Radschnellwege: Mindestgeschwindigkeit von 20 km/h ermöglichen
Waren Radwege über Jahrzehnte nur ein ungeliebtes Stückwerk, das von Baumwurzeln und Falschparkern bedrängt wurde, nimmt die Bedeutung von Radschnellwegen derzeit rasant zu
Seit Corona sind Fahrräder und vorwiegend solche mit elektrischer Unterstützung gefragt wie kaum zuvor. Und als Folge davon werden auch immer mehr Räder zur Berufspendelei genutzt. Die Rubrik dieser Räder lautet inzwischen "Commute". Und dabei geht es nicht zuletzt um den schnellsten Weg vom Bett zum Arbeitsplatz ohne Stau und ohne Warten auf den Bus oder die verspätete Regionalbahn.
Mit dem erhöhten Radleraufkommen importiert man in Deutschland inzwischen auch das niederländische Erfolgsrezept der Radschnellwege oder Radschnellverbindungen. In Deutschland sollen die Radschnellwege im Einrichtungsverkehr mindestens drei Meter breit und im Zweirichtungsverkehr mindestens vier Meter breit sein. Die Mindestlänge liegt bei fünf Kilometern. Der Weg soll so ausgebaut sein, dass eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 20 km/h erreichbar ist.
Der Radschnellweg soll von den Wegen für andere Verkehrsteilnehmer wie PKW/LKW oder Fußgängern entkoppelt sein und durch Ampelschaltungen oder nach Möglichkeit Brücken oder Unterführungen ein gefahrloses Fahren ermöglichen. Dafür soll auch ein hochwertiger Fahrbahnbelag sorgen, innerörtlich in den Nachtstunden Beleuchtung und im Winter eine Räumung von Schnee und Eis.
Da sich der Ausbau der Radschnellwege noch ganz am Anfang befindet, sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen dazu noch rudimentär.
So ist bislang auch nicht abschließend geklärt, ob die Radschnellwege nur von Fahrrädern und Pedelecs bis 25 km/h genutzt werden dürfen, oder ob auch E-Bikes, die 45 km/h fahren dürfen, auf Radschnellwegen zugelassen werden sollen und es soll sogar Vorschläge geben, die Fußgängern eine Nutzung erlauben wollen - was die Geschwindigkeit so einschränken würde, dass letztlich nur ein Schrittverkehr zulässig wäre.
Zudem zeigen sich am Horizont inzwischen E-Bikes, für die man einen Motorradführerschein benötigt, die jedoch übers Pedaltreten gesteuert werden wie ein Pedelec und nicht über einen Gasgriff wie andere motorisierte Zweiräder.
Widerstand aus der Landwirtschaft
In intensiv landwirtschaftlich genutzten Regionen um die großen Agglomerationen stößt die Planung von Radschnellwegen immer wieder auf massiven Widerstand der Landwirtschaft, schlagen die Radschnellwege doch eine dreimal fünf Meter breite Schneise durch den landwirtschaftlich genutzten Raum. Maschinen wie Laubschneider könnten den Radlern gefährlich nahekommen.
Während das Fahrrad bis zu Ende der vergangenen Jahrhunderts sich in China als Massenverkehrmittel etabliert hatte, bevor es auch dort vom motorisierten Individualverkehr sowie dem Schienentransport verdrängt wurde, begann die Motorisierung in Europa deutlich früher und verdrängte das in den 1890er-Jahren etablierte Veloziped spätestens mit den Wirtschaftswunderjahren nach dem Zweiten Weltkrieg von den Straßen.
Radschnellwegesystem mit Zubringern
So ähnlich wie sich Europa im Laufe der Jahrzehnte ein komplexes Straßenverkehrssystem mit Kreis-, Land- und Bundesstraßen sowie Autobahnen etabliert hatte, strebt man nun für die wachsende Zahl von Radfahrern, die nicht nur als Freizeitbeschäftigung radeln wollen, eigene Wege an.
Findet man heute auf Campingausstellungen unter dem Namen "Fahrradanhänger" nur Gestelle, die man an einem PKW oder einem Wohnmobil anbringen kann, nimmt weitgehend unbeachtet von der automobil-fixierten allgemeinen Öffentlichkeit die Zahl der Anhängermodelle zu, die man an ein Fahrrad ankoppeln kann. Ein Zeichen für die steigende Bedeutung der Räder als Transportmittel sind auch Fahrradanhänger, mit denen man Europaletten zum Kunden transportieren kann.
Den Durchbruch werden die Räder als anerkanntes Verkehrsmittel jedoch erst dann erreichen können, wenn es zumindest in Ballungsräumen und den darum liegenden ländlichen Speckgürteln eine radfahrergerechte Infrastruktur gibt, die nicht nur die passenden Schnellfahr-Wege mit systematischen Zubringern bereitstellt, sondern auch Stationen zum Wasserfassen und -lassen sowie eine sach- und fachgerechte Pannenhilfe.
Letzteres hat inzwischen auch der ADAC erkannt, der inzwischen den Sprung zwar noch nicht aufs Rad, aber immerhin zum Rad wagt.
Wo kommen die Räder her?
Dass Fahrräder kaum noch komplett in Deutschland produziert werden, ist schon lange bekannt, aber wo stehen die Fabriken heute? China ist nicht einmal mehr das Ursprungsland für Fahrradrahmen deutscher Marken. Das hat mit den schon vor Jahren auf chinesische Produkte erhobenen Strafzöllen zu tun.
Aus Europa stammen jedoch die wenigsten Räder. Wer sich beispielsweise ein Fahrrad der österreichischen Marke KTM näher anschaut, sollte wissen, dass nur einer der letzten Arbeitsschritte, die Lackierung der Rahmen, in Österreich vorgenommen wird. Aufs Lackieren versteht man sich in Österreich und so wird gerade wieder eine neue Lackiererei errichtet.
Der Rahmen selbst kommt aus Taiwan, woher auch die Unternehmensführung stammte, die den Bereich Fahrradbau vor der Insolvenz rettete. Taiwanesischen Eigentümern gehören auch die drei großen Fabriken in Kambodscha A&J, Smarttech und Speedtech.
Im Gegensatz zu Importen aus China sind Fahrräder aus Kambodscha von den EU-Zöllen befreit, obwohl diese Befreiung zuletzt wegen der Arbeitsbedingungen in den kambodschanischen Fahrradfabriken auf dem Prüfstand stand. Da Kambodscha nicht über die adäquaten Hafenanlagen für den Export verfügt, werden die Räder über Vietnam exportiert.