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Preisdeckel auf Erdöl reißt Loch in Putins Staatshaushalt

Bernd Müller

Westliche Politiker geben sich zufrieden: Die Preisobergrenze scheint Wirkung zu entfalten. Abschläge auf russisches Erdöl werden größer. Warum die Regierung in Moskau dennoch gelassen bleibt.

Vor knapp einem Monat wurde von den westlichen Ländern ein Preisdeckel auf russisches Erdöl erlassen. Inzwischen zeigen sich westliche Politiker sicher, dass das Ziel erreicht wurde, russisches Öl auf dem Markt zu halten und gleichzeitig die Einnahmen Russlands zu begrenzen.

Am Dienstag [1] erklärte US-Finanzministerin Janet Yellen bei einem Treffen mit ihrer kanadischen Amtskollegin Chrystia Freeland:

Obwohl die Preisobergrenze für Rohöl erst seit etwa einem Monat in Kraft ist, haben wir bereits erste Fortschritte in Richtung dieser beiden Ziele gesehen, da hochrangige russische Beamte zugegeben haben, dass die Preisobergrenze Russlands Energieeinnahmen schmälert.

Janet Yellen

Am 5. Dezember 2022 hatten die sogenannten G7-Länder und die Länder der Europäischen Union den Preisdeckel eingeführt. Er verbietet den Unternehmen dieser Länder, Dienstleistungen für russische Öllieferungen zu erbringen, deren Preis über der Obergrenze von 60 US-Dollar pro Barrel liegt.

Dem Anschein nach haben diese Sanktionen dazu geführt, die Preise für russisches Rohöl zu senken. Traditionell wird es mit einem Abschlag gegenüber internationalen Referenzsorten wie Brent verkauft. Dieser Abschlag [2] hat sich nun vergrößert, hieß es bei Reuters, und er liege nun bei etwa 25 bis 30 US-Dollar pro Barrel.

Die Ölsorte Ural wurde demnach am Dienstag mit 50,48 US-Dollar notiert; die Referenzsorte Brent wurde dagegen mit 80,82 US-Dollar gehandelt.

Der Finanzdienst Bloomberg hatte einen noch größeren Abschlag [3] festgestellt. Am Freitag habe die Sorte Ural im Ostseehafen Primorsk lediglich 37,80 US-Dollar gekostet. Bloomberg berief sich dabei auf Daten der Analysten von Argus Media. Dieses Preisniveau habe weniger als die Hälfte des Preises für Brent-Futures betragen.

Auf den russischen Staatshaushalt wirkt sich der Preisdeckel bislang massiv aus. Bloomberg hat den Effekt auf Grundlage von am Dienstag veröffentlichten vorläufigen Regierungsdaten berechnet. Demnach erreichte das Haushaltsdefizit im Dezember die Rekordhöhe [4] von 3,9 Billionen Rubel (56 Milliarden US-Dollar).

Während Russland in den ersten elf Monaten des letzten Jahres einen Überschuss erwirtschaftete, drückte der Dezember das Jahresergebnis ins Minus. Über den Zeitraum des gesamten letzten Jahres betrachtet, belief sich das Defizit damit auf etwa 3,3 Billionen Rubel.

Die russische Regierung bricht angesichts dieses Lochs im Haushalt nicht in Panik aus, ganz im Gegenteil. Nachdem der russische Finanzminister Anton Siluanow die Zahlen im russischen Fernsehen bestätigt hatte, so heißt es bei Bloomberg, habe Premierminister Mikhail Mishustin gesagt: Sie seien "nicht schlecht".

Für dieses Jahr rechnet die russische Regierung mit einem Defizit von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes, was höhere Einnahmen voraussetzt als im letzten Jahr. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten die russischen Ölexporte einen Preis von 70 US-Dollar pro Barrel erzielen. Bliebe das Preisniveau auf dem vom Dezember, dann würde sich das Defizit wahrscheinlich um etwa 2,4 Billionen Rubel höher ausfallen als geplant.

Warum die Ölpreise in diesem Jahr steigen könnten

Es ist nicht auszuschließen, dass die russische Regierung ihr Ziel erreicht. Mehrere Faktoren sprechen dafür, dass die Freude in den westlichen Ländern verfrüht sein könnte.

Zum einen ist die Antwort Russlands auf den ihm auferlegten Preisdeckel noch nicht in Kraft gesetzt worden. Erst zum 1. Februar werden Ölgeschäfte verboten, die sich direkt oder indirekt auf eine Preisobergrenze beziehen.

Der von Wladimir Putin unterzeichnete Präsidialerlass war auch noch sehr vage gehalten [5]. Im ersten Quartal 2023 wolle man erst beobachten, wie sich der Preisdeckel auf die Weltmärkte auswirke, hieß es.

Nun hat das russische Energieministerium angekündigt, in Kürze Einzelheiten zu dem Verfahren veröffentlichen zu wollen, "ebenso wie Einzelheiten zu den Preis- und Rabattüberwachungsverfahren". Die Überwachung solle dazu dienen, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, die darauf abzielen, den möglichen Preisnachlass auf ein marktübliches Niveau zu begrenzen.

Ein anderer Grund ist: Russland gelingt es, die Lieferströme zunehmend von Europa in andere Regionen umzulenken. So berichtete Argus Media kürzlich, Indien habe erstmals die arktische Varandey-Mischung [6] aus dem russischen Hafen Murmansk gekauft. In der Mitteilung heißt es:

Aufgrund der von der EU, den G7-Staaten und Australien auferlegten Preisobergrenzen für russische Rohölexporte wurden Russlands arktische Sorten von den traditionellen Abnehmern in Europa abgezogen.

Nicht zu vergessen ist, dass auch die weltweite Nachfrage nach Erdöl [7] steigen könnte. Die Investmentbank Goldman Sachs geht laut einem Bericht von Reuters davon aus, dass die weltweite Ölnachfrage im Jahr 2023 um 2,7 Millionen Barrel pro Tag steigen wird. Es sei davon auszugehen, dass die Nachfrage in der zweiten Jahreshälfte das Angebot übersteigen könnte, was die Brent-Preise auf bis zu 105 US-Dollar pro Barrel ansteigen lassen könnte.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-7455014

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.reuters.com/business/energy/yellen-says-oil-price-cap-limiting-russias-energy-revenues-so-far-2023-01-10/
[2] https://www.reuters.com/world/europe/russia-works-measures-curb-discounts-its-oil-prices-2023-01-10/
[3] https://www.bloomberg.com/news/articles/2023-01-10/russia-will-seek-to-limit-its-oil-discount-on-market-principles
[4] https://www.bloomberg.com/news/articles/2023-01-10/russia-s-budget-gap-surges-to-record-as-war-pressures-finances
[5] https://www.telepolis.de/features/Russland-verbietet-Oelexporte-in-Laender-mit-Preisdeckel-7443554.html
[6] https://www.argusmedia.com/en/news/2406887-india-buys-more-russian-arctic-crude-as-demand-rises
[7] https://www.reuters.com/business/energy/opec-pricing-power-limits-downside-risks-oil-prices-goldman-says-2023-01-10/