Quantencomputer: Wie sich Europa im globalen Wettlauf positionieren sollte
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Die EU will bei Quantencomputern aufholen. Eine neue Strategie soll den Anschluss an die USA und China sichern. Doch die Zeit drängt.
Quantencomputer gelten als Zukunftstechnologie mit enormem Potenzial. Sie könnten eines Tages Probleme lösen, an denen selbst Supercomputer scheitern. Doch noch steckt die Entwicklung in den Kinderschuhen. Während die USA und China mit Milliarden-Investitionen um die Vorherrschaft kämpfen, sucht Europa einen eigenen Weg. Nun soll eine neue EU-Strategie den Kontinent im globalen Wettlauf positionieren.
Was ist ein Quantencomputer?
Ein Quantencomputer nutzt die Gesetze der Quantenmechanik, um Informationen zu verarbeiten. Statt wie herkömmliche Computer mit Bits zu rechnen, die nur die Zustände 0 oder 1 annehmen können, verwendet er Qubits. Diese können durch Überlagerung und Verschränkung mehrere Zustände gleichzeitig einnehmen. Dadurch lassen sich bestimmte Aufgaben exponentiell schneller lösen als mit klassischen Rechnern.
Allerdings sind Qubits extrem störanfällig. Schon kleinste Schwankungen können die empfindlichen Quantenzustände zerstören. Daher arbeiten Forscher weltweit fieberhaft daran, die Fehlerraten zu senken und die Systeme zu stabilisieren. Führend sind dabei große US-Tech-Konzerne wie Google, IBM und Amazon. Auch China investiert massiv in Quantencomputer und Quantenkommunikation.
Europas Stärken und Schwächen bei Quantentechnologien
Europa kann in diesem Bereich auf eine starke Grundlagenforschung aufbauen. Schon früh haben Physiker wie Max Planck und Erwin Schrödinger die theoretischen Grundlagen gelegt. Auch heute gibt es in vielen EU-Ländern exzellente Forschungszentren und Universitäten, die sich mit Quantentechnologien beschäftigen.
Doch es hapert an der Umsetzung in marktfähige Produkte. "Die fehlenden industriellen Anwendungen sowie die mangelnde Einbindung privater Investoren könnten sich als Achillesferse der europäischen Strategie entpuppen", warnt ein aktuelles Gutachten des Centrums für Europäische Politik (cep).
Tatsächlich liegt die EU bei den Investitionen deutlich hinter den USA und China zurück. Laut cep fließen nur acht bis zwölf Prozent der öffentlichen Aufträge in strategischen Sektoren an europäische Firmen. In den USA sind es 70 Prozent, in China sogar 100 Prozent.
Was Forscher für eine europäische Quantenstrategie empfehlen
Um seine Stärken zu nutzen und Schwächen auszugleichen, sollte Europa einen dreigleisigen Ansatz verfolgen, meinen die Autoren des cepInput-Papiers. Dieser umfasst:
- Vielfalt bei der Hardwareentwicklung: Europa sollte nicht alles auf eine Karte setzen, sondern verschiedene Ansätze wie supraleitende Qubits, Ionenfallen und photonische Systeme parallel erforschen. "Diese Vielfalt erhöht die Resilienz gegenüber Forschungssackgassen", so die Experten.
- Eigenständige Software-Infrastruktur: Um die digitale Souveränität zu sichern, braucht es eigene Lösungen wie Quantenprogrammiersprachen, Betriebssysteme und Fehlerkorrekturverfahren. Eine enge Abstimmung mit dem EU-Chips-Act bietet zusätzliche Chancen.
- Koordinierte Marktinkubation: Die EU sollte die Nachfrage nach Quantenlösungen gezielt ankurbeln, etwa durch die Identifizierung industrieller Referenzprobleme und Benchmarks. So ließe sich der wirtschaftliche Nutzen frühzeitig demonstrieren.
Langfristig gelte es zudem, auch die ordnungspolitischen Aspekte zu bedenken. Denn Quantencomputer könnten durch ihre enormen Rechenkapazitäten bestehende Markt- und Wettbewerbsmechanismen durcheinanderbringen. Um eine "Quantenoligarchie" zu verhindern, bei der wenige Akteure den Markt dominieren, seien proaktive Regulierungsansätze gefragt.
"Insgesamt deutet vieles darauf hin, dass die Quantenrevolution zwar noch in den Kinderschuhen steckt, aber ein enormes Potenzial birgt, das weit über den rein technologischen Bereich hinausgeht", resümieren die Forscher. Europa habe mit seinen Maßnahmen und Projekten die Chance, zum Zentrum dieses Fortschritts zu werden. Voraussetzung sei aber, dass es gelinge, sich nach innen klug zu koordinieren und nach außen eine strategische Autonomie zu bewahren.