Poros Wunderlampe

Kohlekraftwerk Burshtyn TES, Oblast Iwano-Frankiwsk, Ukraine. Bild: Raimond Spekking/CC BY-SA 4.0

Wie die Ukraine ihre Energieversorgung umgestalten will: "Anthracite is a fighting fuel" - Kohle-Importe aus den USA sollen Ausfälle von Lieferungen aus dem Donbass wettmachen

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In diesem Winter trägt US-Anthrazitkohle erstmalig dazu bei, dass in der Ukraine das Licht nicht ausgeht und die Heizungen in Gang bleiben. Vorangegangen war ein Deal mit US-Präsident Donald Trump im vergangenen Jahr. Wie Reuters zusammenfasst, seien die Kohleimporte aus den USA wirtschaftlich und politisch sinnvoll.

Anthrazitkohle ist der einzige Brennstoff, der momentan in einigen der ukrainischen Kohlekraftwerke verfeuert werden kann. Insgesamt stiegen die Anthrazit-Importe der Ukraine in den ersten 11 Monaten des Jahres 2017 auf 3.05 Millionen Tonnen, von nur 0.05 Millionen im gesamten Jahr 2013 - dem Jahr vor dem Ausbruch des Ukrainekonflikts.

Die Ukraine war einst selbst ein bedeutender Produzent von Anthrazit, aber in den letzten Wintern gab es Engpässe, weil die Ukraine fast alle ihrer Zechen in den östlichen Gebieten an die Separatisten verloren hat. Die Hälfte der 150 Kohlegruben, die vor 2014 förderten, liegen nun in den Volksrepubliken von Donezk und Lugansk. Einige von ihnen wurden im Verlauf der Kampfhandlungen zerstört oder unter Wasser gesetzt. Seit dem Ausbruch des Konflikts in der Ostukraine im Jahr 2014 hat Kiew deshalb nach alternativen Lieferanten von Kohle zur Stromerzeugung gesucht. Die ukrainische Regierung hatte im März 2017 die Lieferung von Kohle aus den von Separatisten kontrollierten Gebieten gestoppt.

Die Kohlevorkommen der Westukraine beschränken sich größtenteils auf die Steinkohle der Wolhynisch-Podolischen Platte nahe der polnischen Grenze, in dem es zur Hochzeit der Kohleförderung um 1975 rund 20 Zechen gab und von denen nach der Unabhängigkeit noch eine gute Hälfte in Betrieb war. Außerdem gibt es noch Braunkohle westlich des Dnjepr. Die ukrainische Regierung betreibt heute noch drei Dutzend Kohlegruben: 24 in von der Regierung kontrollierten Teilen von Donezk und Lugansk, die anderen 12 im Westen der Ukraine. Die Zechen, die noch in Betrieb sind, müssten dringend modernisiert werden, immer wieder kommt es zu Grubenunglücken. Die, die dort arbeiten, sehen in den Chefetagen jedoch keinen Willen zur Erneuerung, stattdessen um sich greifende Korruption.

Weitreichende Pläne für Schließungen und Privatisierungen bedrohen einen Großteil der Arbeitsplätze der dort arbeitenden 50.000 Kumpel, die sich aus Mangel an Perspektiven in die Massenflucht von Ukrainern einreihen, die sich anderweitig nach Arbeit umsehen.

Dabei waren die ersten Jahre nach der Unabhängigkeit 1991 in den Zechen vor Ort schon katastrophal: Für die produzierte Kohle sahen die Zechen kein Geld mehr, und die Bergleute keine Löhne. Grubendirektoren initiierten einen Tauschhandel: Kohle gegen Konsumgüter. Die verheerenden sozialen Verwerfungen aus dieser Zeit sind auch im heutigen Konflikt noch spürbar. Gleichwohl schicken sich die aktuellen Verantwortlichen scheinbar an, die gleichen Fehler zu wiederholen.

1996 begann eine Umstrukturierung, die zur Schließung vieler Gruben führte. Millionen von Tonnen Kohle blieben unter der Erde. Aus der Sowjetzeit herrührende, an die Kohleförderung gekoppelte Sozialeinrichtungen wurden aufgegeben. Eine der ersten Zechen, die schloss, war die von Zentralnaya Irmino in der Nähe von Lugansk, in der der Hauer Alexei Stachanow 1935 seinen Förderrekord aufgestellt hatte. Viele Bewohner von Bergarbeitersiedlungen verdingten sich nun in illegalen Bergwerken. In den von Separatisten kontrollierten Gebieten sollen rund 80 davon in Betrieb sein.

Geschätzte 70 % der heute in der Ukraine geförderten Kohle wird von DTEK produziert, einem Unternehmen des Oligarchen Rinat Achmetow, der diese Kohle in seinen Kraftwerken und metallurgischen Betrieben verfeuern lässt. Einige Zechen Achmetows befinden sich in den von den Separatisten kontrollierten Gebieten. Ukrainische Nationalisten hatten im Frühjahr 2017 dafür gesorgt, dass keine Kohle mehr aus diesen Gebieten in die Ukraine eingeführt wurde. DTEK importiert seitdem auch beträchtliche Mengen Anthrazit aus Südafrika.

Ukrainische Kohleförderung seit 1985. Bild: Bernd Schröder

Trump macht Wahlversprechen wahr

Auf Trumps Haben-Konto stehen nun dringend benötigte Aufträge für die kohlefördernde Region von Pennsylvania, die bei seinem Wahlsieg für die Präsidentschaftswahlen 2016 eine wichtige Rolle spielte: Trump war seit 1988 der erste republikanische Präsidentschaftskandidat, der hier vorne lag.

2016 hatte die US-Kohleförderung mit 661 Millionen Tonnen ihren niedrigsten Stand seit 1979 erreicht. Mit Obamas Interesse an saubereren Energiequellen wie Wind, Sonne und Erdgas waren viele Arbeitsplätze im Kohlebergbau verloren gegangen. Doch der Ukrainekonflikt macht sich auch in den Kohlegruben der Appalachen bemerkbar: Das Verschwinden der ukrainischen Anthrazitkohle vom Markt trug ab 2016 zu einem Anstieg bei Nachfrage und Preis von Anthrazit aus Pennsylvania bei.

Kiew braucht im Konflikt mit Russland das Wohlwollen Washingtons und gleichzeitig eine neue Bezugsquelle für Kohle, da der Zugang zu den Kohlezechen des Donezbecken unterbrochen ist. Trumps Wahlkampfreden von einer angestrebten Verbesserung der Beziehungen zum Kreml hatten die prowestliche Führung in der Ukraine zunächst aufgeschreckt. Entwarnung kam im Juni letzten Jahres, als der ukrainische Präsident Petro Poroschenko das Weiße Haus besuchte.

Den US-Amerikanern kommt die Lieferung von Kohle in die Ukraine gelegen. Denn trotz der von Trump auf den Weg gebrachten Anreize für die Branche schließen US-Versorger Kohlekraftwerke und wechseln zu Gas-, Wind- und Solarenergie. Die angeschlagenen US-Bergbauunternehmen treiben daher die Exporte nach Asien voran und suchen neue Käufer in den osteuropäischen Ländern, die versuchen, sich unabhängiger von russischen Lieferungen zu machen.

Trump konnte den Produzenten wenig später mitteilen, dass die Ukraine "Millionen und Abermillionen von Tonnen" brauchen würde. Der Deal mit Kiew wurde im darauffolgenden Monat besiegelt, woraufhin US-Handelsminister Wilbur Ross bemerkte, dass Trump mit jedem Tag im Amt die amerikanische Energie Schritt für Schritt von ihren Fesseln befreie.

Zudem trage die Vereinbarung dazu bei, einen wichtigen strategischen Partner gegen Einflüsse von außen zu stärken, die zudem die Interessen der USA untergraben. Ross hatte bei dieser Gelegenheit auf frühere russische Versuche verwiesen, die Erdgaslieferungen an seine westlichen Nachbarn einzuschränken.

Nachbar Polen setzt nach einem Besuch Trumps im Juli 2017 nun auch zunehmend auf amerikanische Kohle. Polens Importe aus den USA sind allein im vergangenen Jahr um das Fünffache gestiegen - auf 839.000 Tonnen.