Politische Entscheidungen zwischen Machtanspruch und Gemeinwohl

Seite 2: Politische Versprechen

Doch kein Politiker hat je versprochen, im Falle der Machtübertragung an ihn das Weltklima völlig unbeherrschbar zu verändern, Teile des eigenen Landes im Meer versinken zu lassen, Ackerböden unfruchtbar zu machen oder die Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten drastisch zu reduzieren, – für irgendein höheres Ziel.

Selbst konsent für durchgeknallt gehaltene Machthaber versprachen und versprechen wenigstens den eigenen Untertan stets eine goldene Zukunft, die ebenso stets besser als die Gegenwart sein soll. Niemand ist dafür gewählt oder auch nur nicht vom Thron gestoßen worden, weil er proklamierte, die große Abrissparty feiern zu wollen.

Politische Versprechen gelten immer wenigstens auch – wenn nicht ausschließlich – den Kindern und Kindeskindern.

Kein Politiker hat je versprochen, im Falle der Machtübertragung an ihn die Grundrechte beim Aufkommen einer Pandemie rigoros außer Kraft zu setzen und völlig planlos Ressourcen im Wert von mehreren Billionen Euro von künftigen Generationen zu nehmen, womit sich Tatkraft illusionieren lässt, tatsächlich aber schlicht die gesamte Gesellschaft verändert wird, mit einem Federstreich und einem großen Repressionsapparat; ohne dass es je eine Abwägung von Kosten und Nutzen, Wirkungen und Nebenwirkungen gab, ohne dass also jemals demokratisch ein Auftrag erteilt wurde, so zu handeln, wie gehandelt wurde.

Mehr Demokratie ist nötig

Dass auch die schönsten, mutigsten, am weitesten reichenden Versprechen in den gegenwärtigen demokratischen Gesellschaften gar nicht wählbar wären, macht das parlamentarisch-repräsentative Modell besonders undemokratisch: Es gibt kein imperatives Mandat, es gibt keine Vertragsbindung des Politikers an seine Wahlversprechen, auch nicht an Koalitionsverträge oder Parteitagsbeschlüsse, die Bürger können keine Regierungen wählen und keine Koalitionen im Parlament.

Allenfalls dürfen die Bürger kleine Korrekturen per Volksabstimmungen vornehmen (wo sie denn möglich sind, nämlich auf Landes- und Kommunalebene), aber niemals sind sie weisungsbefugt gegenüber ihren angeblichen Stellvertretern.

Stattdessen lassen diese sich als Parlamentarier per Wahl und als Regierungspolitiker per Berufung eine Generalvollmacht erteilen, über deren Ausgestaltung allein sie zu befinden haben. In Form von Gesetzen, Verordnungen und Verträgen legen sie selbst die Regeln fest, nach denen sie dann politisch handeln – und alles ist jederzeit änderbar.

Selbst das von Politikern, Lobbyisten, NGO, Wirtschaftsunternehmen und Wissenschaftlern gleichermaßen als heilig deklarierte Grundgesetz, an dem entgegen dem schönen Wortlaut seiner Präambel nie "das deutsche Volk" mitgewirkt hat, ist Spielball statt Spielregel der Macht.

Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Unverletzlichkeit der Wohnung, Berufsfreiheit, Meinungsäußerungsfreiheit – all diese in einer aufgeklärten Gesellschaft wahnsinnig banal klingenden Grundrechte stehen unter Gesetzesvorbehalt.

Repressive Drogenprohibition wie alle anderen willkürlichen Ge- und Verbote, Hausdurchsuchungen wegen Nichtigkeiten, die militärische Ermordung von mutmaßlichen Terroristen völlig außerhalb jeder Gerichtsbarkeit, wochenlanger Hausarrest für alle – den Herrschaftsgelüsten von Politik und Verwaltung (zu der u.a. Polizei, Bundeswehr und Geheimdienste gehören) setzt das Grundgesetz kaum Grenzen.

Und sollte das – von Politikern und mit (Ex-)Politikern besetzte – Bundesverfassungsgericht doch einmal ein Stoppschild hochhalten, wird entweder der gesetzliche Rahmen geändert oder die Entscheidung des höchsten Gerichts schlicht ignoriert, ohne dass dies irgendwelche Sanktionen nach sich zöge (Beispiel Wetzlar).

Unter der viel beschworenen "Krise der Demokratie" wird jedoch in der Regel nicht verstanden, die Politik orientiere sich zu wenig an den Bürgern oder nutze ihre Entscheidungsmacht nicht sinnvoll für die Zukunftsgestaltung.

Rückgang der Untertänigkeit

Als Symptom für eine "Krise der Demokratie", die alle westlichen Parteien-Regentschaften betrifft, gilt vielmehr der Rückgang der Untertänigkeit.

Wenn im Internet zu laut gemeckert wird (und auch krudes Zeug, das schon immer gedacht und gesagt wurde, plötzlich für Journalisten, Politiker und Politologen zitierbar wird), wenn die Wahlbeteiligung zurückgeht (und damit evtl. die pauschale Zustimmung zum System) oder aber wenn Wahlen neue Wettbewerber auf den Turnierplatz der Macht bringen.

Artikulierte Unzufriedenheit, gar Besserwisserei des Volkes könnte man als normalen Prozessteil öffentlicher Debatten sehen – wenn am Ende Probleme zur Zufriedenheit der Bürger gelöst werden.

Das ist jedoch nicht der Fall, im Gegenteil: Durch ein permanentes Wachstum an Regelungen wird unsere Gesellschaft tatsächlich immer komplexer, vor allem aber auch immer fremdbestimmter und damit immer störanfälliger.