Rakete auf Krankenhaus in Gaza: Human Rights Watch stellt Ferndiagnose
Explosion bei Krankenhaus gibt weiter Rätsel auf. Human Rights Watch stärkt These zu palästinensischer Rakete. Wie arabische Medien reagieren und was die UN sagen.
Einen Monat nach einer verheerenden Explosion in einem Krankenhaus in Gaza-Stadt hat eine US-Organisation palästinensische bewaffnete Organisationen für diesen blutigen Zwischenfall verantwortlich gemacht. Nach einer Einschätzung der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) wurde eine Explosion Al-Ahli-Krankenhaus wahrscheinlich durch eine fehlgeleitete palästinensische Rakete verursacht.
Mit ihrem Bericht tritt HRW der vor allem in der arabischen Welt verbreiteten These entgegen, nach der die israelischen Streitkräfte für den Beschuss des Krankenhauses verantwortlich seien.
Zunächst hatte das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministeriums in Gaza behauptet, die israelische Armee habe das Krankenhaus mit einer Rakete beschossen und 500 Menschen getötet.
Israelische Offizielle wiesen dies entschieden zurück und machten einen fehlgeschlagenen Raketenangriff des Palästinensischen Islamischen Dschihad für die Explosion verantwortlich.
Allerdings wurden von israelischer Seite widersprüchliche Videobelege in Umlauf gebracht und in mindestens einem Fall nach Widerlegung durch User sozialer Netzwerke wieder gelöscht.
So wurde vom offiziellen X-Account der israelischen Regierung ein Tweet entfernt, in dem die bewaffnete Gruppe Islamischer Dschihad für die Explosion im Al-Ahli-Krankenhaus verantwortlich gemacht wurde.
Kurz nach Publikation löschte die Regierung das Video, das angeblich den Abschuss von Raketen durch die Gruppe zeigte.
Nutzer sozialer Medien hatten darauf hingewiesen, dass der Zeitstempel des Clips im Widerspruch zu der Behauptung stand, das Video zeige eine Salve von Raketen, von der ein Geschoss auf das Krankenhaus niedergegangen sei.
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Human Rights Watch erklärte in seinem Bericht nun erneut, die Explosion sei auf eine Rakete zurückzuführen, wie sie üblicherweise von bewaffneten palästinensischen Gruppen verwendet werde.
Allerdings fügte die regierungsnahe US-Organisation an, es seien weitere Untersuchungen notwendig, um festzustellen, wer die Rakete abgefeuert habe und ob das humanitäre Völkerrecht verletzt wurde.
Human Rights Watch ordnet eigene Darstellung ein
In dem Bericht heißt es dazu:
Human Rights Watch untersuchte die Explosion, indem öffentlich zugängliches Foto- und Videomaterial gesichtet, Satellitenbilder analysiert, fünf Zeugen des Vorfalls und seiner Folgen befragt, von anderen Organisationen veröffentlichte Analysen durchgesehen und Experten konsultiert wurden.
Die Fernanalyse bewertete die Explosion und die Schäden vor Ort sowie mehrere mögliche Flugbahnen der Objekte, die auf den zum Zeitpunkt des Angriffs aufgenommenen Videos zu sehen waren, die auch die Momente vor und nach der Explosion im Krankenhaus zeigten.
Human Rights Watch
"Man konnte nirgendwo hingehen, weil überall Leichenteile, Verletzte und Sterbende lagen", zitiert die Organisation einen Journalisten, der, wie sie angibt, eine Stunde nach der Explosion im Krankenhaus eingetroffen sei: "Die Menschen am Tatort waren hauptsächlich Kinder, ältere Menschen und Frauen."
Nach Darstellung der US-Organisation hat es "keine öffentlich zugänglichen Bilder von Munitionsresten" gegeben. Auch sei Human Rights Watch nicht in der Lage gewesen, den Ort der Explosion zu sichten.
In dem HRW-Bericht heißt es, die Rakete habe entgegen ersten Berichten nicht direkt das Krankenhaus getroffen, sondern sei in einem Hof auf dem Krankenhausgelände eingeschlagen.
Die Analyse von Videomaterial zeige, dass eine Rakete von etwa fünf Kilometern südwestlich des Krankenhauses abgefeuert worden sei, so HRW.
Die US-Organisation mochte die von den örtlichen Behörden genannte hohe Opferzahl von 500 Menschen nicht bestätigen.
Zugleich wies HRW darauf hin, dass die Raketen der Hamas und des Palästinensischen Islamischen Dschihad ungenau seien und anfällig für Fehlzündungen. Dadurch gefährdeten sie wahllos Menschenleben, wenn sie auf zivile Gebiete gerichtet werden.
Die israelische Darstellung wurde von den USA, Kanada und Frankreich gestützt. US-Geheimdienstmitarbeiter haben an, die Explosion sei "höchstwahrscheinlich" durch eine palästinensische Rakete verursacht worden. US-Präsident Joe Biden schloss sich dieser Ansicht an.
Das kanadische Verteidigungsministerium und der französische Militärgeheimdienst kamen ebenso zu der Schlussfolgerung, dass das Krankenhaus nicht von Israel getroffen wurde, sondern von einer palästinensischen Rakete.
Kaum Resonanz in arabischen Medien
Während dem Bericht von Human Rights Watch in westlichen Medien große Bedeutung beigemessen wurde, spielte er in arabischen Medien kaum eine Rolle. Weder der in Doha. Katar, ansässige Sender Al Dschasira noch der aus Dubai sendende Al Arabiya räumten der Nachricht großen Platz ein.
Indes hat das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (Ocha) seit Beginn der israelischen Angriffe auf Gaza auf die Beeinträchtigung völkerrechtlich geschützter Einrichtungen hingewiesen. Im jüngsten Update heißt es dazu:
Am 23. November, gegen 22:00 Uhr, traf ein israelischer Luftangriff Berichten zufolge das indonesische Krankenhaus in Beit Lahia (Nord-Gaza) und zerstörte dessen Generator. Anschließend stürmten israelische Truppen das Krankenhaus. Berichten zufolge wurde mindestens eine Frau getötet und drei Patienten wurden festgenommen. Die Truppen verließen die Einrichtung im Morgengrauen. Das Krankenhaus ist nicht betriebsbereit.
Hostilities in the Gaza Strip and Israel | Flash Update #49
Am 24. November hätten sich die israelischen Streitkräfte auch aus dem Gelände des Schifa-Krankenhauses in Gaza-Stadt zurückgezogen, wo sie neun Tage lang Operationen durchgeführt hatten.
Vor dem Abzug zerstörten die israelischen Streitkräfte Berichten zufolge einen Tunnel, den sie unter dem Gelände gefunden hatten; auch Sauerstoffleitungen und Generatoren sollen zerstört worden sein. Schätzungsweise verblieben 250 Patienten und Mitarbeiter im Schifa-Krankenhaus, das derzeit nicht in Betrieb sei, so Ocha weiter.
Das UN-Gremium verweist darauf, dass von den 24 Krankenhäusern, die vor dem Krieg im Norden des Gazastreifens betrieben waren, schätzungsweise nur noch vier kleine dieser Einrichtungen funktionieren und können neue Patienten aufnehmen.
Von den 11 medizinischen Einrichtungen im Süden sind derzeit acht in Betrieb. Die Bettenkapazität im gesamten Gazastreifen ist von 3.500 vor dem Krieg auf derzeit 1.400 gesunken, obwohl die Zahl der Behandlungssuchenden stark angestiegen ist. Nur eines der derzeit funktionierenden Krankenhäuser im Süden kann nach Angaben der WHO kritische Traumafälle behandeln oder komplexe Operationen durchführen.
Ocha
Die UN-Stelle weist darauf hin, dass Krankenhäuser und medizinisches Personal unter dem besonderen Schutz des humanitären Völkerrechts stehen, und alle Konfliktparteien ihren Schutz gewährleisten müssen.
"Krankenhäuser dürfen nicht dazu benutzt werden, militärische Ziele vor Angriffen zu schützen. Bei jeder Militäroperation in der Nähe oder innerhalb von Krankenhäusern müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die Patienten, das medizinische Personal und andere Zivilisten zu schonen und zu schützen", heißt es in dem Update zur Lage in Gaza.
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