Rätselraten über bizarre Strukturen auf dem Mars
Ungewöhnliche monolithartige Felsformationen laden zu Spekulationen ein
Bizarre, spektakuläre Aufnahmen vom Mars gibt es dank jener wenigen Forschungssatelliten, die im Mars-Orbit erfolgreich Position bezogen haben, en masse. Allein der Mars Global Surveyor hat bislang annähernd 70.000 Bilder zur Erde gefunkt. Hierunter befinden sich einige hochinteressante Aufnahmen, die das Malin Space Science System (MSSS) im Auftrag der NASA zwar veröffentlicht hat, die aber bislang von der Forschung ignoriert wurden oder nicht eindeutig zugeordnet werden konnten.
Entpuppte sich das Mars-Gesicht noch als eine astrogeologische Gebirgsformation, so lassen sich indes einige marsiane Objekte und Strukturen nicht zweifelsfrei "auflösen". Derweil rätseln die Wissenschaftler über einige seltsame Strukturen, die tatsächlich den Eindruck erwecken, künstlichen Ursprungs zu sein. Doch der Mars ist für seine bizarre Geologie bekannt: Die meisten seiner faszinierenden Strukturen sind eindeutig natürlichen Ursprungs; trotzdem bleibt offen, was sich hinter dem offiziellen NASA-Bild M01-02950 genau verbirgt
I'm fairly convinced that we have discovered life on Mars. There are some incredible photographs from [the Jet Propulsion Laboratory], which to me are pretty convincing proof of the existence of large forms of life on Mars! Have a look at them. I don't see any other interpretation.
Kein Geringerer als der US-Science-Fiction Autor Arthur C. Clarke, aus dessen Feder bekanntlich das legendäre Opus 2001: A Space Odyssey stammt, ließ Anfang Februar im Rahmen eines Zwiegesprächs mit dem Ex-Apollo-Astronauten und zweiten Menschen auf dem Mond, Buzz Aldrin, nicht den Hauch eines Zweifels daran aufkommen, dass für ihn der geheimnisvolle Rote Planet in ferner Vergangenheit einmal die Heimat einer intelligenten Kultur gewesen war. Auf welche NASA-Aufnahmen sich Clarke dabei im einzelnen bezieht und was seinen Optimismus nährt, hat der renommierte Schriftsteller zwar nicht aufgeführt. Dennoch ist davon auszugehen, dass sich seine These unter anderem auch auf eine noch recht junge, zum Teil unbekannte Serie von ungewöhnlichen Aufnahmen der Marsoberfläche stützt, die der Mars Global Surveyor (MGS) mit seiner hochsensiblen Kamera MOC vorletztes Jahr gemacht hat. Das wichtigste und aussagekräftigste Foto trägt die Nummer M01-02950 und wurde bereits am 21. Mai 1999 aufgenommen.
Künstliche Monolithen oder nur Dünen?
Dabei handelt es sich in der Tat um ein recht absonderliches Bild, auf dem nicht minder absonderliche Objekte zu sehen sind, die - eingebettet im roten Wüstensand - aus der Ferne einer Armada von Felsmonolithen gleichen. Gewiss laden die in Form und Größe exogeologischen Strukturen, von denen viele im gleichen Abstand zueinander geordnet stehen, unweigerlich zu Assoziationen ein. Wer aber angesichts dieser Formationen die literarisch, kino- und fernsehverklärten grünen Männchen ins Spiel bringt, muss sich von Astrogeologen, Marsforschern und anderen Spezialisten jedoch eines Besseren belehren lassen. Diese bewerten das Ganze nämlich recht nüchtern.
Für den Vorsitzenden der International Mars Society Dr. Robert M. Zubrin etwa sind derlei Strukturen natürlichen Ursprungs: "I believe that the items imaged by NASA are natural rock formations." Auch Ernst Hauber vom DLR-Institut für Weltraumsensorik und Planetenerkundung in Berlin-Adlershof sieht hier keine Hinweise auf außerirdische Artefakte oder künstliche monolithartige Strukturen:
Worum es sich hierbei handelt, ist nicht ohne weiteres zu beantworten. Die gleichförmige Ausrichtung wird mit Sicherheit durch den niedrigen Sonnenstand und die dadurch verursachten langen Schatten suggeriert (die Bilder zeigen ein Gebiet in hohen nördlichen Breiten). Am ehesten scheint es sich um Felsen zu handeln, die größtenteils von Sand und/oder Staub bedeckt sind.
Nach Hauber weisen die Felsstrukturen gleichwohl aber ein ungewöhnliches Merkmal auf:
Eigenartig ist die offensichtlich sehr ähnliche Größe aller Objekte. Alternativ käme eine Art Dünenform in Frage, was die Gleichförmigkeit besser erklären würde.
Die in Wissenschaftlerkreisen populäre Dünenthese, die oft herhalten muss, um solche Phänomene zu erklären, favorisiert auch Julia Lanz von der Abteilung Planetengeologie des DLR-Berlin:
"Das sind Dünen. Solche gleichförmigen Strukturen kennen wir von der Erde auch." Indirekt bestätigt dies auch Sven Knuth von der deutschen Sektion der Mars Society, der dem Phänomen nichts Sensationelles abgewinnen kann:
Ich bin mir recht sicher, dass dies natürliche Formationen sind. Von einer rein wissenschaftlichen Herangehensweise betrachtet, sollte man immer die naheliegendste Erklärung für ein Phänomen finden, solange nicht etwas anderes bewiesen ist. Auf der Erde sind genügend geologische oder andere Effekte bekannt, die auch recht gleichförmige Strukturen erkennen lassen.
Etwas anders sieht dies Dean R. Wetmore von der Independent Mars Research Group (IMRS). Er glaubt, dass auf den von der NASA veröffentlichen Bildern tatsächlich monolithartige Formen zu sehen sind. Wetmore, der zusammen mit seinen Teamkollegen das Phänomen eingehend analysierte, kommt zu einem interessanten, aber gewagten Fazit
The initial image looked like a pyramid complex, but not quite. The shadows were all off. After looking at the non-map projected GIF, it started to become clear to me that these weren't pyramids; they were triangular, but on closer examination they looked like large monoliths (megaliths) that had been partially buried in the snow and sand just leaving the top corner exposed.
Spekulationen nehmen kein Ende
Gewiss, dass sich anno Domini 2001 der Vergleich zu Arthur Clarkes Bestseller geradezu aufdrängt (in dem Monolithen eine Schlüsselrolle spielen) und dass jetzt neue Theorien die marsianen geologischen Strukturen zu Artefakte außerirdischer Provenienz verklären, kann angesichts der zerfahrenen Diskussion um das Face of Mars nicht mehr verwundern. Während die NASA noch vor einem Monat - knapp 25 Jahre nach der ersten Aufnahme des Marsgesichts (Viking 1 funkte die Daten im Juli 1976 zur Erde) - ein neues Bild der berühmtesten nicht-irdischen Felsformation veröffentlichte, auf dem beim besten Willen von einem Gesicht nicht mehr die Rede sein kann, machen Gerüchte von einer böswilligen NASA-Mystifikation die Runde. Danach soll die NASA neben anderen Bildern auch das von Mars Global Surveyor am 8. April aufgenommene Foto, auf dem kein menschliches Antlitz, sondern nur eine hügelähnliche Struktur zu sehen ist, gefälscht haben. Die "echten" Aufnahmen halte die US-Raumfahrtbehörde unter Verschluss, so die Kritiker.
Natürlich sind auf der Suche nach weiteren interpretationsbedürftigen Objekten viele selbsternannte, zum Teil aber auch seriöse Experten angeblich mehrfach fündig geworden. Insbesondere Anhänger der Paläoastronautik glauben, dass auf dem Mars nicht nur künstlich gefertigte Pyramiden, sondern auch verlassene Siedlungen und Städte davon Zeugnis ablegen, dass dort einmal eine hochstehende Zivilisation heimisch war. Mögen solche Phantasien und Interpretationsansätze für sich allein stehen - immerhin lässt sich die Authentizität des NASA-Bildmaterials nicht in Abrede stellen. Die ungewöhnlichen Strukturen, die pyramidenähnlichen Objekte und andere seltsame geologische Phänomene, für die bislang noch keine schlüssige Erklärung vorliegt, sind auf der offiziellen Web-Site der MOC respektive der Mars Global Surveyor Mission aufgelistet. "Insofern bin ich einhundertprozentig von ihrer Authentizität überzeugt", glaubt auch Ernst Hauber.
Erdähnliche Strukturen auf dem Mars keine Seltenheit
Dabei sind bizarre Strukturen auf dem Mars nichts Ungewöhnliches, sondern meist das Ergebnis exogeologischer Umwälzungen. Neueste Fotos der Marsoberfläche zeigen, dass die Geologie des jungen Mars wesentlich dynamischer gewesen war als bislang angenommen. Einige Formen von Sedimentgesteinen, die die Marssonde aufspürte, erinnern stark an irdische Formationen, wie etwa den Grand Canyon oder die Painted Desert in den USA. Nachdem bereits im Juni dieses Jahres die MGS-Forschungssonde erste Hinweise für die Existenz von Wasser fand, liefert die sondeneigene Mars Orbiter Camera (MOC) derzeit neues Bildmaterial, das diese Vermutung zu untermauern scheint. Auf diesem sind frei liegende Felsen und massive Schichtformationen zu erkennen, die nach Ansicht der US-Forscher dafür sprechen, dass die Marsoberfläche vor 3,5 bis 4,3 Milliarden Jahren von Seenlandschaft überzogen gewesen sein könnte. Die geschichtete "Felsnasen" auf der Marsoberfläche bestehen möglicherweise aus Sedimentgestein, berichten Michael C. Malin und Kenneth S. Edgett vom Malin Space Science System in San Diego. Die gefundenen Schichten seien so regelmäßig, dass sie kaum ohne den Einfluss von Wasser entstanden sein könnten.
Einige der MOC-Bilder dieser Felsnasen zeigen mehrere Hundert Schichten mit identischer Dicke. Das ist ohne Wasser fast nicht zu erklären,
so Malin. Seiner Einschätzung zufolge versickerte das Wasser vermutlich in Kratern, die vor rund 3,5 Milliarden Jahren von Asteroiden in die Marsoberfläche geschlagen wurden
Kraterlandschaft mit natürlichen kegelartigen Objekten
Vor kurzem lieferte die MOC auch hochauflösende Aufnahmen von einer Kraterlandschaft in der Größe Kanadas, wo kegelartige Objekte mit einem Durchmesser von 20 bis 300 Meter an der Basis zu sehen sind. Aber anders als gewöhnliche Vulkane auf dem Mars zeigen die Pseudokrater keine Risse im Gestein. Die Lage der Kegelobjekte in der äquatorialen Region des Mars ist allerdings "ziemlich verwirrend", betont Peter Lanagan vom der University of Arizona in Tucson, der die Aufnahmen auswertete. Denn sie (die Lage) lässt vermuten, dass Wasser "in einer Region des Mars vorhanden war, wo wir eigentlich kein Wasser erwarten", so Lanagan. Die Krater auf dem Mars liegen in einem Gebiet, das während der letzten 10 Millionen Jahre von Lava überflossen wurde. Es weist zudem Kanäle auf, die auf die noch frühere Gegenwart von Wasser hindeuten. Dies lässt vermuten, dass in diesem Gebiet Wasser vorhanden war, als die Lava darüber floss.
Nächste Mission wird vieles klären
Zumindest werden wohl einige der mysteriösen Fragen und wilden Spekulationen alsbald ein abruptes Ende finden. Wenn am 24. Oktober dieses Jahres die 2001 Mars Odyssey-Sonde (Vgl.Auf der Suche nach Wasser und Spuren von marsianem Leben) in die Umlaufbahn des Roten Planeten einschwenkt und seinen Zielorbit erreicht, treten ein Gammastrahlen- und ein Infrarot-Spektrometer sowie ein Instrument zur Untersuchung der Strahlung in der Marsumgebung in Aktion. Das Gammastrahlen Spektrometer ist zusammen mit zwei Neutronen Detektoren in der Lage, zwanzig verschiedene Elemente auf der Marsoberfläche aufzuspüren. Selbst Wasserstoff kann bis in eine Tiefe von einigen Zentimetern geortet werden. In polnahen Gegenden könnte so Permafrost - im Boden gefrorenes Wassereis - aufgespürt werden. Doch auch die Kenntnis der Häufigkeiten der anderen Elemente wird viel über Mars und seine geologische Geschichte verraten. Mit Sicherheit wird diese Mission einige der bis dato so mysteriösen Gebilde näher unter die Lupe nehmen. Ob die Sonde demnächst jedoch wirklich sensationelles Bildmaterial zur Erde funkt, die Arthur C. Clarkes phantastische These bestätigt, wird sich zeigen. Prinzipiell sollte man jede Möglichkeit in Erwägung ziehen. Allerdings ist zu befürchten, dass die geheimnisvollen Objekte, die Paläoastronautik-Anhänger (und andere Gruppierungen) gerne als Monolithen, Pyramiden, Städte und Relikte einer untergegangenen außerirdischen Kultur deuten, just das gleiche Schicksal erleiden, welches dereinst das Marsgesicht ereilte: Es löste sich ganz einfach in Luft, besser gesagt in marsianem Gestein auf.
Beeindruckende aktuelle Bilder vom Mars