Rechte Ökologen
Die Diskussion um die Rückgabe des Herbert-Gruhl-Preises sollte auch für die Jugendumweltbewegung Anlass sein, sich mit den rechten Gedankengut in großen Teilen der Umweltbewegung zu befassen
Der Herbert-Gruhl-Preis ist wenig bekannt und hat auch wenig Bedeutung. Daher sorgte es auch erst für Pressemeldungen, als der Grünenpolitiker Reinhard Loske [1] und sein CSU-Kollege Josef Göppel [2] den ihnen verliehenen Preis zurückgeben haben.
In einem Interview mit der Taz [3] begründete Loske diesen Schritt so:
Wir haben den Preis zurückgegeben, weil wir sehen, dass die Ideen von Herbert Gruhl heute von der Gesellschaft, die seinen Namen trägt, politisch missbraucht, extrem tendenziös interpretiert und für nationalistische, populistische und teils sogar völkische Zwecke instrumentalisiert werden. Nach intensivem Studium der aktuellen Webseite der Herbert-Gruhl-Gesellschaft kommen wir zu dem Ergebnis, dass diese Gesellschaft mittlerweile offenkundig zu einer Art Tarnorganisation der AfD geworden ist.
Reinhard Loske, Taz
Nun reicht tatsächlich schon ein kurzer Blick auf die Homepage der Herbert-Gruhl-Gesellschaft [4], um die Rechtslastigkeit zu bemerken. Da beschwert sich der AFD-Landtagsabgeordnete von Baden-Württemberg Bernd Grimmer über Linke, die vor 40 Jahren aus den Grünen eine Linkspartei gemacht hätten [5].
Herbert Gruhl kannte keine Abgrenzung nach Rechtsaußen
Wenn er aber darauf verweist, dass der Mitbegründer der Grünen Herbert Gruhl sich heftig gegen den Linksruck wehrte und bald die Grünen verließ, um erst die ökokonservative ÖDP [6] zu gründen und in seinen letzten Jahren mit den Unabhängigen Ökologen Deutschland [7] eine weitere Rechtsabsspaltung zu initiieren, hat er Recht.
Die UÖD hatte noch wesentlich weniger Berührungsängste vor rechtsaußen als die ÖDP, die sich nach dem Austritt von Gruhl weniger inhaltlich als kulturell von den Grünen unterschieden hat. Gruhl trennte sich von der ÖDP, weil er deren Abgrenzungsbeschlüsse nach rechts [8] ablehnte. Die sind schließlich auch erfolgt, weil Gruhl keine Berührungsängste nach rechtsaußen kannte und sich mit ultrarechten Mitstreitern wie Baldur Springmann und Alfred Mechtersheimer umgab.
Daher ist es gar nicht so verwunderlich, wenn eine Gesellschaft, die sich im Namen auf Gruhl beruft, auch nicht von der AfD abgrenzt. Verwunderlicher ist schon, dass Loske und Göppel erst Probleme mit dem Preis bekamen, als sich in der Gruhl-Gesellschaft positive Bezugnahmen auf die AfD häuften. In dem Taz-Interview machte Loske noch einmal deutlich, dass er auch weiterhin kein Problem mit Herbert Gruhl hat.
Was sind die zu bewahrenden Gedanken von Herbert Gruhl?
Gruhl hat als CDU-Bundestagsabgeordneter und früher Wachstumskritiker die ökologische Debatte über Deutschland hinaus entwickelt und geprägt wie nur wenige Zeitgenossen. Vor allem hat er immer wieder betont, dass es nicht nur um andere Technologien, sondern auch um Mäßigung geht, nicht nur um "grünes Wachstum", sondern auch um Kulturwandel. Seine These lautete, dass ökologische Ideen nicht links, nicht rechts, sondern vorn sind. Es ist für uns nicht hinnehmbar, dass sein Denken in braune Gewässer geleitet werden soll.
Reinhard Loske, Taz
Dabei hat die linke Ökologin Jutta Ditfurth [9] bereits in den 1980er Jahren sehr gut herausgearbeitet, dass Gruhl mit vielen rechten Ökologen die Annahme teilte, dass das Bevölkerungswachstum das eigentliche Problem für die Umwelt ist. Natürlich hatte auch Gruhl wie viele rechte Ökologen vor allem das Bevölkerungswachstum im globalen Süden im Visier. Auch davon mag sich Loske bis heute nicht klar distanzieren. Von der Taz auf Gruhls rechte Anschauungen angesprochen sagte er:
Ja, zum Ende seines Lebens hin, er ist 1993 gestorben, hat Gruhl eine sehr kulturpessimistische Weltsicht entwickelt. Die prägte auch die "Himmelfahrt ins Nichts". Er war ob der vielen Vergeblichkeitserfahrungen verbittert und sah keine Hoffnung mehr. Der Kollaps durch die ökologische Krise hatte für ihn zum Schluss leider etwas Zwangsläufiges. Aber das schmälert in keiner Weise seine Leistungen als Autor eines der wichtigsten deutschen Bücher zur globalen Umweltkrise ("Ein Planet wird geplündert" von 1975), als BUND-Vorsitzender, Widersacher von Helmut Kohl in der CDU und Grünen-Gründer. Mit so einem Schmarrn wie der krausen AfD-Ideologie hätte er wohl nichts zu tun haben wollen.
Reinhard Loske, Taz
Da hätte Loske doch mal erklären müssen, wo sich Gruhls Kampf gegen das Bevölkerungswachstum als Umweltschutzmaßnahme von Verlautbarungen von AfD-Politikern unterscheidet, die auch die Umwelt als Argument für ihre migrationsfeindliche Position heranziehen.
Loske macht mit seinen Ausführungen noch einmal ein Dilemma der bürgerlichen Positionen gegen rechts offenbar. Gegen die AfD zieht man klare Kante, weil man doch die rechten Positionen besser in der eigenen Partei vertreten sehen will. Ein Reinhard Loske, der sich schon in den 1980er Jahren als klarer Antipode gegen linke Grüne wie Jutta Ditfurth erwies, wird dann noch als Kämpfer gegen rechts gefeiert, weil er einen Preis zurückgibt, der durch die Rückgabe überhaupt erst einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde.
Dagegen sei noch immer an eine Kolumne [10]erinnert, in der Jutta Ditfurth 1992 prägnant die Positionen von Gruhl und seinen Anhängern auseinandernahm
Herbert Gruhl, der ein Bundesverdienstkreuz von der rosagrünen niedersächsischen Landesregierung erhielt, empfiehlt als "ökologisches Rezept" gegen "Menschenlawinen" und "Überbevölkerungsfluten": "Die einzige Währung, die hier gilt und in der Verstöße gegen die Naturgesetze beglichen werden können, ist der Tod, er schneidet alles Leben, das auf diesem Planet auswuchert, wieder zurück." Weil nur die "Menschen des Abendlandes zur Geburtenkontrolle fähig" sind, bleibt - so zitiert Gruhl zustimmend - letztlich nur Gewalt: "Für einige überfüllte Populationen mag ... sogar die Atombombe eines Tages keine Drohung mehr sein, sondern Befreiung."…
Jutta Ditfurth, Taz
Rechte Ökologie beginnt, wo der Mensch zum Feind der Natur erklärt wird
Wer einen solchen Mann verteidigt, kann auch sich auch dann nicht als Kämpfer gegen rechts feiern lassen, wenn er einen Preis zurückgibt, den sowieso kaum jemand kennt.
Gerade die aktuelle Jungumweltbewegung, in der viele irrationale Elemente notwendigerweise enthalten sind, sollte sich mit der linken Kritik an Gruhl und vielen anderen Ökologen beschäftigen. Denn damit wird deutlich, dass rechtes Gedankengut nicht erst da beginnt, wo AfD draufsteht, sondern wo man den Menschen zum Feind der Natur erklärt, der möglichst keine Spuren hinterlassen sollte.
URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-4789064
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.loske.de
[2] https://goeppel.de
[3] https://taz.de/Reinhard-Loske-ueber-Gruhl-Gesellschaft/!5692611/
[4] http://herbert-gruhl.de/
[5] http://herbert-gruhl.de/mdl-bernd-grimmer-zu-40-jahre-gruene/#more-702
[6] https://www.oedp.de/partei/geschichte/geschichte-der-oedp/die-anfaenge-der-oedp/
[7] https://www.apabiz.de/archiv/material/Profile/UOED.htm
[8] https://www.oedp.de/fileadmin/user_upload/bundesverband/programm/programme/Abgrenzung.pdf
[9] http://www.jutta-ditfurth.de
[10] https://taz.de/!1640493/
Copyright © 2020 Heise Medien