Rechter Kulturkampf gegen die Klimakrise
Seite 2: US-Politik: Massiv ungleiche Medienaufmerksamkeit
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2015, als die Kandidaten Bernie Sanders und Donald Trump ähnlich hohe Zustimmungswerte in den USA hatten, erhielt Trump auf einem der größten TV-Networks, nämlich ABC, 240 Mal mehr Aufmerksamkeit als Sanders, über den im gesamten Jahr 2015 nur 20 Sekunden lang berichtet wurde. Auch für 2016 war das Verhältnis extrem ungleich: 434 Minuten vs. 26 Minuten.
Die Nachrichten zum Wahlkampf blieben dabei von substanziellen Themen gereinigt. Das gilt auch für die deutschen Medien, die sich fast ausschließlich auf das Horse Race konzentrierten.
Die Folge dieser Election Extravaganza (Noam Chomsky) war schließlich ein rassistischer, sexistischer und egomanischer Milliardär im mächtigsten Amt der Welt, der den Klimawandel für ein Märchen hält und jegliche Gegenmaßnahmen zu verhindern trachtet. Die liberalen Medien vergossen am Ende Tränen über ein Monster, das sie selbst genährt hatten.
Unterstützt von der Republikanischen Partei konnte Trump daran gehen, seine Energiepolitik durchzusetzen: "Wir werden die in Amerika schlummernden Schiefer-, Erdgas-, Öl- sowie für Hunderte Jahre reichenden Kohlevorkommen im Wert von 50 Billionen Dollar fördern und nutzen."
Nach seiner Wahl gingen die Kurse für fossile Energieunternehmen in den USA steil nach oben. Die Botschaft war unmissverständlich: Die Trump-Regierung will den Planeten verbrennen. Eine gute Nachricht für die Profiteure von Exxon, Chevron, General Motors & Co. wie auch die Finanziers der fossilen Brennstoffindustrie wie JP Morgan Chase, Bank of America oder die Deutsche Bank.
Während Medien wie die New York Times sich über die infantilen Lügen des Präsidenten beschwerten, priesen sie auf den Wirtschaftsseiten das Anliegen der Regierung, die USA mit eigenen fossilen Ressourcen unabhängig zu machen.
Auch Obama brüstete sich mit seinen Erfolgen. Im November 2018 verkündete er vor einem texanischen Publikum, dass die USA während seiner Amtszeit Russland und Saudi-Arabien als größter Öl- und Gasproduzent überholt haben. "Das war ich, Leute!"1
Auch in Europa spielte Klimaschutz seit dem Paris-Abkommen weiter keine Rolle in der politischen Öffentlichkeit. Der damalige SPD-Abgeordnete Marco Bülow untersuchte zum Beispiel 204 Sendungen der fünf relevantesten Polit-Talkshows in den Öffentlich-Rechtlichen (Maischberger, Anne Will, Hart aber fair, Jauch und Maybrit Illner) für den Zeitraum von Oktober 2015 bis März 2017:
So wichtig einige Themen sicher waren und sind, niemand kann rechtfertigen, dass in 1,5 Jahren jede vierte Sendung speziell das Thema Flüchtlinge behandelt und sich fast jede zweite Sendung generell mit dem Themenkomplex Flüchtlinge, Islam, Terror/IS, Populismus/Extremismus befasst hat. (…) Klimawandel kam sogar gar nicht vor. Das ist nicht nur bedenklich, sondern prägt die öffentliche Debatte sehr einseitig. Die Themenauswahl spiegelt absolut nicht die tatsächlichen Probleme in unserer Gesellschaft wider und stellt damit ein Zerrbild der Wirklichkeit dar.
Marco Bülow
Auch im Bundestagswahlkampf 2017 war Klimapolitik so gut wie kein Thema. Von den 95 Minuten des TV-Duells zwischen Angela Merkel und Martin Schulz fiel rund die Hälfte auf die Flüchtlings- und Asylsituation. Klimaschutz kam dagegen gar nicht zur Sprache.
Mit der "Flüchtlingskrise" beherrschte ein AfD-Thema die Presse
In der Presse insgesamt wurde das Thema seit 2015 nur 230.000 Mal aufgebracht und damit etwa achtmal weniger als die sogenannte Flüchtlingskrise, auf die man im selben Zeitraum rund 1,8 Millionen Mal verwies.
In den Sommerinterviews von ARD und ZDF 2018 nahm der Komplex Flucht, Asyl und Migration weiter mehr als ein Drittel der Redezeit ein. Die Journalisten stellten keine einzige Frage zum Klimawandel (wie auch viele andere wichtige Themen, etwa Armut, kaum Aufmerksamkeit erhielten).
Die AfD wurde zur großen Gewinnerin des politisch-medialen Spektakels. Sie konnte sich bei der Wahl um rund acht Prozent auf 12,6 steigern, obwohl sie sich Ende 2015 bereits auf dem Sinkflug befunden hatte.
Was den Erfolg ermöglichte, war aber nicht der Flüchtlingszuzug, wie der Jahresbericht 2018 des Mercator Forums Migration und Demokratie feststellt, sondern die anhaltend alarmistische Stimmung, die von Medien und Politik mit Blick auf unsichere Grenzen und Integrationsprobleme erzeugt wurde.
Vor diesem Hintergrund konnte die AfD Wähler mobilisieren und sich dauerhaft in der politischen Landschaft etablieren, während der Zuzug der Flüchtlinge in den Jahren abnahm, Kriminalität weiter sank und alle wirtschaftlichen Indikatoren (Wachstum, Nettoreallöhne, Beschäftigung etc.) nach oben zeigten.
Die AfD benutzte ihren gewachsenen Einfluss auch, um gegen die Klimaschutzpolitik mobil zu machen, Zweifel am anthropogenen Klimawandel zu säen, Halbwahrheiten zu verbreiten und Umweltschützer zu diffamieren. In den USA hatte die Trump-Kampagne vorgemacht, wie man eine reale durch eine Fake-Bedrohung ersetzt.
Trump hetzte gegen Latinos und Muslime, die das Land überschwemmen und Verbrechen sowie Vergewaltigungen einschleppen. Er wusste aufgrund früherer Twitter-Testballons, dass damit Stimmung gemacht und Stimmen gewonnen werden konnten.
Denn die neoliberale Politikwende seit Ronald Reagan in den 1980er-Jahren hatte viel Frust in der Bevölkerung aufgestaut. Berechtigte Wut gegenüber der politisch beschleunigten Ungleichheit, grassierenden Armut und Perspektivlosigkeit wurde jetzt auf Minderheiten und Andersdenkende umgelenkt.
Klimaschutz erhielt das Image einer Marotte elitärer Ökos und linker Gutmenschen, die den einfachen Arbeiter:Innen die Jobs wegnehmen. Der Republikaner Trump entzündete erfolgreich eine Art rechten Kulturkampf, der auch deswegen zu einem Flächenbrand führte, weil die Demokraten ihm nichts entgegensetzen konnten.
Vergleichbare Strategien waren in EU-Staaten bei rechtsradikalen Parteien, Populisten und ihren Wahlerfolgen zu erkennen, von Ungarn, Polen und Österreich über Italien und den Niederlanden bis hin zu Dänemark und Schweden.
Auch dort herrschte sozialer Frust und politische Wut, die nun auf Flüchtlinge, Linke und "Umweltfuzzis" gerichtet wurde. Große Parteien wie Leitmedien akzeptierten nicht nur die Themensetzung der Populisten, sie wirkten aktiv an der politischen Verschiebung mit, um sich gleichzeitig über den Rechtsruck zu beklagen.
Klimaschutz und Energiewende kamen dabei fast vollständig unter die Räder. Die Bürger, die Normalverdiener, die Unterschichten, das Land insgesamt hätten andere, dringendere Probleme, so die Behauptung.