Politisches Fußballfieber: UEFA lehnt "Regenbogen-Arena" ab

Der DFB wird sich fügen. Dabei ist Fußball längst politisch und der Verband könnte ein Zeichen gegen die Homophobie in diesem Sport setzen

Es war zu erwarten, dass die UEFA die Beleuchtung des Münchner Fußballstadions ("Allianz-Arena") in Regenbogenfarben zum EM-Spiel Deutschland gegen Ungarn ablehnen wird, wie heute bekannt wurde. Eine große Überraschung wäre es, wenn sich der Deutsche Fußballbund (DFB) über diese Entscheidung hinwegsetzen würde.

Damit würde man ein starkes Zeichen in einem Sport setzen, in dem die Homophobie noch derart das Klima prägt, dass sich homosexuelle Spieler davor fürchten müssen, dass ihre sexuelle Orientierung bekannt wird.

Was hätte der DFB zu befürchten? Eine Geldstrafe? Ein Verbot der Teilnahme der Mannschaft am Turnier, wäre kaum vorstellbar.

Die UEFA sei "aufgrund ihrer Statuten eine politisch und religiös neutrale Organisation. Angesichts des politischen Kontextes dieser speziellen Anfrage - eine Botschaft, die auf eine Entscheidung des ungarischen Parlaments abzielt - muss die UEFA diese Anfrage ablehnen", teilte der Dachverband laut Tagesschau mit.

Es gibt Regeln, an die sich Stadien bei der EM halten müssen, heißt es aufseiten der Befürworter der Absage der Regenbogenfarbenbeleuchtung. Das zugrunde liegende Argument lautet, Politik sei vom Fußballsport zu trennen. Das ist allerdings Schimäre, ähnlich wie die des "sauberen Sports". Jeder Fan weiß, dass Politik seit vielen Jahren in den Köpfen der Anhänger mit dabei ist, wenn 22 Spieler auf dem Rasen auf mehr jeder weniger geschickte Weise Tore erzielen oder verhindern wollen.

Spielt die schottische Mannschaft gegen die englische, so spielt auch die Unabhängigkeitsbewegung der Schotten mit, um ein relativ harmloses Beispiel zu nennen. Der Rassismus von Zuschauern ist dafür ein brutaleres Beispiel. Er wird auch denen bekannt sein, die sich gar nicht für den Sport interessieren, der eine gigantische Unterhaltungsindustrie geworden ist.

Dass er lange Zeit offiziell gar nicht zur Kenntnis genommen wurde, obwohl die Angegriffenen und Beleidigten darunter viele Lebensjahre zu leiden hatten - eingeschlossenen jene, die das mit Witz zu kontern versuchten (wie zum Beispiel Erwin Kostedde oder Jimmy Hartwig), um mit dem Milieu zurechtzukommen - spricht ebenfalls dafür, dass ein Zeichen wie die Regenbogenbeleuchtung ein starkes Signal für eine Haltung sein kann.

"Fußball wird immer stärker in Kulturkämpfe hineingezogen"

Zumal sich andere Haltungen ja auch sehr offen zeigen und in viele Länder übertragen werden. Zum Beispiel sahen die TV-Zuschauer kürzlich vor dem Spiel Ungarn gegen Frankreich eine "Brigade" ungarischer Ultras, die mit einem Banner aufmarschierten, auf dem ein knieender Spieler durchgestrichen war (es gab schon vorher eindeutige politische Zeichen).

Das Auf-die-Knie-gehen von Fußballspielern ist eine Geste der Black-Lives-Matter-Bewegung, die sich gegen Rassismus richtet. In der politischen Lager-Kartografie gehört die Geste zum Kulturkampf rechts gegen links, den der frühere US-Präsidenten Trump auch für seine Seite ausgiebig nutzte. Sport und Politik zu trennen, ist ein Anspruch, an den sich auch Politiker nicht halten.

Fußball wird immer stärker in diesen Kulturkampf hineingezogen, wie Gideon Rachman in einem Artikel der Financial Times am Wochenende zur EM behauptete. Rachman, eigentlich zuständig für Außenpolitik der Finanzzeitung, beschreibt darin, wie die Mannschaften, die vor dem Anpfiff auf die Knie gingen, ausgebuht wurden. Offenbar war das dann auch Thema für Boris Johnson.

Nach einigem Zögern verurteilte der Premierminister Boris Johnson die Buhrufe und forderte die Fans auf, sich hinter die Mannschaft zu stellen. Aber zwei Mitglieder seines Kabinetts, Jacob Rees-Moog und Priti Patel, haben die Proteste (die Buhrufe der Zuschauer, Einf. d.A.) verteidigt - wobei Rees-Moog andeutete, dass die Spieler mit ihrer Protestaktion (dem Kniefall, Einf. d.A.), nicht die "marxistische" Politik der Black-Lives-Matter-Bewegung verurteilen. Patel, Großbritanniens Innenministerin, hat den Spielern vorgeworfen, in "Gestenpolitik" zu schwelgen.

Gideon Rachman, Fever Pitch, Financial Times, 19/20. Juni 2021

Die Gestenpolitik ist im Fußball längst überall, so Rachmans Fazit - mit einer überraschenden Beobachtung: "Es ist in Großbritannien zur allgemein akzeptierten Weisheit geworden, dass 'Kulturkriege' immer besser für die Rechte als für die Linke funktionieren. Aber Fußball könnte eine Ausnahme sein".

Er begründet dies mit einer Umfrage zur EM 2020, wonach 54 Prozent der Befragten die Geste des Kniens befürworteten. Wie würde eine Umfrage zur Regenbogenbeleuchtung ausfallen?

In Deutschland haben sich nun Köln und Frankfurt dafür ausgesprochen, ihre Stadien beim Spiel der deutschen Mannschaft gegen Ungarn in München bunt zu beleuchten:

"Wenn München am Mittwoch nicht darf, dann müssen eben die anderen Stadien im Land Farbe bekennen. Auf jetzt, Kollegen in der Liga", twitterte Eintracht Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann in der Nacht zum Dienstag.

SZ