Proteste gegen Atommüll-Transporte und das geplante Endlager in Gorleben

Seite 2: Je länger die Atomkraftwerke laufen, desto mehr Abfall

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„Wenn die Badewanne überläuft, wischt man nicht zuerst den Boden auf und dreht dann erst den Wasserhahn zu. Nein, man sorgt so schnell wie möglich dafür, dass kein Wasser mehr fließt“, sagt Monika Tietke und spielt auf die ungelöste Endlagerfrage für hochradioaktiven Müll an. Weltweit gibt es schließlich keine realistische Idee, wie der strahlende und heiße Abfall über 50.000 Generationen hinweg sicher gelagert werden und allen kommenden Eiszeiten, Kontinentalverschiebungen und sonstigen Umbrüchen trotzen könnte.

Laut dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ist pro Atomkraftwerk und Jahr mit bis zu 30 Tonnen hochaktivem Abfall zu rechnen. Bis Ende 2007 gab es schon rund 12.500 Tonnen abgebrannte Brennelemente und bis zur Abschaltung des letzten Kraftwerks fallen noch rund 4.600 Tonnen zusätzlich an. Eine Verlängerung der Laufzeiten um zehn Jahre würde diese Menge auf etwa 9.000 Tonnen verdoppeln, so das BfS. „Es ist eine Dreistigkeit, dass trotz dieses Wissens Atommüll weiterproduziert wird“, sagt Francis Althoff und fordert, dass die Atomkraftwerke sofort abgeschaltet werden sollen. Monika Tietke von der Bäuerlichen Notgemeinschaft schimpft: „Jeder Pommesbude muss einen Nachweis darüber haben, wo das Fritier-Fett bleibt. Bei den Atomkraftwerkbetreibern fragt niemand nach der Entsorgung.“

Zahlreiche Gruppen bereiten sich derzeit auf den nächsten Transport von elf Behältern aus La Hague vor. „Alle drei Wochen treffen sich 50 bis 60 Delegierte verschiedener Gruppen zum Ratschlag und stimmen die Aktionen ab, die rund um den Castortransport stattfinden sollen. Je näher der Termin rückt, desto öfter treffen wir uns“, erzählt Francis Althoff und streicht sich die langen, grauen Haare aus dem Gesicht. Schülergruppen, Dorfinitiativen und Einzelpersonen gestalten Plakate, diskutieren Flugblätter, planen Anzeigenkampagnen, stopfen große Puppen mit Stroh aus und überlegen sich phantasievolle Aktionen. „Manche belächeln unsere Aktivitäten als Karneval, aber unser Anliegen ist es nicht nur, den Castor zu verhindern, sondern die Problematik rund um die Atomkraft in die Öffentlichkeit zu tragen. Vor allem für die Medien veranstalten wir ja diesen Zinnober!“, sagt Monika Tietke.

Castoren-Zwischenlager

Castoren für 40 Jahre Lagerung

Immer wieder sei sie erschüttert, wie wenig über die Situation in Gorleben bekannt sei. Viele wüssten nicht einmal, dass das Endlager im Salzstock noch gar nicht genehmigt sei und die Castoren Jahr für Jahr in eine Halle gebracht werden. Wie lange sie dort bleiben, weiß zur Zeit keiner. „Die Castor-Behälter sind meist für eine trockene Zwischenlagerung von 40 Jahren vorgesehen“, sagt Florian Emrich, Sprecher des für die Genehmigung zuständige BfS.

Auf dem internationalen Endlagersymposium vom 30. Oktober bis zum 1. November 2008, zu dem das Bundesumweltministerium 350 Experten nach Berlin eingeladen hatte, setzte sich Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) für eine "ergebnisoffene" Endlagersuche und neue Sicherheitskriterien ein.

Vor allem Bayern und Baden-Württemberg, wo neun der 17 noch aktiven deutschen Atomkraftwerke stehen, lehnen aber eine Standortsuche im Tongestein ihrer Länder ab. Derzeit liegt das strahlende Material in den Zwischenlagern in Gorleben, Ahaus und Lubmin sowie in den Lagern an allen Kraftwerksstandorten, die nach dem Atomkonsens von 2001 errichtet wurden.