Putschversuch von Bolsonaro-Fans: Kapitol-Sturm auf Brasilianisch

Jair Bolsonaro gibt sich nach dem gescheiterten Versuch seiner Anhänger, die linke Regierung zu stürzen, zivilisiert und distanziert. Archivbild: Palácio do Planalto / CC BY 2.0

Rechter Ex-Präsident distanziert sich per Twitter von Möchtegern-Putschisten. Kurzzeitig besetzten sie wichtige Schaltzentralen des Landes. Die Polizei wirkte überrumpelt, obwohl sichtbar war, dass sich etwas zusammenbraute.

Die Szenen erinnerten an den Sturm der Anhänger des Ex-US-Präsidenten Donald Trump auf das Kapitol in Washington vom 6. Januar 2021: Radikale Anhänger des rechten brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro haben am Sonntag (Ortszeit) das Regierungsviertel in der Hauptstadt Brasília gestürmt und nach Agenturberichten kurzzeitig wichtige Schaltzentralen des Landes unter ihre Kontrolle gebracht, ehe der Angriff abgewehrt werden konnte.

Sie drangen demnach in den Nationalkongress, den Obersten Gerichtshof und den Regierungssitz Palácio do Planalto ein und randalierten in Sitzungssälen und Büros.

Lesen Sie zum Thema auch einen Kommentar von Telepolis-Chefredakteur Harald Neuber.

"Was sie heute getan haben, ist beispiellos in der Geschichte des Landes", sagte Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva, der zum Zeitpunkt der Attacke nicht in der Hauptstadt war, aber kurz darauf eintraf, laut einem Bericht der Deutschen Presseagentur. "Das war Barbarei. Das waren Faschisten. Sie müssen gefunden und bestraft werden."

Lula hatte Brasilien bereits zwischen 2003 und 2010 regiert und erst vor einer Woche als erster demokratisch gewählter Präsident des südamerikanischen Landes eine dritte Amtszeit angetreten.

Selfies und Handy-Videos mit Polizisten

Die Polizei schien nicht mit einem derartigen Angriff gerechnet zu haben, als am Sonntag tausende Bolsonaro-Fans das Regierungsviertel stürmten – nach Augenzeugenberichten wirkten die Einsatzkräfte zunächst überrumpelt, obwohl nach Medienberichten schon seit Tagen Bolsonaro-Anhänger vor dem Hauptquartier der Streitkräfte kampiert hatten.

Es scheint jedoch teilweise in Polizeikreisen Sympathien für sie zu geben. Als am Samstag und Sonntag rund 4.000 weitere Unterstützer des Ex-Präsidenten in Bussen in der Hauptstadt eintrafen und zum Regierungsviertel zogen, wurden sie sogar von Beamten eskortiert. Polizisten machten Selfies mit den Demonstranten und drehten Handy-Videos, wie Fernsehbilder zeigten. Straßensperren wurden eingerissen und Beamte zurückgedrängt.

Am Sonntag standen dann Bolsonaro-Fans auf dem Dach des Kongresses und schwenkten brasilianische Nationalflaggen. Kurz darauf drangen sie auch in den Obersten Gerichtshof und den Regierungssitz ein.

Im Inneren der Gebäude stießen Stühle und Schreibtische um, warfen Fensterscheiben ein, beschädigten Kunstwerke und schmierten Parolen an die Wände. Erst nach Stunden brachten die Sicherheitskräfte die Lage wieder unter Kontrolle.

Die Militärpolizei rückte schließlich mit Reiterstaffeln und gepanzerten Fahrzeugen auf den Platz der drei Staatsgewalten im Zentrum der Hauptstadt vor. Spezialkräfte setzen Tränengas ein, Hubschrauber kreisten über dem Regierungsviertel. Rund 230 Verdächtige seien festgenommen worden, teilte Justizminister Flavio Dino mit.

Bolsonaro selbst will die Möchtegern-Putschisten nicht angestiftet haben. Auf Twitter schrieb der Ex-Präsident, es verstoße gegen die Regeln für friedliche Demonstrationen, öffentliche Gebäude zu plündern und in sie einzudringen.

Bolsonaro hatte seine Niederlage in der Stichwahl gegen Lula zunächst nicht eingestanden, seine Partei hatte im November bei Brasiliens oberster Wahlbehörde gegen das Ergebnis Beschwerde eingelegt.