Proteste und Doppelmoral: Tränen für Habeck, Wut für die Bauern
Seite 3: Das Kampffeld Straße
Diese Doppelmoral gegenüber Nötigung und Freiheitsberaubung als Mittel politischen Aktionismus schadet auch der politisch legitimen Kritik an denen, die dort am Fähranleger Schlüttsiel aufmarschiert zu sein scheinen.
Die Frage nach der politischen Zusammensetzung der Protestbewegung vor der Fähre in der vergangenen Woche und auf den Straßen der Republik am heutigen Montag muss gestellt werden. Und diese Frage ist weit weniger umstritten als die erstgenannte.
Denn hier gilt: Die vermeintliche Stärke der Rechten und Rechtsextremen bei den Bauernprotesten ist zugleich die Schwäche der bürgerlichen Parteien und der Linken.
Der fehlende politische Erfolg wird vonseiten dieser Akteure dadurch zu kompensieren versucht, dass der in der Protestbewegung erfolgreiche politische Gegner diffamiert wird – und die gesamte Protestbewegung gleich mit. So kauft man als Linke und Grüner vormittags deutsche Kartoffeln und beschimpft nachmittags deren Erzeuger pauschal als Rechtsextremisten.
Unterschiedlicher Umgang mit Protest
Bemerkenswert ist der unterschiedliche Umgang mit den Kids aus der Mittelschicht und der oberen Mittelschicht, die für ihre tatsächliche oder vermeintliche Zukunft auf die Straße gehen, und den durchaus auch verzweifelten Bäuerinnen und Bauern, die für die Zukunft ihrer Betriebe und Familien auf die Straße gehen – und für unser aller Ernährungssicherheit.
In der unterschiedlichen Bewertung zeigt sich auch eine zunehmende Inkongruenz: Während die Menschen von der Corona-Politik über Inflation und Treibstoffpreise bis hin zur aktuellen Belastung durch den Pleitehaushalt der Ampel von konkreten Problemen, Ängsten, Sorgen und Hoffnungen getrieben werden, steht ihnen in Regierung und Aktivismus eine politische Kultur gegenüber, die von irrational verzerrten Zielen wie "Verteidigung der Freiheit in der Ukraine" oder "Rettung des Planeten" geprägt ist.
Nicht nur dieser Mangel an politischem Verständnis ist ein Problem. Es ist auch die Tatsache, dass diese Konflikte zunehmend auf der Straße ausgetragen werden, auf Kosten der Mehrheit der Menschen im Land.