hatte ich aber noch weniger anung.

Die schlacht get los

Gota is keine weltmetropole, aber für die grösze der stadt hat es zimlich vile prachtbauten. Und es is eine friedliche stadt. Weniger friedlich war die PEN-Tagung: als Yücel die session eröffnete, wurde er ausgebut und man fil ihm dauernd ins wort, er konnte kaum sprechen. Es dauerte ein bis zwei stunden, bis eine tagesleitung und die reihenfolge der anträge bestimmt werden konnte. Die tagesleitung machte ire arbeit recht souverän, musste aber mit einem stürmischen wetter im sal fertig werden.

Was sich für mich schon im voraus allmälich zeichnete, wurde wärend der versammlung konkreter. Es scheint mir eine zimlich archetypische situation zu sein: eine organisation oder ein betrib is mer oder weniger marode, da kommt ein neuer leiter oder ein tim, um den karren aus dem dreck zu zin. Keiner wird sagen, er is gegen modernisirung, aber punktuell kann man gegen die neuen schwerpunkte, metoden und/oder das tempo sein.

Dise menschen stellen sich bewusst oder unbewusst quer, und die erneuerer sen die sich querstellenden als hindernis, als blokirer, eben als elefanten im raum. Und da fangen die reibungen an. Die erneuerer sind auf die neue efizienz fokussirt, und machen sich keine groszen gedanken über das arbeitsklima. Das sollten sie aber, weil auch ein schlechtes arbeitsklima zu einer reduzirten efizienz füren kann. Die erneuerer mögen kreativ und efizient in der organisation sein, haben aber nich unbedingt diplomatisches talent.

Die yücelisten wollten aus dem "altherren-und-herrinnen-verein" (so würden sie's villeicht ausdrücken) eine moderne, dynamische NGO machen, vermutlich auch mit gendern, plus vegan und glutenfrei. Die rebellen nannten die aktivitäten der yücelisten gegenüber dem Generalsekretär Heinrich Peuckmann, der Beauftragten von Writers in Exile Astrid Vehstedt und dem büropersonal 'mobbing'.

Natürlich verteidigten sich die yücelisten: das war kein mobbing. Kann man so oder so sen: die definition in der Wikipedia lässt an mobbing in der schule denken, wo ein einzelner als opfer ausgesucht wird. Ein mobber kann eim gemobbten selten erklären, warum er beim mobbing mitmacht, manche würden den gruppenzwang als erklärung geben.

Das war nich der fall im PEN, da gab es eine klare erklärung: das neue tim wollte manche leute loswerden weil sie inen im weg standen und angeblich den betrib störten. Nach der definition des Duden war es mobbing: das leben eines störenden mitarbeiters so schwer zu machen, dass er get. Würd ich als chef vermutlich auch machen, wenn ich ihn nich direkt feuern könnte.

Jedenfalls wollten die yücelisten mer von den "problematischen" personen als dise geben konnten oder wollten. Waren die forderungen zu hoch oder war die dynamik zu lam, oder beides? Wie kann man das messen? Auch meine frau sagt, ich mach zu wenig im haushalt und ich sag, ich muss mich abrackern wie ein lastenkameel in der Sahara. Da kann es nur subjektive warheiten geben.

Das probleem is auch, dass das büro schon in normalen zeiten kronisch unterbesetzt is, geld für mer personal is nich da. Und wenn dann ein neues präsidium kommt, das vil tut oder tun will, kann irgendwann die arbeitslast unerträglich werden.