Problemfall Industrie: Kriegt sie die Klimakurve?
Zementwerk "Teutonia" in Hannover-Misburg. Bild: Christian Schröder / CC BY-SA 3.0
Energie und Klima â kompakt: Stahl- und Zementindustrie mĂŒssen ihre Produktionsprozesse zĂŒgig umstellen. Nur so kann Deutschland sein KlimaneutralitĂ€tsziel erreichen. Warum Subventionen hier entscheidend sind.
30 Industrieanlagen in Deutschland emittierten im vergangenen Jahr 58 Millionen Tonnen CO2. Das entspricht einem Drittel der Emissionen des Industriesektors und acht Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen Deutschlands. Diese Zahlen gehen aus einem aktuellen Bericht [1] des Ăko-Instituts im Auftrag des WWF Deutschland hervor.
Knapp die HĂ€lfte dieser Emissionen entfĂ€llt demnach auf Anlagen der Eisen- und Stahlerzeugung, ein Viertel auf die Zement- und Kalkherstellung und 15 Prozent auf die chemische Industrie. Die gröĂten Einzelemittenten wiederum sind die Werke von Thyssenkrupp in Duisburg mit 16,2 Millionen Tonnen, die Stahlwerke in Salzgitter mit 7,2 Millionen Tonnen und die ebenfalls in Duisburg gelegenen HĂŒttenwerke Krupp Mannesmann mit 7,1 Millionen Tonnen.
Der gröĂte Emittent im Bereich der Zementherstellung ist das Zementwerk RĂŒdersdorf mit 1,1 Millionen Tonnen. Berechnet wurden die Zahlen aus den Daten des EuropĂ€ischen Emissionshandelssystems (ETS). Industriekraftwerke wurden nicht einbezogen, lediglich acht Gichtgaskraftwerke wurden den jeweiligen Eisen- und Stahlwerken zugeordnet.
Nach Angaben des WWF sind die Emissionen der Industrie seit EinfĂŒhrung des europĂ€ischen Emissionshandels im Jahr 2005 nahezu konstant geblieben. Durch die Vergabe kostenloser Emissionszertifikate an die Industrie sei jedoch kaum Anreiz geschaffen worden, auf klimafreundliche Technologien und Prozesse umzustellen, beklagt der Umweltverband. Das Auslaufen der kostenlosen Zuteilung im Jahr 2034 hĂ€lt dieser fĂŒr zu spĂ€t.
Denn bei etwa der HĂ€lfte der GroĂanlagen stĂŒnden bis zum Jahr Investitionen an. "Diese anstehenden groĂen Investitionszyklen mĂŒssen jetzt genutzt werden, um KlimaneutralitĂ€t bis zum Jahr 2045 zu erreichen", fordert der WWF in dem Bericht. MaĂnahmen zur Dekarbonisierung könnten beispielsweise sein, Hochöfen von Kohle auf grĂŒnen Wasserstoff umzustellen oder in der Zementherstellung den Klinkeranteil im Zement zu reduzieren.
Die Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS) sollte nur fĂŒr nicht vermeidbare prozessbedingte Emissionen, die vorwiegend in der Zementindustrie anfallen, eingesetzt werden.
Der WWF-Bericht fĂ€llt zusammen mit dem Startschuss des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) fĂŒr das Förderprogramm der "KlimaschutzvertrĂ€ge". "KlimaschutzvertrĂ€ge sollen klimafreundliche Produktionsprozesse in den energieintensiven Industriebranchen anstoĂen, zum Beispiel in der Stahl-, Zement-, Papier- oder Glasindustrie. DafuÌr gleichen KlimaschutzvertrĂ€ge dort, wo klimafreundliche Produktionsverfahren gegenwĂ€rtig noch nicht konkurrenzfĂ€hig betrieben werden können, die Mehrkosten im Vergleich zu konventionellen Verfahren aus", ist beim BMWK zu lesen [2].
Streit um blauen Wasserstoff
Bei den VertrĂ€gen handele es sich um Risikoabsicherungsinstrumente, die die Kostendifferenz klimafreundlicher Verfahren gegenĂŒber konventionellen Verfahren abdecken sollen, solange letztere noch gĂŒnstiger sind. Werde das neue Verfahren dann gĂŒnstiger als das konventionelle, mĂŒssten die Unternehmen daraus entstehende Mehreinnahmen an den Staat zurĂŒckzahlen. Nach Angaben des BMWK sollen KlimaschutzvertrĂ€ge in einem zweistelligen Milliardenbereich abgeschlossen werden.
Interessierte Unternehmen mĂŒssen nun in den nĂ€chsten zwei Monaten vorbereitende Informationen ans Ministerium ĂŒbermitteln, danach soll es im Winter ein Gebotsverfahren geben. In diesem sollen diejenigen Unternehmen ausgewĂ€hlt werden, die die geringsten Vermeidungskosten je Tonne CO2 haben.
Voraussetzung zur Teilnahme an der Auktion ist, dass das Unternehmen zu einer emissionsintensiven Branche gehört, dass am Ende der Investition mindestens 90 Prozent weniger CO2-Ăquivalente emittiert werden als bei einer vergleichbaren konventionellen Anlage und dass eine solche Referenzanlage mindestens 10.000 Tonnen CO2-Ăquivalente ausstoĂen wĂŒrde. Mit letzterem Kriterium steht das Förderinstrument nicht allein GroĂunternehmen offen.
Im Bericht des WWF werden KlimaschutzvertrĂ€ge als ein Instrument genannt, das den Unternehmen Planungs- und Investitionssicherheit geben könne, solange der CO2-Preis noch nicht die nötige Höhe erreicht habe. Allerdings möchte der WWF nur den Einsatz von grĂŒnem Wasserstoff subventioniert sehen, keinesfalls den von blauem Wasserstoff.
Unter blauem Wasserstoff versteht man solchen, der durch Dampfreformierung fossiler Brennstoffe gewonnen wird, wobei aber CO2 abgeschieden und anschlieĂend unterirdisch eingelagert wird. GrĂŒner Wasserstoff wird hingegen durch die Spaltung von Wasser per Elektrolyse unter Einsatz erneuerbaren Stroms gewonnen, hier fallen also keine Treibhausgase an.
In den Förderrichtlinien des BMWK [3] wird blauer Wasserstoff jedoch nicht grundsĂ€tzlich ausgeschlossen. Dazu heiĂt es:
Sofern Wasserstoff eingesetzt wird, muss dieser die strengen Kriterien der EU-Taxonomie erfĂŒllen. Insbesondere darf blauer Wasserstoff nur dann eingesetzt werden, wenn bei dessen Herstellung nur geringe Emissionen entstehen. Wer den besonders sauberen grĂŒnen Wasserstoff einsetzt, erhĂ€lt eine höhere Förderung als bei Einsatz von blauem Wasserstoff.
In den Richtlinien wird auĂerdem darauf hingewiesen, dass das Gebotsverfahren noch von der EU-Kommission im laufenden Notifizierungsverfahren genehmigt werden und die zuwendungsrechtliche PrĂŒfung durchlaufen mĂŒsse.
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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.wwf.de/2023/juni/die-dirty-thirty
[2] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2023/06/20230605-foerderprogramm-fuer-klimaschutzvertraege-startet.html
[3] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/F/foerderrichtlinie-klimaschutzvertraege.pdf?__blob=publicationFile&v=4
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