Pressefreiheit: Wenn ein Link zur Durchsuchung eines Senders führt

Wenn man sich im Freiburger Polizeipräsidium Gedanken macht, kommt auch mal eine Razzia wegen eines Links dabei heraus. Archivbild: © Jörgens.mi / CC BY-SA 3.0

Razzia bei Radio Dreyeckland: Faktisches Verbot der Plattform Indymedia-Linksunten schränkt Pressefreiheit Dritter ein. Vorgeschichte waren teils militante G20-Proteste.

Ungewöhnliche Bilder gab es am 17. Januar in den Redaktionsräumen des Senders Radio Dreyeckland in Freiburg. Dort saßen Männer und Frauen mit Polizeiwesten. Sie machten nun aber keineswegs ein Praktikum bei dem Sender, der als Pionier der Bewegung der Freien Radios gilt. 1977 als Radio Fessenheim gegründet, stand das Medium, damals noch als Piratensender, immer auch im Fokus staatlicher Repression.

Das ist lange her, deshalb war die Überraschung groß, als am Dienstagmorgen die Polizei im Sender sowie in den Privatwohnungen von zwei Redakteuren auftauchte.

Anlass für den Polizeibesuch war ein Artikel, der bereits im Juli 2022 auf der Homepage des Senders veröffentlicht worden war. Darin wurde über die Einstellung des Verfahrens gegen die Internetplattform Indymedia-Linksunten berichtet. Stein des Anstoßes war nun ein Link, der zu einem von Unbekannten eingerichteten Archiv führt, in dem Texte dokumentiert sind, die auf der inkriminierten Homepage zu finden waren. Dort wird allerdings klar formuliert, dass es nicht um eine Fortführung der Plattform handelt. Heißt es doch auf der Startseite des Archivs:

Indymedia linksunten wurde am 25. August 2017 vom Bundesinnenminister verboten. Die Seite bleibt als Archiv erhalten. Die einzigen Archive der Bewegungen haben die Bewegungen selbst hervorgebracht und niemand wird unsere Geschichte erzählen, wenn wir es nicht selbst tun. Bewegungen müssen Spuren ihrer Leidenschaft für zukünftige Generationen hinterlassen, denn vergessene Kämpfe sind verlorene Kämpfe.


Erklärung zum Indymedia-linksunten-Archiv

Kann ein Link ein Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot sein?

Das Amtsgericht Karlsruhe, das den Durchsuchungsbeschluss bereits Mitte Dezember 2022 ausstellte, sah in den Link einen Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot nach Paragraph 85 des Strafgesetzbuchs. Nach der Lesart den Ermittlungsbehörden hat sich der Autor des Artikels durch die Verlinkung zum Sprachrohr der verbotenen Vereinigung Indymedia-linksunten gemacht.

In dem Telepolis vorliegenden Durchsuchungsbeschluss heißt es, dass "Schriftstücke, Aufzeichnungen oder Dateien auf Computern oder sonstigen Speichermöglichkeiten" über die Veröffentlichung eines Artikels mit der Überschrift "Linke Medienarbeit ist nicht kriminell" gefunden werden sollten – "insbesondere solche, die Rückschlüsse über seine Veröffentlichung zulassen".

Wie das Verbot die Pressefreiheit Dritter aushebelt

Indymedia-linksunten wurde wenige Wochen nach den teilweise militanten Protesten gegen den G20-Gipfel 2017 in Hamburg vom Bundesinnenministerium verboten. Dafür musste aus einer Internetplattform juristisch ein Verein konstruiert werden. Dabei kommt das globale Indymedia-Netzwerk aus der basisdemokratisch organisierten außerparlamentarischen Linken.

Das Prinzip lautete, dass alle selbst Artikel, Videos und Fotos online stellen können und sollen, ohne redaktionellen Filter. Obwohl das Verfahren gegen mehrere Beschuldigte schließlich eingestellt wurde, ist die Plattform weiterhin verboten.

Die Razzia bei Radio Dreyeckland, die dort Mitarbeitende als massiven Eingriff in die Pressefreiheit werten, bestätigt Verbotskritiker, wie die Bloggerin Detlef Georgia Schulze, in ihrer Forderung, dass Indymedia-linksunten als pluralistisches linkes Medium verteidigt werden müsse, auch wenn viele der Inhalte sicher streitbar sind.

Die Razzia bei Radio Dreyeckland wegen eines bloßen Links zeigt aber, dass mit dem Verbot von Indymedia-linksunten auch mehr als fünf Jahre noch die Pressefreiheit eingeschränkt. Es reicht den Staatsorganen nicht, dass sie faktisch das Verbot der Plattform durchgesetzt haben. Selbst jeder Verweis auf ein Archiv, das die früheren Texte dokumentiert, soll kriminalisiert werden.

Hier rächt sich, dass die Solidaritätsbewegung mit Indymedia-linksunten überschaubar blieb – ein Kritikpunkt unter Linken war, dass dort nicht bei allen anonymen Beiträgen klar zwischen Ernst, Satire und "False Flag" unterschieden werden könne. Gut möglich ist aber, dass die Durchsuchung beim bis in linksliberale Milieu in Südwestdeutschland beliebten Sender Radio Dreyeckland für mehr Protest sorgt.