RT DE startet Fernsehprogramm – und provoziert heftige Kritik
Russischer Auslandssender nimmt Fernsehprogramm in deutscher Sprache auf – von Serbien aus. Ausstrahlung von Eutelsat-Satellit nach Meinung deutscher Aufsichtsbehörden rechtswidrig
Dass RT DE seit Donnerstag ein Fernsehprogramm anbietet, war für die deutschen Medien eine echte Überraschung. Mit einer Einspeisung des RT DE-Fernsehprogramms über Serbien hatte offenbar niemand gerechnet.
Die Kommentare der großen deutschen Medien zum neuen Fernsehprogramm von RT DE fielen weitgehend negativ aus. Die Bild-Zeitung schrieb, "Russlands Staatskonzern hat still und heimlich im Russland-freundlichen Nicht-EU-Land Serbien eine Sendelizenz beantragt." Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg prüfe nun "weitere Schritte".
Wie schaffte es RT DE, dass das Fernsehprogramm über Satelliten von Eutelsat ausgestrahlt wird? In einer Mitteilung von RT DE, heißt es, die Organisation TV-Novosti habe ...
... in Serbien eine Lizenz für die Kabel- und Satellitenübertragung des RT-Senders in deutscher Sprache (RT DE) in europäischen Staaten auf der Grundlage des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen Nr. 132 erhalten.
Der Fernsehsender RT DE steigt zunächst aus dem Territorium Serbiens zu Satelliten auf. Gemäß den Bestimmungen dieser Konvention kann ein Fernsehsender, der der Gerichtsbarkeit eines der Unterzeichnerstaaten der Konvention unterliegt, das heißt in einem dieser Staaten lizenziert ist, in 33 europäischen Ländern, die das Übereinkommen ratifiziert haben, Sendungen ausstrahlen.
In einer weiteren, am Freitag veröffentlichten Erklärung schrieb RT DE: "Wenn Fernsehsender mit Sitz in einem ECTT-Land in ein anderes ECTT-Land senden, die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen der Konvention" greifen.
Das bedeute, "dass, wenn beispielsweise RT DE (lizenziert im ECTT-Land Serbien) in ein anderes ECTT-Land (z. B. Deutschland) sendet, es dafür keine deutsche Lizenz braucht. Stattdessen wird RT DE gemäß den vom ECTT vorgeschriebenen Standards von Serbien reguliert."
Die meisten deutschen Medien vermieden es am Donnerstag, über den neuen RT DE-Fernsehkanal zu berichten. Sie beschränkten sich auf die Veröffentlichung einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa, in der mitgeteilt wird, dass die Videoplattform Youtube einen neuen RT-DE-Kanal nach fünf Stunden gelöscht hat.
Dass auf dem neuen Youtube-Kanal das neue Fernsehprogramm von RT DE gestreamt wurde, wurde zunächst nicht erwähnt.
Deutscher Medienbeauftragter zweifelt Rechtmäßigkeit an
Der Europabeauftragte der deutschen Medienanstalten, Tobias Schmid, erklärte gegenüber dem NDR-Medienmagazin Zapp, dass Youtube den Kanal von RT DE bereits gesperrt hat und auch der Empfang via Satellit mit erheblichen Hürden verbunden sei.
Daher glaube er nicht daran, dass der Fernsehsender von RT DE ein Massenphänomen werden könnte: "Das ist vor allem viel Getöse und ein echtes Ärgernis und wir werden uns darum kümmern."
Das RT DE-Fernsehprogramm "stehe auf wackligen Füßen". Schmid zweifelt an den juristischen Grundlagen – und wenn sich diese Zweifel bewahrheiten, könne womöglich bald auch die Weiterverbreitung des Programms auf dem Spiel stehen.
Unserer Einschätzung nach ist das handelnde Unternehmen weiterhin das Unternehmen mit Sitz in Berlin und damit unterliegt es der deutschen Rechtshoheit, sodass die Lizenz wenn dann in Deutschland zu erteilen ist und hier müsste auch der Antrag gestellt werden.
Tobias Schmid
RT DE nimmt nun das Berliner Studio nun aus der Schusslinie. Die Presseabteilung erklärte am Freitagabend: „Herr Schmid behauptete fälschlicherweise, dass der neue Sender seinen Sitz in Berlin hat – vielleicht hat er die ausführliche Berichterstattung über den Start von RT DE aus dem Moskauer Hauptquartier von RT übersehen, wo sich die Nachrichtenredaktion, der Videorecorder, das On-Air-Studio, die Postproduktionseinrichtungen, der Sendekomplex usw. von RT DE befinden.“
Kommunikationsbehörde droht Youtube mit Sperre in Russland
Am Freitagnachmittag schaltete sich auch die russische Kommunikationsaufsichtsbehörde Roskomnadsor in den Konflikt ein. Sie droht Youtube mit einer vollumfänglichen Sperre in Russland, falls das Videoportal den gelöschten Live-Kanal RT auf Sendung nicht wiederherstellt.
So eine Sperre wäre für Youtube mit erheblichen Einnahmeverlusten im Werbegeschäft verbunden. Beim globalen Internetverkehrsaufkommen stand Russland im Oktober 2021 mit 5,47 Prozent an zweiter Stelle nach den USA mit 20,31 Prozent. An dritter Stelle steht Brasilien mit 4,64 Prozent vor Japan mit 3,77 Prozent.
In Deutschland nimmt die FDP-Bundestagsfraktion in der Debatte derweil eine ablehnende Haltung ein. Deren medienpolitischer Sprecher, Thomas Hacker bezeichnete RT DE in der Bild am Donnerstag als einen "Piratensender der Demokratie-Feinde". Weiter sagte Hacker:
Zurecht haben Medienanstalt und Youtube dem Piratensender der Demokratie-Feinde und Querdenker sofort den Stecker gezogen. Dieser wiederholte Umgehungsversuch europäischer und nationaler Gesetze unterstreicht die Gefahr dieses selbsternannten TV-Senders und erfordert Handeln auf allen Ebenen.
Warum andere ausländische Fernsehsender in Deutschland empfangen werden können, RT DE dieses Recht aber streitig gemacht werden soll, erklärte der Medienbeauftragte der Liberalen nicht.
RT DE nahm 2014 – damals noch unter dem Namen RT Deutsch im Stadtteil Adlershof im Berliner Osten die Arbeit auf. Ein Team aus Russen und Deutschen erstellte ein Internetportal mit Texten und Videos in deutscher Sprache.
Finanziert wurde das Projekt von dem 2004 gegründeten russischen Fernsehunternehmen Russia Today, das damals bereit auf Englisch, Französisch, Spanisch, Arabisch und Russisch sendete.
RT DE wurde schnell bekannt, weil es die russische Sichtweise auf die Ukraine-Krise und den Krieg im Donbass wiedergab, der damals die Menschen in Deutschland beunruhigte. Ein Krieg zwischen der Nato und Russland schien schließlich möglich.
RT DE war seit 2014 eine der wenigen Plattformen mit großer Reichweite, auf der Kritiker der Nato-Osterweiterung aus allen Teilen der deutschen Gesellschaft zu Wort kamen. Die These von der Maidan-Revolution, die angeblich den Willen der Mehrheit des ukrainischen Volkes ausdrückte, wurde hinterfragt.
Seit 2014 gewann RT Deutsch als Video-Kanal massiv an Popularität. Im Bereich News und Politik lag RT DE im August 2021 bei Nachrichtenkanälen auf Platz 5 der Videoaufrufe. Im August 2021 – vor der Abschaltung durch Youtube – hatte der Kanal RT DE 614.000 Abonnenten.
Bereits seit seiner Gründung bemüht sich RT DE um eine Sendelizenz für einen Fernsehsender in Deutschland. In Berlin-Adlershof mietete der Sender deshalb bereits 2014 große Räumlichkeiten an.
Doch erst am 16. Dezember, also nach sieben Jahren, startet das Projekt, weil keine Sendelizenzen erteilt wurden, nun via Satellit. In den letzten Monaten wurde das Personal aufgestockt, über Stellenanzeigen suchte der Sender Mitarbeiter für das TV-Programm.
Seit der Gründung von RT Deutsch gibt es in den deutschen Medien massiven Widerspruch gegen das aus Moskau finanzierte Portal, dem sein journalistischer Charakter abgesprochen wird.
Unterstützung für diesen Vorwurf kam vom Vorsitzenden der Deutschen Journalisten-Verbandes, Frank Überall. Im Januar 2019 forderte er die Landesmedienanstalten auf, dem Kanal Russia Today keine Rundfunklizenz zu erteilen, da RT "kein Informationsmedium, sondern ein Propagandainstrument des Kreml" sei.
Tagesschau: "RT DE Stichwortgeber der Corona-Leugner"
Patrick Gensing von der Redaktion der Tagesschau schrieb unter dem Titel "Ein Virus des Misstrauens", RT DE sei "einer der wichtigsten Stichwortgeber für Corona-Leugner und Impfgegner". Die ablehnende Haltung ist offensichtlich: Weder die Tagesschau, noch der Spiegel sahen die Löschung des RT-DE-Kanals durch Youtube kritisch.
RT DE scheiterte in Deutschland nicht nur bei den Fernseh-Sendelizenzen, ein schwerer Rückschlag war auch die Youtube-Sperre. Am 21. September, unmittelbar vor der Bundestagswahl, wurde RT DE von Youtube verwarnt, sodass eine Woche lang keine Videos hochgeladen werden konnten. Ein Sprecher des Unternehmens erklärte:
RT DE wurde eine Verwarnung für das Hochladen von Inhalten ausgesprochen, die gegen unsere Covid-19-Richtlinie über medizinische Falschinformationen verstoßen.
Am 28. September kam der zweite sogenannte Strike. Ohne Vorwarnung wurden die Kanäle RT DE und des Programms Der fehlende Part wegen angeblich "schwerer oder wiederholter" Verstöße gegen die Gemeinschaftsrichtlinien gelöscht.
RT-Chefin Margarita Simonjan erhob den Vorwurf, Deutschland habe Russland den "medialen Krieg" erklärt. Bereits Ende Februar 2021 hatte die Commerzbank erklärt, man werde die Konten des Senders Ende Mai schließen. Ein Sprecher der Bundesregierung bestritt, dass die deutsche Regierung etwas mit der Konten-Kündigung zu tun habe.
Simonjan erklärte, die Löschung von RT DE sei "eine zu erwartende Entwicklung, weil kein normaler Mensch an Redefreiheit in diesen wunderbaren Ländern glaubt". Doch der russische Präsident Wladimir Putin erklärte auf dem Waldai-Forum, mit Gegenmaßnahmen müsse man "vorsichtig sein".
Um das Fernsehprogramm von RT DE, so ist zu erwarten, wird es große Auseinandersetzungen geben. Allerdings hat Russland in diesem Fall bessere Karten als im Fall der North-Stream-2-Pipeline, welche Annalena Baerbock "nach europäischen Recht" stilllegen will.
Der Autor veröffentlicht als freier Journalist gelegentlich bei RT.