Polen: keine Lizenz zum Stören

Mit einem neuen Mediengesetz will Polens Regierung den kritischen Sender TVN unter Kontrolle bekommen. Dabei wird auch der Konflikt mit den USA nicht gescheut

Der Nachrichtenkanal TVN24 scheint erstmal "gerettet" - er konnte Anfang dieser Woche in Holland eine Sendelizenz erlangen, die ihm seit 18 Monaten in Polen vom Rundfunkrat verwehrt wird. Somit kann der Kanal weiterhin in Polen gesehen werden, die Frist für eine polnische Lizenz läuft bis zum 26. September aus. Die Mehrheit des Rundfunkrats sperrt sich gegen eine Lizenzverlängerung, da beim Verkauf des Senders der polnisch-französischen Besitzer ITI und Canal+ 2015 zuviele Anteile an Scripts Networks Interactive übergegangen waren. Auch würden dem Sender journalistische Standards fehlen.

Doch der Muttersender TVN und seine weiteren Kanäle sind immer noch gefährdet, da sie "terrestrisch" übertragen und für sie eine andere Rechtslage gilt. Nach Willen der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) soll in Polen bald ein Gesetz in Kraft treten, wonach TV-Sendelizenzen nur vergeben werden, wenn der Sitz des Haupteigentümers im Europäischen Wirtschaftsraum liegt.

Somit müsste der alleinige TVN-Eigner "Discovery" aus den USA bis dahin Anteile verkaufen - womöglich an ein polnisches Unternehmen, auf das die Regierung in Warschau Einfluss hat. Wie etwa an den Mineralkonzern Orlen, der sich im Dezember 140 Zeitungstitel der Passauer Verlagsgruppe einverleibte.

"Nationalisierung" und "Repolonisierung"

Am vergangenen Mittwoch stimmte das polnische Parlament für die Novelle, es fehlt noch die Abstimmung des Senats, sowie die Unterschrift des zumeist regierungsnahen Staatspräsidenten Andrzej Duda, dann kann das Gesetz in Kraft treten.

"Nationalisierung" und "Repolonisierung" der Medien nennen dieses Projekt Premierminister Mateusz Morawiecki und Parteichef Jaroslaw Kaczynski, die sich den Autokratismus in Viktor Orbans Ungarn zum Vorbild genommen haben, wo unabhängige Berichterstattung kaum noch vorkommt. Bereits 2017 wollte der Stratege Kaczynski gegen den Sender vorgehen - vereitelt hat dies der damalige US-Präsident Donald Trump, der von den Nationalkonservativen an der Weichsel regelrecht verehrt wurde. Doch seit Joe Bidens Amtsantritt in Washington hat sich das Verhältnis zum wichtigsten militärischen Bündnispartner merklich abgekühlt. "Wir haben keine Wahl, wir werden nun Klage wegen Verstoßes gegen das polnisch-amerikanische Handelsabkommen erheben", so der Geschäftsführer des US-Konzerns "Discovery", Jean-Briac Perette.

US-Außenminister Antony Blinken warnte vergangene Woche davor, dass das bilaterale Investitionsklima "untergraben" werde, Polens Regierung solle internationale Abkommen und Werte "nicht nur durch Worte, sondern auch durch Taten entsprechen." Mit im Spiel ist auch William Kennard, der neue Direktor des Telekommunikationskonzerns AT&T, der im nächsten Jahr die meisten Aktienpakete von Discovery halten wird. Der ehemalige US-Diplomat für die EU gilt als ein naher Biden-Vertrauter. Von polnischer Seite wird die Gesetzesveränderung als Abwehr eines möglichen arabischen oder russischen Einflusses auf die TV-Landschaft an der Weichsel verteidigt.

Gerüchte über mögliche Sanktionen

Doch dies wird in Washington nicht geglaubt. Der private Radiosender RMF kolportierte, dass dort sogar Einreiseverbote für polnische Regierungsmitglieder verhängt werden könnten. Auch nach Angaben des ehemaligen Wissenschaftsministers Jaroslaw Gowins am Freitag, der derzeit am besten mit dem Weißen Haus vernetzte polnische Politiker, hätten die USA bereits eine Liste von Restriktionen vorbereitet, sollte das Gesetz wirklich in Kraft treten.

Gowin, Kopf der Kleinpartei "Verständigung", die zusammen mit der PiS und einem weiteren Juniorpartner das Bündnis "Vereinigte Rechte" bildeten, ist vergangene Woche aus der Regierung ausgetreten. Die fehlenden Stimmen für die Mehrheit im Parlament konnten mittels der Partei "Kukiz 15" ausgeglichen werden - die Regierung von Morawiecki und Kaczynski ist somit von dem ehemaligen Punkrocker Pawel Kukiz abhängig, der nicht unbedingt für ein klares Programm bekannt ist.

Doch der einflussreiche Jaroslaw Kaczynski scheint in diesem Falle entschlossen zu sein. Im Streit um die Disziplinarkammer - einem Instrument, um Juristen abzustrafen - hat er gegenüber dem Europäischen Gerichtshof nachgegeben.

Der Nachrichtenkanal TVN24 hat bereits einige Affären der Regierung aufgedeckt, was deren Selbstbild des uneigennützigen Anwalts der Leute Kratzer zufügte. TVN, seit 1997 Auf Sendung, seit 2015 in US-Besitz, gilt schon lange neben der Zeitung Gazeta Wyborcza als Hauptgegner der Nationalkonservativen und Rechten. Diese werfen vor allem dem Nachrichtenkanal TVN24 Einseitigkeit zugunsten liberaler Parteien vor.

Dies ist nicht von der Hand zu weisen, die Sympathie für liberale Parteien wird bei der Berichterstattung des Senders oft nicht verdeckt. Dennoch unterscheidet sich dessen Berichterstattung deutlich von den aggressiven Attacken des Staatssenders TVP gegen missliebige Personen.

In Polen wurden die öffentlich-rechtlichen Medien bereits 2016 unter Kontrolle der nationalkonservativen Regierung gebracht. Sollte TVN in irgendeiner Weise von der PiS beeinflusst werden, hätten sie sich der letzten Stimme im Fernsehen entledigt, die Kontra gibt.

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