RKI-Leaks: Kubickis Forderung nach Lauterbach-Rücktritt – Begründungen und Hintergründe

FDP-Vize Wolfgang Kubicki äußert sich häufiger via Bild. Foto: Shutterstock.com

FDP-Vize betont, er habe RKI-Files sorgfältiger ausgewertet als ARD und ZDF. Was er dem Gesundheitsminister vorwirft und die Gemengelage dahinter.

Als "Ampel-Hammer" bezeichnete die Bild am Donnerstag Wolfgang Kubickis Rücktrittsforderung gegen Bundesgesundheitsminister Karl-Lauterbach (SPD). Der FDP-Vize wirft Lauterbach politische Einflussnahme auf die offizielle Risikobewertung des Robert-Koch-Instituts (RKI) bezüglich des Coronavirus vor. Kubicki hat die ungeschwärzten Protokolle des RKI-Krisenstabs aus den Corona-Jahren 2020 bis 2023 gesichtet, die am 23. Juli von der Publizistin und Aktivistin Aya Velázquez geleakt wurden.

Eine Auswertung der Dokumente aus seiner Sicht veröffentlichte Kubicki am Donnerstag auf seiner Abgeordneten-Homepage.

Berichte über RKI-Leaks: Kubicki teilt gegen ARD und ZDF aus

Er habe es sich "nicht so leicht gemacht wie zum Teil hochdotierte und reichhaltig besetzte Redaktionen vor allem von ARD und ZDF", schreibt er einleitend. Aus seiner Sicht hatten die Redaktionen "die tausenden von Seiten nach einer kurzen Draufsicht abschließend für völlig unkritisch" befunden.

Er selbst sieht einen "kleinen, aber deutlichen Hinweis" darauf, dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) "die RKI-Strategie diktiert" habe in den Protokollen vom 30. März 2022: "Anpassung des Papiers der RKI-Strategie zur Empfehlung von Quarantäne und Isolation liegt dem BMG seit Donnerstag vor. Wurde mit Modifikationen ans RKI zurückgespielt."

Vorwurf politischer Einflussnahme auf RKI in Sachen Corona

Gravierender und folgenreicher sei der Einfluss von Lauterbachs Ministerium auf die Corona-Risikobewertung gewesen. Dazu zitiert Kubicki eine Passage aus den RKI-Files vom 9. Februar 2022:

"Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist abhängig von der Zustimmung des BMG, voraussichtlich nicht vor der MPK [Ministerpräsidentenkonferenz von Bund und Ländern, Anm. d. Red.] am 16. 02. 2022. Eine Herabstufung vorher würde möglicherweise als Deeskalationssignal interpretiert, daher politisch nicht gewünscht. Inhaltliche Überarbeitung und Diskussion werden auf nächste Woche vertagt."

Erst Anfang Mai 2022 sei die Herabstufung der Risikobewertung erfolgt, "drei Monate nachdem das RKI die fachliche Notwendigkeit hierfür gesehen hatte", so Kubicki.

Kubickis Vorstöße gegen die Ampel-Koalition

Nicht zum ersten Mal stellt der FDP-Vize die Zusammenarbeit mit der Kanzlerpartei SPD und den Grünen in Frage. Schon im November 2022 hatte er dies in einem Rundumschlag mit Blick auf Sozialpolitik, Atomausstieg, Migrations- und Steuerpolitik getan.

"Das geht alles so nicht weiter", hatte Kubicki damals der Bild gesagt. Seither hat die FDP als kleinster Koalitionspartner, der aber immerhin die Bundesministerien für Finanzen, Justiz, Verkehr und Bildung führt, oft als durchsetzungsfähig erwiesen. Auch Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner drohte erst kürzlich wieder mit einem Koalitionsbruch.

Kubicki selbst sorgt aber auch innerhalb seiner Partei immer für Streit – konkret, wenn es um deren Abgrenzung zur AfD geht: Im Thüringer Landtagswahlkampf unterstützt er die erneute Spitzenkandidatur seines Parteifreunds Thomas Kemmerich, von dem sich das Präsidium der FDP vor knapp vier Jahren geschlossen distanziert hat.

FDP-Streit um Zusammenarbeit mit der AfD

Zwar wurde er nicht aus der Partei ausgeschlossen, aber in der damaligen Erklärung hieß es wörtlich: "Der Bundesverband wird eine Spitzenkandidatur von Thomas Kemmerich bei der nächsten Wahl des Landtags von Thüringen nicht unterstützen."

Kemmerich war im Frühjahr 2020 formell für nur 27 Tage Ministerpräsident in Thüringen – nachdem seine Partei bei der Landtagswahl nur fünf Prozent der Stimmen erhalten hatte. Gewählt worden war er dann mithilfe der Stimmen von CDU- und AfD-Abgeordneten, die damit eine weitere Amtszeit des Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Die Linke) verhindern wollten. Kemmerich hatte die Wahl ohne zu zögern angenommen.

Für den Thüringer Landesverband der FDP ging das in Ordnung, das FDP-Präsidium sah es anders: "Die Wahl kam offenkundig nur durch die geschlossene Unterstützung der AfD-Fraktion zustande. Die Annahme der Wahl war ein schwerer politischer und persönlicher Fehler. Sie stand in krassem Widerspruch zu der liberalen Grundhaltung der Freien Demokraten", erklärte der damalige FDP-Generalsekretär Volker Wissing.

Mit der AfD könne es keinerlei Zusammenarbeit geben, da sie "gesellschaftspolitisch auf Ausgrenzung, wirtschaftspolitisch auf Abschottung setzt und es nicht schafft, sich klar von völkischen, rassistischen und rechtsextremen Elementen zu distanzieren".

Kubicki bricht Lanze für Kemmerich

Die Entscheidung über die Spitzenkandidatur treffe zwar der FDP-Landesverband Thüringen. Für das Präsidium stehe aber fest, dass es "keinerlei finanzielle, logistische oder organisatorische Unterstützung für einen Wahlkampf eines Spitzenkandidaten Thomas Kemmerich durch den Bundesverband geben wird". Dementsprechend mussten sich Kemmerich und der Landesverband für die erneute Kandidatur selbst ins Zeug legen, um Geld zu sammeln.

Kubicki – stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP und zudem Bundestagsvizepräsident – zeigt sich von der Haltung des Bundesverbands aber aktuell wenig beeindruckt. "Mein Name ist Wolfgang Kubicki und ich unterstütze Thomas Kemmerich bei der Landtagswahl in Thüringen am 1. September", sagt er in einem Handy-Video, das derzeit via Facebook verbreitet wird. Ein Landtag mit FDP ist spannend, ein Landtag mit FDP ist erfolgreich, ein Landtag mit FDP ist gut fürs Land".

Vor dem Hintergrund solcher Alleingänge wird in Social-Media-Räumen gestritten, ob die Forderung nach "persönlichen Konsequenzen" von Lauterbach wirklich ein "Ampel-Hammer" sei, oder doch nur "Kubicki-Gelaber".

FDP-Chef Lindner, dessen erster Stellvertreter Kubicki ist, hält sich diesbezüglich erneut bedeckt. Er hatte sich bereits 2020 zur Distanzierung von Kemmerich nicht öffentlich geäußert.