Rache gegen Muslime und Revanche gegen Deutschland?
Zemmour am Mikro. Archivbild: Lagora; CC BY-SA 3.0
Der chauvinistische Ăric Zemmour hat Chancen, nĂ€chster französischer PrĂ€sident zu werden. Gastbeitrag
In Deutschland hat sich gerade ein weit abgeschlagener Kandidat mit Namen Olaf Scholz an die Spitze der politischen Pyramide katapultiert. Geschieht jetzt dasselbe in Frankreich? Dort erobert aktuell der Neuling Ăric Zemmour die politische BĂŒhne im Sturmlauf. Seine Umfragewerte im französischen PrĂ€sidentschaftswahlkampf explodieren förmlich.
Er liegt bereits an zweiter Position hinter PrĂ€sident Macron, hat die rechtsradikale Marine Le Pen ĂŒberholt und ist stĂ€rker als die prominenten Kandidaten der gemĂ€Ăigten Rechten und der Linken zusammengenommen. FĂŒr die Option, PrĂ€sident zu werden, heiĂt das konkret: In der Stichwahl zwischen den beiden finalen Kontrahenten könnten Le Pen oder er ihr eigenes Lager auffordern, das des jeweils anderen zu wĂ€hlen. Damit wĂŒrden sie gemeinsam Macron aus dem Amt hebeln.
Der Haken daran: Dann bekĂ€me Frankreich einen chauvinistischen PrĂ€sidenten oder eine ebensolche PrĂ€sidentin mit groĂen Vollmachten. Das wĂŒrde wahrscheinlich auch das Schicksal Deutschlands und Europas zum Schlechteren wenden.
Darum stellt sich die dringende Frage: Wie erklĂ€rt sich das PhĂ€nomen Ăric Zemmour, das stark an den kometenhaften Aufstieg eines Donald Trump nach seiner ersten chauvinistischen und rassistischen Bewerbungsrede im Jahr 2016 erinnert?
Zemmour profilierte sich in den vergangenen Jahren, Ă€hnlich wie Trump, mit seiner eigenen TV-Show als Journalist und TV-Moderator (Macht Medienmacht mĂ€chtig? [1]). Er wurde auf diese Weise einem gröĂeren Publikum bekannt.
Das Pikante daran: Zemmour strickt als Abkömmling einer französisch-jĂŒdischen Familie, die aus Algerien vertrieben wurde, sowohl innenpolitisch am Feindbild der muslimischen Minderheit wie auĂenpolitisch am Feindbild Deutschland. Besonders erschĂŒtternd ist, wie wenig Widerspruch und Protest er fĂŒr seine radikalen Ideen und Agitationen im öffentlichen Raum erntet.
Gerade die deutsche Ăffentlichkeit hat allen Grund, sich frĂŒhzeitig dazu eine kritische Meinung zu bilden. Immerhin stehen die französischen Wahlen im April 2022 ins Haus - wĂ€hrend die Deutschen wieder einmal allzu sehr mit sich beschĂ€ftigt sind.
Ein neuer Krieg der Kulturen?
Wo kommt Zemmour her und was vertritt er? Ăhnlich wie Trump, der durch Fox News groĂgemacht wurde, ist es Zemmour gelungen, den TV-Sender CNews fĂŒr sich zu instrumentalisieren. Sein neues Buch mit dem Titel "Frankreich hat noch nicht sein letztes Wort gesprochen" verleiht ihm und seinen radikalen Thesen weitere PublizitĂ€t.
Gerichte haben ihn schon mehrfach wegen rassistischer ĂuĂerungen verurteilt und trotzdem provoziert er in seinem Buch ungeniert weiter - und handelt sich stĂ€ndig neue VorwĂŒrfe des Rassismus, der Homophobie und der Diskriminierung von Frauen ein.1 [2] Unter anderem kĂŒndigt er in seiner Publikation an, dass er, falls er französischer PrĂ€sident werden sollte, verhindern werde, dass Kinder in Frankreich weiterhin Mohammed genannt werden dĂŒrften.2 [3]
Er fantasiert auĂerdem seit LĂ€ngerem von einem tausendjĂ€hrigen Krieg der Kulturen zwischen dem Christentum und dem Islam und fordert zum Beispiel eine Revanche [4] fĂŒr den Text der algerischen Nationalhymne, in der Frankreich eine Abrechnung angedroht wird. Konsequent spricht er als Sohn einer aus Algerien vertriebenen Familie diesem Land das Recht ab [5], sich Nation zu nennen.
Das alles trÀgt dazu bei, dass sich Ressentiments, Rassismus und Hass zwischen Christen und Juden auf der einen Seite und Moslems auf der anderen in einem bereits stark vergifteten gesellschaftlichen Klima weiter aufschaukeln und immer wieder in Gewalt umschlagen.
So zĂŒndete einer von Le Pens und Zemmours AnhĂ€ngern im Jahr 2019 die EingangstĂŒr der Moschee von Bayonne an und schoss [6] einem 74-jĂ€hrigen Moslem in die Brust.5 Ein Jahr spĂ€ter griff ein islamistisch motivierter junger TĂ€ter den jĂŒdischen Lehrer Samuel Paty an und enthauptete ihn auf offener StraĂe.
Zemmour argumentiert jedoch nicht aufklĂ€rerisch, sondern verstĂ€rkt die Polemik und Hate-Speech. Darum deuten muslimische Kommentatoren im In- und Ausland seine ĂuĂerungen inzwischen als nichts anderes als einen gegen die Moslems gerichteten Faschismus.
Demagogie und das Feindbild der Deutschen
Aus deutscher Sicht ist es umso bedauerlicher, dass der demagogische Journalist auch gegen unser Land hetzt und damit ein altes Feindbild wiederbelebt. Bereits in seinen Kommentaren Mitte der Zehnerjahre vergleicht er die Lage aus französischer Sicht mit derjenigen nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71. Was will er damit sagen?
Dieser Krieg war der Ausgangspunkt fĂŒr eine Welle von Chauvinismus auf beiden Seiten - die schlieĂlich im Ersten Weltkrieg und den SchĂŒtzengrĂ€ben von Verdun explodierte. Der Hass fĂŒhrte auf französischer Seite zum unseligen Versailler Friedensvertrag eines Revisionisten Georges Clemenceau. Dieser spielte wiederum dem deutschen Revanchisten Adolf Hitler in die HĂ€nde und endete mit der Besetzung Frankreichs.
Zemmour wiederum provoziert, indem er den Kollaborateur General PĂ©tain als BeschĂŒtzer der Juden bezeichnet. Zu Zemmours Förderern gehört auĂerdem ein französischer MillionĂ€r, der der identitĂ€ren Rechten nahesteht.
Gesellschaftliche Zersetzung durch Neoliberalismus
Es stellt sich also die brisante Frage, warum ein solcher Revisionist und Chauvinist im französischen Wahlkampf so viel Zuspruch erlangt. Warum können sich seine Botschaften des Ressentiments nach der Corona-Krise so ungehindert Bahn brechen?
Hier kommt offensichtlich eine Langzeitwirkung zum Tragen: Die neoliberalen Eliten wie Macron, Hollande, Schröder und Merkel haben ihre Gesellschaften seit Jahren und Jahrzehnten tief zerspalten und zersetzt. Sie haben Gemeinsinn und SolidaritÀt mit Hilfe einer "marktorientierten Demokratie", wie die Wortwahl Merkels lautet, ausgehöhlt. Genau davor hatte der Soziologe Oliver Nachtwey gewarnt:3 [7]
AutoritĂ€re MentalitĂ€ten entstehen nicht im luftleeren Raum ⊠(âŠ) sie werden durch den Markt koproduziert.
Oliver Nachtwey
Die Krisen des Finanzcrashs, eine desaströse Politik des Westens in Syrien und Afghanistan, die massive FlĂŒchtlingswellen auslöste und nicht zuletzt die neoliberale Zwangspolitik von Corona haben den Boden fĂŒr neue Populisten bereitet. Die Gelbwesten und die Sammlungsbewegung "Aufstehen" erscheinen im RĂŒckblick als das letzte AufbĂ€umen der ohnmĂ€chtigen Unter- und Mittelschichten gegen die Arroganz der herrschenden Eliten vor Corona. Beide Bewegungen wollten einen neuen Gemeinsinn und soziale Gerechtigkeit erkĂ€mpfen.
Macron hat jedenfalls die Gelbwesten-Bewegung geĂ€chtet und grausam niederkartĂ€tscht. Und Merkel und Macron haben durch ĂŒberzogene ZwangsmaĂnahmen und AusnahmezustĂ€nde jeden Protest von unten erstickt. Damit aber scheinen sie mehr Unheil angerichtet zu haben als auf den ersten Blick sichtbar wurde. Sie beschĂ€digten die demokratische Kultur, sie promoteten aktiv Panikmache, Denunziantentum und schĂŒrten eine Kultur der Angst.
Sie erstickten Freiheits- und BĂŒrgerrechtsbewegungen mit Gewalt im Keim und erklĂ€rten ihre Verteidiger entweder zu "Covidioten" oder gar zu Verfassungsfeinden. Erst jetzt wird sichtbar, dass sie damit die Gesellschaft lĂ€diert und ihr wichtige Instinkte entzogen haben. Diese Zivilgesellschaft erweist sich als inzwischen als "immun-geschwĂ€cht". Politische "Auto-Immunkrankheiten" wie soziale Spaltung und Paranoia befallen und lĂ€hmen sie von innen.
Rassismus und Ressentiments gegen Zugereiste und "Zahnlose"
Ăric Zemmour ist einer, der in seinem Leben Ressentiments am eigenen Leib erleben und verkraften musste: Die seelischen Verletzungen seiner Familie als Vertriebene haben ihm zugesetzt. Er konnte sich nicht an der Eliteschule ENA qualifizieren - vielleicht auch, weil allzu vielen Bewerbern ihr mangelnder Elitehabitus zum VerhĂ€ngnis wurde. Er musste sich als Journalist hart durchschlagen.
Das Establishment hat ihn viele Jahre ausgegrenzt. Er hat so einen Instinkt fĂŒr die tiefsitzenden Ressentiments entwickelt, die in der französischen Klassengesellschaft mit ihrer schlimmen Kolonialvergangenheit schwelen.
Die neoliberalen Eliten haben diesen Sprengsatz ĂŒber viele Jahre aktiv aufgeladen: Sogar ein sozialistischer PrĂ€sident François Hollande, auf den sich viele Hoffnungen ausgleichender Gerechtigkeit richteten, hat die armen Franzosen angewidert als die "sans dents", die "Zahnlosen" bezeichnet.
Der Freund der MilliardĂ€re, der korrupte PrĂ€sident Sarkozy hat auf die Revolten in den Slums von Paris, die Banlieues, reagiert, indem er ankĂŒndigte, sie "auszukĂ€rchern". Und der ehemalige Banker und MillionĂ€r Emanuel Macron bezeichnet im Fernsehen die einfachen Leute herabwĂŒrdigend als "Riens", was etwa so viel heiĂt wie nichtsnutziger Abschaum.
Comeback des linken und rechten Antisemitismus der 1930er-Jahre?
Kein Wunder also, dass ein politisches PhĂ€nomen wie Ăric Zemmour Erfolg hat. Er fĂ€hrt durch die kranke und orientierungslose und verunsicherte politische Landschaft wie das Messer durch die Butter - also durch eine weichgekochte Zivilgesellschaft, der die wahren Werte offensichtlich abhanden gekommen sind.
Agitatoren wie er lenken die Bevölkerung mit Leichtigkeit auf Feindbilder - so wie es Trump mit den Mexikanern, Arabern und ebenso gegenĂŒber Deutschland praktiziert hat. Und Zemmour inszeniert sich, wie Trump, als Oppositioneller gegen das vielfach verhasste liberale Establishment.
Beide reproduzieren damit ein toxisches Klima wie in den 1920er und 1930er-Jahren. Auch damals hatten liberale Regierungen in den Augen der Bevölkerung versagt. Auch damals war es diesen Eliten nicht gelungen, den inneren und Ă€uĂeren Frieden herzustellen. Auch damals, Mitte der 1920er-Jahre, versuchten sie, die von Hass inspirierte französische Politik von Versailles zu beenden: Gustav Stresemann und Aristide Briand wollten Deutschland und Frankreich versöhnen. Aber da war es schon zu spĂ€t.
Die deutschen Eliten verrieten letztlich die Demokratie an Hitler und die französischen Eliten konnten ein Jahr spĂ€ter, 1934, nur knapp einen rechtsradikalen Putschversuch verhindern. Beide Gesellschaften suchten nach inneren und Ă€uĂeren Feinden und kultivierten Antisemitismus, den die beiden Erster-Weltkriegs-Veteranen Hitler und General PĂ©tain auf schreckliche Weise umsetzten.
Der Emigrant Charles De Gaulle und der Dissident Konrad Adenauer zogen nach dem schrecklichen Krieg Lehren aus diesen Jahrhunderttragödien. Meinungsbildner wie Raymond Aron verankerten das dies- und jenseits des Rheins im öffentlichen Bewusstsein und eine Aussöhnung gelang tatsÀchlich - auch wenn weiterhin alte Stereotypen im Unterbewusstsein schlummern.
Darum haben die neoliberalen Eliten leider nichts aus der Geschichte gelernt. Sie riskieren dieses Erbe der Aussöhnung seit den 1990er-Jahren zu verspielen. Die von ihnen entfesselten FinanzmĂ€rkte haben Teile Europas verarmen lassen und eine groĂe prekĂ€re Gesellschaftsschicht geschaffen.
DarĂŒber hinaus ignorierten sie Volksbegehren gegen die EU, setzten auf eine AusteritĂ€tspolitik, die die Kosten der Finanzkrise vergemeinschaftet und durch Inflation und Nullzinspolitik Hunderte Millionen BĂŒrger enteignet. Sie deindustrialisierten ganze französische Landschaften. In Deutschland sind der Osten und weitere groĂe Gebiete abgehĂ€ngt.
Die Deutschen stehen am Ende der Ăra Merkel ernĂŒchtert vor einem Land im Niedergang. Die Kanzlerin hinterlĂ€sst ein Land in Abstiegsangst - innerlich zerrĂŒttet und verschuldet - ohne Spielraum fĂŒr wichtige Zukunftsaufgaben. Diese verfehlte neoliberale Politik und ihre spalterischen EU-Eliten haben bereits GroĂbritannien aus der EU gedrĂ€ngt. Polen steht auf der Kippe.
Ein neuer Gegensatz zwischen Deutschland und Frankreich wird die europÀische VerstÀndigung und Zusammenarbeit und das VermÀchtnis der Nachkriegseliten vollends beerdigen.
Allein ein Achtungserfolg von Zemmour bei den Wahlen wĂŒrde die französische und die europĂ€ische Gesellschaft mit infizieren. Das wird insbesondere das Zusammenleben zwischen Christen, Juden und Muslimen weiter vergiften - und höchstwahrscheinlich zu neuen Gewalttaten anregen: Rechtsradikale schlagen dann, politisch aufgehetzt, gegen Muslime los und diese schlagen zurĂŒck, Linksradikale werden gegen den Staat mobil machen und einen linken Antisemitismus zĂŒchten, wie er gerade in England mĂŒhsam ĂŒbertĂŒncht scheint.
Hier erfĂŒllt sich die Prophezeiung des indischen Intellektuellen Pankay Mishra fĂŒr zunehmende Gewalt und Gegengewalt im Hyperkapitalismus: Weil sich viele Menschen "militant von dieser Zivilisation ab(-wenden), geprĂ€gt von einem breiteren, tieferen und flĂŒchtigeren Verlangen nach schöpferischer Zerstörung".
Das gefÀhrdete Erbe Raymond Arons
Bedauerlicherweise stöĂt Zemmour im französischen Diskurs bisher auf keine Gegner, die ihm intellektuell und argumentativ gewachsen sind. Einer von ihnen wĂ€re der Denker und Publizist Raymond Aron gewesen, der ebenfalls jĂŒdischer Herkunft war, aber leider schon lange verstorben ist.
Er schrieb sogar jahrelang fĂŒr den konservativen Figaro, wie Zemmour es auch tat. Aber Aron folgte als RĂ©sistancekĂ€mpfer nach dem Einmarsch der Deutschen de Gaulle ins Exil nach London - und blieb nach seiner RĂŒckkehr nach Frankreich bis ins hohe Alter einer der einflussreichsten aufklĂ€rerischen Meinungsbildner - auch fĂŒr die Aussöhnung mit Deutschland.
Inzwischen gilt er als einer der wichtigsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Er brachte der französischen Nation und seinem Schulfreund Jean-Paul Sartre den deutschen Existenzialismus und das strategische Denken des PreuĂen Carl von Clausewitz nahe.
Was Aron als französischer Jude fĂŒr die Aussöhnung nach dem Weltkrieg getan hat, erscheint angesichts der neuen Töne und Hasstiraden aus Paris stark gefĂ€hrdet. Scheinbar stehen wir vor einem RĂŒckfall in Vorkriegs-Feindschaften - und das mitten in Europa.
Wir stehen vor einer neuen politischen Zeitenwende, die nach den Krisen der letzten Jahre immer neue apokalyptische Reiter am Horizont auftauchen lÀsst.
Radikalisierung am Boden der Gesellschaft
Der Hinweis auf Aussöhnung und AufklĂ€rung durch jĂŒdische Intellektuelle sollte ergĂ€nzt werden durch den Hinweis auf den fragilen Zustand der Integration der Muslime in Europa. Auch in diesem Jahr strömen wieder ca. Hunderttausende Aslysuchende nach Europa, die meisten von ihnen Muslime: 100.000 davon nach Deutschland, 50.000 nach Frankreich, das in Europa damit an zweiter Stelle liegt.
Werfen wir ein kurzes Schlaglicht auf diejenigen Einwanderer, die bereits den schwierigen Schritt in die Arbeitswelt geschafft haben. Da die EU nach deutschem Vorbild einen riesigen prekĂ€ren Arbeitssektor geschaffen hat, waren vor Corona Hunderttausende alte und neue EU-BĂŒrger als Band- und Leiharbeiter tĂ€tig.
So malochen in Deutschland meistens un- und angelernte KrĂ€fte aus ĂŒber hundert Nationen an den FlieĂbĂ€ndern der PKW- und LKW-Werke, der Panzerschmieden und der Fleischfabriken. Aufgrund des hohen Leistungsdrucks von oben steigt jedoch das Konfliktpotenzial unter ihnen stetig an - noch krasser aktuell bei denen, die nach der letzten Krise ĂŒbriggeblieben sind.
Denn die deutsche Industrie hat im ersten Corona-Jahr allein fast 200.000 von ihnen gefeuert, oft ohne Absicherung und Arbeitslosengeld. Das VW-Management kĂŒndigt aktuell einen neuen Kahlschlag von 30.000 Arbeitern an. Kein Wunder, dass sich in dieser Masse von abstiegsbedrohten und sozial GefĂ€hrdeten immer mehr Wut und Hass aufstauen, die sich teilweise leider untereinander entladen: Muslimische Serben und TĂŒrken gehen gegen katholische Kroaten und Kurden los, Araber gegen Schwarzafrikaner, und auch die Deutschen entwickeln teilweise Hass und Gewalt.
Denn zunehmend heizen radikale Organisationen wie die Grauen Wölfe und deutsche extremistische Organisationen diese Gemengelage an. So steigen Ressentiments und Wut immer mehr an. Bedauerlicherweise schauen groĂe Gewerkschaften leider oft weg, wenn es um diese gefĂ€hrlichen Entwicklungen geht.
Nur einige kleinere NGOs und Protestgewerkschaften geben diesen Menschen die Möglichkeit, ihren Frust und ihre Proteste gegen die eigentlich Verantwortlichen an der Spitze, die privilegierte und abgehobene Wirtschafts- und Politikkaste auszudrĂŒcken.
Die ImmunschwÀche der Zivilgesellschaft nach Corona
Aber was geschieht, wenn von ganz oben aus der Elite andere Töne kommen? Wenn nationale und rassische GegensÀtze neu angeheizt werden - wenn gar ein europÀischer Spitzenpolitiker oder PrÀsident dazu aufrufen sollte? Dann können Ressentiments noch leichter in offenen Hass und Gewalt umschlagen.
Umso verwunderlicher ist es, dass Zemmour bei seiner Rallye im Vorwahlkampf auf keine gröĂere Ablehnungsfront in der Ăffentlichkeit stöĂt, sondern er immer bessere SendeplĂ€tze erhĂ€lt, um seine abstrusen Thesen weiter zu verbreiten. Liegt es daran, dass auch die Mutter von AufklĂ€rung und Laizismus, die französische Nation, mental geschwĂ€cht aus den harten Lockdowns und AusnahmezustĂ€nden hervorgeht und ĂŒber keine groĂen politischen ImmunkrĂ€fte mehr verfĂŒgt?
Niedere Instinkte infizieren die französische Ăffentlichkeit und gewinnen langsam die Oberhand ĂŒber aufgeklĂ€rtes Denken. Wenn man schwarzsehen will, so ist ein Ă€hnliches Szenario bei unserem direkten Nachbarn zu erwarten, wie wir es mit Donald Trump erlebt haben. Gegen diese Infektionswelle hilft leider auch kein Impfstoff - schon gar nicht aus Deutschland. Die Deutschen können nichts anderes tun, als eigene starke Gegen- und ImmunkrĂ€fte aufzubauen.
Hans-Christian Lange, Jahrgang 1957, lebte in den 1980er-Jahren in Frankreich und wurde zu einem der letzten deutschen GesprĂ€chspartner des französischen Intellektuellen Raymond Aron, bevor er als Kanzleramtsberater nach Deutschland zurĂŒckkehrte. Danach wechselte er in die Industrie und gehörte dort in den 1990-er Jahren zu dem Managerkreis, der die Zwangsarbeiterinitiative und -entschĂ€digung der deutschen Wirtschaft durchsetzte.
Er hat 2016 die erste deutsche Band- und Leiharbeitergewerkschaft "Social Peace" gegrĂŒndet und sich zum Politaktivisten gewandelt. 2018 organisierte er die InitialzĂŒndung fĂŒr demokratische Gelbwestenproteste in Deutschland gemeinsam mit französischen Gelbwesten. Seine Abrechnung mit den deutschen und französischen Eliten hat er in seinem aktuellen Buch zusammengefasst: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen. Ein Insider entlarvt die neue Geld- und Politikkaste [8].
FuĂnoten
[9] [1] "Ăric Zemmour : qui est-il et pourquoi veut-il "empĂȘcher" les Français de donner le nom Mohamed Ă leurs enfants?" - BBC News Afrique [10] sowie: Plusieurs responsables juifs condamnent les derniers propos dâĂric Zemmour - The Times of IsraĂ«l [11];
Zemmour sagt u.a.: "Le 27 septembre 1791, Ă©tait enfin accordĂ©e aux Juifs la citoyennetĂ© française. InspirĂ© de lâAbbĂ© GrĂ©goire, le dĂ©cret consacrait la conjugaison des espĂ©rances que sont la RĂ©publique et le judaĂŻsme. Aujourdâhui, nous partageons toujours avec nos noms et nos prĂ©noms le rĂȘve rĂ©publicain." ("Am 27. September 1791 erhielten die Juden endlich die französische StaatsbĂŒrgerschaft. Das von AbbĂ© GrĂ©goire angeregte Dekret weihte die Verbindung der Hoffnungen der Republik mit dem Judentum ein. Auch heute noch teilen wir den republikanischen Traum mit unseren Namen und Nachnamen." Ăbersetzung Deep L.)
Francis Kalifat, Chef des Dachverband der jĂŒdischen Organisationen Frankreichs (CRIF) antwortet auf Zemmour, der ihn als "nĂŒtzlichen Idioten" bezeichnet hat - The Times of IsraĂ«l [12]
"Si ĂȘtre lâidiot utile de lâantisĂ©mitisme câest ĂȘtre horrifiĂ© en pensant Ă son diner avec la fille dâun haut dignitaire nazi, ministre des Affaires Ă©trangĂšres dâHitler..."
("Wenn ein nĂŒtzlicher Idiot des Antisemitismus zu sein bedeutet, sich vor dem Gedanken zu gruseln, mit der Tochter eines hohen NazifunktionĂ€rs, nĂ€mlich Hitlers AuĂenminister, zu Abend zu essen..."; Ăbers. DeepL.)
[13] [2] Ebd.
[14] [3] Oliver Nachtwey: Entzivilisierung. Ăber regressive Tendenzen in westlichen Gesellschaften. In Die groĂe Regression, Frankfurt 2017, S. 221
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[2] #anchor_fussnote_1
[3] #anchor_fussnote_2
[4] https://www.lefigaro.fr/vox/monde/eric-zemmour-pourquoi-l-algerie-n-a-jamais-voulu-se-reconcilier-avec-la-france-20210416
[5] https://www.programme-television.org/news-tv/Eric-Zemmour-fustige-les-Arabes-sont-les-plus-grands-colonisateurs-de-l-Algerie-4671605
[6] https://www.hagalil.com/2019/11/eric-zemmour-2/
[7] #anchor_fussnote_3
[8] https://www.buchkomplizen.de/an-ihren-taten-sollt-ihr-sie-erkennen.html
[9]
[10] https://www.bbc.com/afrique/monde-58609573
[11] https://fr.timesofisrael.com/plusieurs-responsables-juifs-condamnent-les-derniers-propos-deric-zemmour/
[12] https://fr.timesofisrael.com/francis-kalifat-repond-a-eric-zemmour-nouveau-chef-de-file-du-revisionnisme/
[13]
[14]
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