Radikale Forderung: 30-Stunden-Woche als Rettung der Arbeiterklasse?

Marcus Schwarzbach
Eine

Die Grafik ist an die Kampagne des DGB zur 35-Stunden-Woche vor 40 Jahren angelehnt. Grafik: TP

Gewerkschaften fordern zum 1. Mai bessere Arbeitsbedingungen. Kritiker wollen die 30-Stunden-Woche, um Arbeitsplätze zu sichern.

Zum "Tag der Arbeit" fordern die Gewerkschaften unter dem Motto "Mach dich stark mit uns!" gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne. "Wir fordern deshalb einen nationalen Aktionsplan zur Stärkung der Tarifbindung", sagt die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi.

So könnten mehr Beschäftigte von Tarifverträgen profitieren und mehr Lohn erhalten. Der 1. Mai ist der Tag der Arbeit, den zum ersten Mal im Jahr 1890 Millionen Arbeiter in Europa und den USA gleichzeitig begingen.

Kritik an Finanzplänen der Bundesregierung

Adressat ist die neue Bundesregierung. Verdi kritisiert die Finanzpläne von Union und SPD. Senkungen für Unternehmen bei der Körperschaftssteuer reißen Löcher in die Staatsfinanzen. "Die Kommunen bleiben klamm", so der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke. Vermögende und große Erbschaften blieben unangetastet, kritisiert der Gewerkschafter.

Auch die Pläne zu Änderungen im Arbeitszeitrecht der neuen Koalition sorgen für Kritik. "Das Arbeitszeitgesetz ist keine politische Verhandlungsmasse", bemängelt die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi.

Es sei absolut kontraproduktiv, nun eine wöchentliche statt der täglichen Höchstarbeitszeit als Basis zu nehmen. Dies öffne dem Missbrauch Tür und Tor: "Das Arbeitszeitgesetz schützt Menschen, die ohnehin unter prekären Bedingungen arbeiten müssen – deshalb darf es nicht ausgehöhlt werden", erklärt Frank Werneke.

Bereits bei einem Aktionstag im März forderten die Gewerkschaften von der neuen Bundesregierung Geld für Investitionen "Ohne Industrie ist Deutschland ein armes Land, das werden wir nicht zulassen", sagte Christiane Benner, Vorsitzende der IG Metall (IGM). Sie kritisiert Unternehmen, die Lohnkürzungen fordern – statt Innovationen voranzubringen.

Aber wir können Zukunft, wir können neue Technologien, wir können grüne Industrie. Und jetzt wollen wir das auch machen!

Christiane Benner

Forderung nach radikaler Arbeitszeitverkürzung

Das wird von der Gewerkschaftsbasis auch kritisch gesehen. "Absicht des IGM-Vorstandes ist es, an die neue Regierung und den Arbeitgeber zu appellieren, mehr zu investieren". Wie Arbeitsplätze erhalten werden, bleibe offen, schreibt die "Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften" (VKG). Die Initiative fordert eine radikale Arbeitszeitverkürzung: "30 Stundenwoche sofort".

Diese Forderungen fehlen im Aufruf des DGB zum 1. Mai. Dabei ist auch der steigende Leistungsdruck durch die neue Technik ein Argument für die Verkürzung der Arbeitswoche. Die Einbindung der Beschäftigten über mobile Endgeräte führt zu einer enormen Verschärfung des Arbeitsdrucks. Jeder Schritt kann überwacht werden, Arbeiter sind – wie beim Versandkonzern Amazon – stets lokalisierbar und so beobachtbar. KI verschärft die Kontrolle der Beschäftigten.

Durch eine "Umstellung der Produktion auf umweltfreundliche und gesellschaftlich notwendige Produkte unter Kontrolle der Beschäftigten" müsse gegen Standortschließungen angekämpft werden, so die VKG.

In einer "Aktionszeitung für eine Verkehrsindustrie mit Zukunft" fordern gewerkschaftlich Aktive ein "Umsatteln auf die Produktion von individuellen auf öffentliche Verkehrsmittel":

Gäbe es ein 100-Milliarden-Programm für den Umbau des Verkehrssektors hin zum öffentlichen Verkehr, dann könnten in Wolfsburg, in Zwickau, in Stuttgart auch smarte größere und kleinere Fahrzeuge für den öffentlichen Verkehr der Zukunft von den Bändern laufen.

Die Personalkosten sind nicht der Grund für die Probleme von VW, Daimler oder BMW. Die Forderung des Managements, Lohnverzicht würde Arbeitsplätze sichern, weisen die Autoren der Aktionszeitung von sich:

Erst kommt Lohnverzicht, dann wird der Arbeitsplatz verlagert oder gestrichen. Wer seine Produkte im Inland verkaufen will, leidet unter der rückläufigen Kaufkraft. Das wiederum kostet Arbeitsplätze. Seit vielen Jahren sind die Lohnerhöhungen hinter Produktivitäts- und Preissteigerungen zurückgeblieben.