Putin schlagen, Erdogan schonen

Seite 2: Weiter keine europäische Lösung für die "Flüchtlingskrise"

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Hochexplosiv bleibt auch die Flüchtlingskrise, die eineinhalb Jahre nach ihrem Höhepunkt in der Ägäis immer noch nicht gelöst ist. Zwar beschlossen die 28, am umstrittenen Flüchtlingspakt mit der Türkei festzuhalten.

Präsident Recep Tayyip Erdogan wurde die "volle und nicht-diskriminierende Umsetzung aller Aspekte" des Pakts versprochen, im Frühjahr 2017 könnte es sogar einen EU-Gipfel mit dem Sultan geben. Der Schmusekurs geht weiter, trotz aller Menschenrechtsverletzungen.

Bild: European Union

Doch damit ist die Krise noch lange nicht gelöst. Denn zum einen droht Erdogan nun Österreich, das eine Aussetzung der Beitrittsverhandlungen fordert, mit Vergeltung. Von einer "Konfrontation auf allen Ebenen" ist die Rede. Zum anderen bleibt unklar, wie lange der Pakt noch hält. Zuletzt schickte die Türkei wieder mehr Flüchtlinge über die Ägäis nach Griechenland.

Außerdem schwelte der Streit um Flüchtlingsquoten und Lastenteilung auch auf diesem Gipfel weiter; fast zwei Stunden sollen sich die Chefs darin verhakt haben. Er soll nun im ersten Halbjahr 2017 gelöst werden. Doch wie, bleibt völlig unklar. Will Deutschland seinen widerstrebenden Partnern mitten im Bundestagswahlkampf mit EU-Mittelentzug drohen? Sollen Asylbewerber nach Griechenland zurückgeschickt werden, wo die Lager schon jetzt hoffnungslos überfüllt sind? Bekommt Italien ein bisschen mehr Flexibilität in der Budgetpolitik?

Ein Jahr nach Merkels Forderung nach einer "europäischen Lösung" ist diese mindestens genauso weit entfernt wie zuvor. Eine Annäherung gibt es nur bei der "Sicherung der Außengrenzen" und der Abschottung Europas vor afrikanischen Migranten. Wie von Merkel gefordert, wollen die Europäer nun auch gegen die "irreguläre" Einwanderung aus Afrika vorgehen. Dazu wurden so genannte Migrations-Partnerschaften mit fünf Staaten (Mali, Niger, Nigeria, Senegal und Äthiopien) vereinbart.

Europäische Außenpolitik ist Migrationskontrolle

Allerdings bestreitet Mali, dass man sich auch auf die Rücknahme von Migranten aus Europa geeinigt habe. Dies hatten die EU-Außenminister am Montag gemeldet. Der Chefdiplomat aus Mali, Abdoulaye Diop, wies das empört zurück und verlangte eine Richtigstellung. Die "Rücknahme" von Migranten ist unpopulär, da die Auswanderer viel Geld zurück in ihr Heimatland überweisen und die Regierungen nicht als Handlanger der EU dastehen wollen.

Kritik kam auch von der neuen Vorsitzenden der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament, Ska Keller: "Die sogenannten Migrationspartnerschaften sind nichts anderes als Migrationsverhinderungsabkommen", sagte sie. Die EU-Chefs setzten das Leben von Migranten und Flüchtlingen aufs Spiel und machten "schmutzige Deals mit Herkunfts- und Transitländern mit dem alleinigen Ziel, die Flüchtlingszahlen in der Europäischen Union zu senken".

Doch das ficht Merkel & Co. nicht an, im Gegenteil. Sie beschlossen, künftig die gesamte EU-Außenpolitik auf das Ziel der Migrationskontrolle auszurichten und Finanzhilfen an die Abschottung zu binden. Deutschland möchte die "Partnerschaften" zudem auf weitere afrikanische Länder ausweiten, vor allem Ägypten gilt als Wunschkandidat. Beim EU-Gipfel gab es dazu aber noch keinen Beschluss. Die Militärdiktatur in Kairo ist als neuer Partner vielleicht einfach noch nicht präsentabel genug.