Pollin: Globaler Green New Deal schafft Hunderte Millionen Jobs!
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- Das Weltuntergangsszenario kann verhindert werden
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US-Klimaökonom Robert Pollin sagt: Die globale Energiewende ist ein Gewinn für alle. Nur fünf Prozent des BIP an Investitionen, dafür jährlich 160 Millionen Arbeitsplätze. Warum auch fossile Arbeiter:innen von der Weltrettung profitieren werden.
Das Interview mit dem Klimaökonomen Robert Pollin führt der Politikwissenschaftler C.J. Polychroniou. Es erscheint in Kooperation mit der US-Nachrichtenseite Truthout. Übersetzung: David Goeßmann.
Robert Pollin ist Co-Direktor des Political Economy Research Institute an der University of Massachusetts-Amherst und einer der weltweit führenden progressiven Wirtschaftswissenschaftler. Er entwickelte eine Reihe von "Green Growth Programs" und hat zahlreiche Bücher und wissenschaftliche Artikel über Makroökonomie, Arbeitsmärkte sowie Umwelt- und Energiewirtschaft veröffentlicht. Pollin wurde 2013 vom Foreign Policy Magazine zu einem der hundert führenden globalen Denker gewählt. Zusammen mit Noam Chomsky veröffentlichte er 2020 das Buch: "Climate Crisis and the Global Green New Deal: The Political Economy of Saving the Planet" (2020).
Der Green New Deal wird als die vielleicht einzige praktikable Lösung angesehen, um eine Klimakatastrophe abzuwenden. Dennoch halten ihn viele nach wie vor für unrealistisch, und zwar nicht nur aus rein wirtschaftlicher Sicht (so wird behauptet, er sei einfach unbezahlbar), sondern auch in dem Sinne, dass moderne Volkswirtschaften und Gesellschaften ohne fossile Energie nicht funktionieren können. Inwieweit ist also ein Green New Deal, um die Klimakatastrophe abzuwenden, Ihrer Meinung nach realistisch?
Robert Pollin: Der Green New Deal hat in letzter Zeit enorm an Zugkraft gewonnen. Das allein ist schon ein großer Erfolg. Aber es ist nach wie vor unerlässlich, dass wir diese große Idee in ein realisierbares Programm umwandeln. Die Umsetzung des Green New Deal hat eine klare Voraussetzung: Wir müssen innerhalb der nächsten dreißig Jahre absolut aufhören, Öl, Kohle und Erdgas zur Energieerzeugung zu verbrennen. Und wir müssen es auf eine Art und Weise tun, die zugleich einen steigenden Lebensstandard für die armen Bevölkerungsteile weltweit ermöglicht sowie für alle Arbeiter:innen Entwicklungschancen bietet.
Ein solches "Green New Deal"-Programm ist wirtschaftlich und technisch gesehen absolut realistisch. Saubere erneuerbare Energiequellen – einschließlich Sonnen- und Windenergie, Erdwärme und in geringerem Maße Kleinwasserkraft und emissionsarme Bioenergie – sind entweder bereits genauso teuer bzw. billiger als fossile Brennstoffe und Kernenergie. Darüber hinaus besteht die einfachste und billigste Möglichkeit, Emissionen zu senken, in der Erhöhung der Energieeffizienzstandards, unter anderem durch die Dämmung von Bestandsgebäuden, die Umstellung von Neubauten auf einen Netto-Nullenergieverbrauch und die Ersetzung von Autos mit hohem Benzinverbrauch durch den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und durch Elektroautos.
Die Erhöhung der Energieeffizienz wird den Menschen natürlich finanzielle Entlastungen bringen – zum Beispiel kann die Stromrechnung durchaus um die Hälfte gesenkt werden, ohne dass man die Beleuchtung oder Klimatisierung der Räume reduzieren müsste. Der Green New Deal wird die Verbraucher:innen also im Laufe der Zeit nichts kosten, solange wir das eigentlich recht einfache Problem der Kosten für Investitionen beim Green New Deal durch die gleichzeitig erzielten Kosteneinsparungen lösen, die man durch die Anhebung von Effizienzstandards und die Erzeugung billiger Erneuerbarer Energie erzielt.
Meine Mitarbeiter und ich haben berechnet, dass der Aufbau eines 100 Prozent sauberen Energiesystems etwa 2,5 Prozent des globalen BIP pro Jahr in den nächsten dreißig Jahren erfordern wird. Ja, das ist in Dollar ausgedrückt eine Menge Geld, etwa zwei Billionen Dollar ab jetzt und danach ansteigend. Aber es bedeutet immer noch, dass 97,5 Prozent der weltweiten Wirtschaftstätigkeit für andere Dinge als Investitionen in saubere Energie verwendet werden können.
Der Green New Deal ist also durchaus ein realistisches Projekt zur globalen Klimastabilisierung. Genauer gesagt ist der Green New Deal in der Lage, die notwendigen Emissionsreduktionsziele zu erbringen, die die globale Durchschnittstemperatur bei 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau bis Ende des Jahrhunderts stabilisieren können, wie es der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) festgelegt hat. Die eigentliche Frage ist aber natürlich nicht, ob der Green New Deal wirtschaftlich oder technisch machbar ist, sondern ob er politisch durchsetzbar ist. Die Frage ist: Werden wir, die menschliche Spezies, es zulassen, dass wir der alles zerstörende Asteroid des 21. Jahrhunderts für die Erde werden oder nicht.
Der globale Green New Deal, den Sie vorgeschlagen haben, macht einen gerechten Übergang für die in der fossilen Wirtschaft beschäftigten Arbeitnehmer:innen zur obersten Priorität. Was meinen Sie damit?
Robert Pollin: Investitionen in den Aufbau einer sauberen Energiewirtschaft werden ein wichtiges Fundament für die Schaffung von Arbeitsplätzen in allen Regionen der Welt sein. Alle Länder, arm oder reich, werden im Vergleich zu den gegenwärtigen fossilen Infrastrukturen erheblich mehr Arbeitsplätze im Zuge der Energiewende schaffen. Untersuchungen, die ich zusammen mit meinen Mitarbeiter:innen durchgeführt habe, ergeben, dass das in Brasilien, China, Deutschland, Griechenland, Indien, Indonesien, Puerto Rico, Südafrika, Südkorea, Spanien und den Vereinigten Staaten geschehen wird. Nach vorsichtiger Schätzung werden durchschnittlich 160 Millionen Arbeitsplätze pro Jahr weltweit zwischen 2021 und 2030 hinzukommen.
Gleichzeitig werden die Arbeitnehmer:innen und Gemeinschaften auf der ganzen Welt, deren Lebensunterhalt vom Verbrauch von Öl, Kohle und Erdgas abhängt, bei der Umstellung auf saubere Energien die Verlierer sein. Es ist aber nicht übertrieben zu sagen, dass das Schicksal unseres Planeten davon abhängt, ob wir für diese Gruppen, die vom Niedergang und der Schließung der fossilen Brennstoffindustrie negativ betroffen sein werden, einen gerechten Übergang politisch organisiert werden.
Das verlangt nicht nur das Fairness-Prinzip. Es ist auch strategisch äußerst wichtig. Gibt es keine Hilfsprogramme, werden die, die von dem Wechsel zu sauberer Energie mit Jobverlust betroffen sind, verständlicherweise kämpfen, um ihre Gemeinden und ihren Lebensunterhalt zu sichern. Das wiederum wird zu inakzeptablen Verzögerungen bei der Umsetzung einer wirksamen Klimastabilisierungspolitik führen.
Für die US-Wirtschaft haben wir berechnet, dass ein Job-Programm für die fossilen Arbeiter:innen im Zeitraum zwischen 2021 und 2030 durchschnittlich weniger als eine Milliarde Dollar jährlich betragen wird – also deutlich weniger als ein Hundertstel von einem Prozent des amerkanischen Wirtschaftsvolumens. Zwei Bereiche müssen dabei in den Fokus genommen werden: 1. Einkommen, Umschulung und Umzugsunterstützung für Arbeitnehmer:innen, die von Entlassungen betroffen sind und 2. eine Renten-Garantie für die, die in den betroffenen Branchen arbeiten.
Vergleichbare Programme müssen natürlich auch in anderen Ländern durchgeführt werden. Die Kosten als Anteil am BIP werden wahrscheinlich überall ähnlich wie in den USA sein. Großzügige Maßnahmen für einen gerechten Übergang für Arbeitnehmer:innen und Gemeinden, die derzeit von der fossilen Brennstoffindustrie abhängig sind, müssen ein Kernstück aller Green-New-Deal-Programme sein.
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