Raketenangriff auf Riad und Patriot-Propaganda
Die nächste Huti-Rakete wurde angeblich vom US-Raketenabwehrsystem abgefangen. Aber es gibt Zweifel. Mit der Verlässlichkeit der Abwehr steht viel auf dem Spiel
Es gibt das virtuelle Propaganda-Duell zwischen Iran und Saudi-Arabien, mit einem Spektrum von Abstufungen, und den Schlagabtausch mit echten Waffen. Bei den militärischen "Animations"-Videos, die Ahwaz Voice für Iran und vermutlich saudi-arabische Medienschaffende für den Gegenspieler auf YouTube platziert haben, ist der iranische Kriegskurzfilm graphisch und technisch eindeutiger Sieger.
Riad darin wird zerstört, die King Khalid-Air-Base, das Ghawar-Ölfeld. Das Patriot-Raketenabwehrsystem hat keine Chance gegen unzählige abgefeuerte treffsichere Raketen. Es ist kein wirklicher Gegner.
Das saudi-arabische Gegenstück ist graphisch simpler gestrickt.
Aber das Finale ist überraschender. Am Ende marschieren saudi-arabische Truppen in Teheran ein. Plakate des Kronprinzen Mohammed Bin Salman werden hochgehalten.
Im echten Leben ereignete sich heute ein weiterer Raketenangriff auf Riad. Die Nachricht wurde im Sender al-Arabija damit überschrieben, dass die "Huthi"-Rakete abgefangen wurde. Zwangsläufig gab es darauf schnelle Gegenreaktionen auf halbvirtueller Stufe.
Auf Twitter veröffentlichte der Journalist und Luftwaffentechnik-Spezialist Babak Taghvaee raketenschnell Bilder und Kurzinfos, die der Story von den abgefangenen Missiles widersprachen. Der Clip einer von Laien nicht zu identifizierenden Wolke im blauen Himmel wird von der Erklärung begleitet, wonach 5 Raketen des Patriot-Systems der saudischen Luftwaffe gegen eine Burkan/Qiam-Rakete über Riad abgefeuert wurden.
Die Abwehrraketen verfehlten demnach ihr Ziel. Die Huthi-Rakete flog unbehelligt weiter. Wie auch die Angriffsrakete ihr Ziel verfehlte. Babak Taghvaee hat noch in einen weiteren Clip in petto. Es handelt sich um verwackelte Amateuraufnahmen von Menschen, die auf ein Loch in einem schuppenähnlichem Gartenhäuschen zeigen, worin angeblich der Gefechtskopf der Huthi-Rakete gelandet ist.
Was ist nun irrer? Die game-ähnlichen Kriegsvideos auf YouTube, die möglicherweise surreale Behauptung des vom saudischen Königshaus finanzierten Senders, wonach die Rakete erfolgreich abgefangen wurde oder der abgedrehte Witz mit der Huthi-Rakete im saudischen Gartenhäuschen?
Nach Aussage eines Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP, welche die FAZ wiedergibt, gab es gegen Mittag eine laute Explosion in Riad. Zitiert wird auch eine Angabe des "Huthi-nahen Senders Al Masirah", wonach die Aufständischen einen Flugkörper abgeschossen hätten.
Als die US-Botschafterin bei der UN, Nikki Haley, vergangenen Donnerstag auf einer Militärbasis bei Washington ihren Zuhörern eine riesige Röhre und allerhand kleine Teile präsentierte, sprach sie von "konkreten Beweisen", die dokumentieren sollen, das Iran hinter dem Raketenangriff auf den King-Khalid-Flughafen in Riad Anfang November steckt.
Bei der großen Röhre handelte es sich nach Angaben der US-Botschafterin um einen Teil dieser Rakete, die am 4. November vom Jemen aus über 1.000 Kilometer weit zum internationalen Flughafen in Riad abgefeuert wurde. Das Video zur Beweisführung Haleys, wonach hier eindeutig die Handschrift Irans abzulesen sei, dauert über 20 Minuten.
Die Antwort von iranischen Spitzenvertretern fiel dagegen sehr kurz aus. Er habe sich an den legendären Power-Point-Auftritt von Powell in der UN erinnert. Die Beweise von Powell, die den Einmarsch von US-Truppen und Verbündeten im Irak vorbereiteten, stellten sich später als fadenscheinig und Irreführung heraus.
Haleys Anschuldigungen lösten da und dort einen Streit unter Experten aus, welchen Typs oder Bauart die Rakete genau sei, ob sie tatsächlich von Iran aus nach Jemen geschmuggelt werden konnte oder dort fabriziert wurde. Welche Hand Iran hier im Spiel hat oder eben nicht hat, wurde zum Streitpunkt. Haley hatte ihre Präsentation auch mit der politischen Botschaft verquickt, dass sich die "internationale Gemeinschaft einer geeinten Front gegen diese globale Bedrohung" (gemeint war Iran, Anm. d. Verf.) anschließen solle.
That's how good we are. Nobody makes what we make, and now we're selling it all over the world.
US-Präsident Trump
Tatsächlich lagen aber noch ganz andere Gewichte auf dem Tisch. Die Frage, ob Raketen aus dem Jemen die Zivilbevölkerung in Saudi-Arabien bedrohen, und wie groß der Schutz des Patriotraketenabwehr-Systems in Wirklichkeit ist. Zeigt sich nämlich, dass die Patriots bei weitem nicht das liefern, was Trump verspricht, so hat das nicht nur schwere Auswirkungen auf das Verkaufsgeschäft, sondern auch auf das Sicherheitsgefühl der Kunden im Nahen Osten und in Europa. Die Luftabwehrsysteme aus Russland sind derzeit gefragter, so der Eindruck.
Geht es nach Meldungen von US-Medien, so war das Abwehrverhalten des Patriot-Systems Anfang November nicht zufriedenstellend. Gut möglich, dass dies auch heute der Fall war.
Sicher ist dagegen, dass saudische Angriffe auf den Jemen sehr viel Schaden anrichten. Laut Recherchen der Journalistin Iona Craig, sind saudische Luftangriffe zielgenau und systematisch auf Bauern und Fischer ausgerichtet. Nach dem Raketenangriff auf den Flughafen bei Riad verschärfte Saudi-Arabien die Blockade des Jemen, wo mehrere Millionen Menschen auf die Einfuhr von Nahrungsmitteln angewisen sind.