Politisch instinktlos: Robert Habeck hat die tiefen Teller nicht erfunden
Wegen eines Schimpfworts bemüht der Minister die Staatsgewalt. Trotz großer Aufgaben schreibt er nebenbei Bücher. Was dabei untergeht. Ein Kommentar.
Nein, "Schwachkopf" ist nicht die eleganteste Beleidigung. Freundlicher ausgedrückt ließe sich sagen, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die tiefen Teller nicht erfunden hat. Zumindest verhält er sich gerade in doppelter Hinsicht politisch instinktlos und schadet damit sich selbst und den Anliegen, für die seine Partei in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch steht.
Dass er wegen eines auf der Plattform X geposteten "Schwachkopf"-Memes mit seinem Konterfei Strafantrag gestellt und dem mutmaßlichen Urheber eine Hausdurchsuchung beschert hat, wirkt mindestens unsouverän; die Polizeiaktion vollkommen unverhältnismäßig.
Habeck droht PR-Desaster – egal, wie sein Buch zustande kam
Dass Habeck in diesen bewegten Zeiten ein Buch veröffentlicht, wirft die Frage auf, was für ihn das größere PR-Desaster wäre: Wenn er sich trotz aller Herausforderungen seines Amts die Zeit genommen hat, es selbst zu schreiben, oder wenn herauskäme, dass dies eine KI oder ein Ghostwriter für ihn getan hat. So oder so macht es keinen guten Eindruck.
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Das müssen auch seine hartnäckigsten Unterstützer einsehen, die sich in Online-Diskussionen unter dem Hashtag "Team Habeck" versammeln. Wer ihn grundsätzlich für ein politisches Talent hält, sollte von ihm doch volle Konzentration auf sein Amt erwarten dürfen. Schließlich bekommt er ein steuerfinanziertes Gehalt, von dem die meisten Menschen in Deutschland nur träumen können.
Warum Habeck die unlustige Version von Söder ist
Dass Habeck sich nebenbei als Autor profilieren will, wirkt ähnlich eitel und selbstdarstellerisch wie die ausufernden Social-Media-Aktivitäten des CSU-Chefs und bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Letztere sind aber wenigstens unterhaltsam – es kann kostenlos darüber gelacht werden, wie sich Söder als Foodblogger und Weltraum-Erklärer inszeniert, während für Habecks Buch Geld bezahlt werden soll.
Es heißt unironisch "Den Bach rauf", soll noch vor den Neuwahlen erscheinen und eine "Kursbestimmung" sein, damit diejenigen, die es interessiert, "den Mut wiederfinden".
Laut einem Bericht der Frankfurter Rundschau sind aktuell sogar zwei Buchveröffentlichungen von Robert Habeck geplant. Bei dem zweiten soll es sich um einen Roman handeln.
Habecks dünnhäutige Reaktion auf die unkreative Beleidigung lässt aber an seiner Vorbildfunktion in Sachen Mut zweifeln. Frei nach dem Motto "Was stört ’s die Eiche, wenn sich die Wildsau an ihr reibt?" hätte er darüber hinwegsehen können.
Was die Beleidigung beliebig und harmlos macht
Stattdessen bemüht der Kanzlerkandidat einer Partei, die in Umfragen bei rund zwölf Prozent steht, die Staatsgewalt – was nachvollziehbar wäre, wenn es um eine der Lynchmord-Fantasien ginge, mit denen die Neonazi-Szene Grüne und Ampel-Politiker immer wieder konfrontiert.
Dergleichen muss niemand auf sich beruhen lassen – und zum Teil mag das erklären, warum die Nerven bei den Grünen blank liegen.
Hier aber ging es um ein eher schwaches Schimpfwort, das im Grunde aus jedem politischen Lager kommen könnte, um dem jeweiligen Gegner die Intelligenz abzusprechen. Und wer möchte schon, dass die eigenen politischen Freunde wegen so etwas frühmorgens von der Polizei aus dem Bett geholt werden?
Wie Spitzen-Grüne die Klimamüdigkeit befeuern
Nachdem die Grünen im letzten Bundestagswahlkampf als Klimaschutz-Partei aufgetreten sind, schadet Habecks Verhalten auch und gerade diesem epochal wichtigen Anliegen. Egal, wie weit sich die Spitzen-Grünen real davon entfernt haben.
Denn trotz scharfer Kritik aus der aktiven Klimabewegung an LNG-Terminals, die Habeck maßgeblich zu verantworten hat, und der Streichung von Klima-Sektorzielen unter der Ampel-Regierung werden die Grünen nach wie vor eng mit Klimaschutz in Verbindung gebracht – und alles, was sie tun und lassen, wird von rechtspopulistischer Seite gegen effektiven Klimaschutz verwendet.
Im Spannungsfeld von kurz-, mittel- und langfristigen Existenzängsten, die durch steigende Lebenshaltungskosten einerseits und die Klimakatastrophe andererseits verursacht werden und allesamt rational sind, ist kein Platz für solche Eitelkeiten.