Rechtsextreme oder Spinner – warum das bei Reichsbürgern die falsche Frage ist
- Rechtsextreme oder Spinner – warum das bei Reichsbürgern die falsche Frage ist
- CeMAS-Report: Die Lücken in der Analyse der Reichsbürgerbewegung
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Ihre Ideologie ist ultrarechts, zentrale Akteure sind Abzocker. Von Corona profitierten sie, heißt es in einem neuen Report. Warum, bleibt darin rätselhaft. Ein Kommentar.
Das Milieu der "Reichsbürger" ist im Zuge der Corona-Krise gewachsen und sich in den vergangenen Jahren weiter radikalisiert. In jüngster Vergangenheit habe sich dem waffenaffinen Milieu auch Personal aus Militär, Polizei und Politik angeschlossen – dadurch erhöhe sich "die Gefahr, dass Umsturzpläne in die Realität umgesetzt werden könnten", warnt das Center für Monitoring, Analyse & Strategie (CeMAS) in einem neuen Report.
Unabhängig davon, ob die Szene dafür wirklich stark genug ist, wird zu Recht kritisiert, dass sie von deutschen Ermittlungsbehörden und Politik nicht eindeutig der extremen Rechten zugeordnet wird. In Verfassungsschutzberichten tauchen "Reichsbürger und Selbstverwalter" als eigene Kategorie auf.
86 Prozent aller registrierten Straftaten dieses Personenkreises tauchen in der Statistik des Bundeskriminalamts nicht im Phänomenbereich "rechts" auf, sondern als gelten als "nicht zuzuordnen".
Die Ideologie zentraler Akteure ist aber zweifellos ultrarechts, autoritär und antisemitisch – abgesehen davon, dass sie zum Teil gewiefte Geschäftsleute sind und im Kleinen genau die Übel des Kapitalismus verkörpern, die sie mehr oder weniger verklausuliert dem Weltjudentum anlasten.
Die widersprüchliche Ideologie der Reichsbürger
Verschiedene Strömungen der "Reichsbürger" gehen wahlweise vom Fortbestand des Deutschen Reiches im Status von 1937, 1914 oder auch 1871 aus, betrachten das Grundgesetz als ungültige Fake-Verfassung und sprechen von der Bundesrepublik mitunter als "BRD GmbH". Vereinzelt werden auch kleinere fiktive Königreiche gegründet, darunter das "Königreich Deutschland" unter Peter Fitzek in Wittenberg.
Ihre Vorstellung von einem Staat, den sie anerkennen, fällt jedenfalls weit hinter die heutige bürgerliche Demokratie zurück. Es geht im Kern um Ungleichheit und Hierarchien – und die gibt es auch innerhalb der Szene reichlich, hauptsächlich zwischen Abzockern und Abgezockten.
Manche ihrer Lokalkönige und Bewegungsunternehmer haben mit fiktiven Ausweisdokumenten für Reichsbürger und erfundenen "Gebühren" gutes Geld verdient, was aber auch heißt, dass es in der Szene durchaus "arme Spinner" oder – freundlicher ausgedrückt – verwirrte Leute mit psychosozialen Problemen gibt, die dort finanziell oder anderweitig ausgenutzt werden.
Ausbeutung und Betrug innerhalb der Reichsbürger-Szene
Den Ton geben aber andere Kaliber an, die in ihrer Ideologie gefestigt sind oder sie zumindest als Geschäftsmodell konsequent verfolgen.
Anschaulich beschrieben hat das der Investigativjournalist Tobias Ginsburg in seinem Buch "Die Reise ins Reich", das 2018 in erster Auflage erschienen ist. Ginsburg leugnet dabei keineswegs die Gefährlichkeit der Zentralfiguren, liefert aber eben auch Einblicke, die im CeMAS-Report zu kurz kommen, aber für die Präventionsarbeit wichtig wären.
Auf den ersten Blick ist es erstaunlich, dass die Szene auch für Menschen attraktiv geworden ist, die wahrscheinlich weder im Kaiserreich noch im "Dritten Reich" gut zurechtgekommen wären.
Die unerwartete Anziehungskraft der Reichsbürgerbewegung
Das zeigte sich vor allem, als bei den Corona-Protesten sowohl das "Reichsbürger"-Milieu als auch ein bis dato eher antiautoritärer und linksalternativer Personenkreis vertreten waren. Die Gemeinsamkeit bestand in der Ablehnung der aktuellen (!) staatlichen Autoritäten, deren Pandemiepolitik als übergriffig empfunden wurde.
Interessant wäre es, zu wissen, wie all diese Menschen auf das Reichsimpfgesetz von 1874 reagiert hätten – und welcher Anteil des heutigen Reichsbürger-Fußvolks überhaupt davon weiß. Wie hat die Szene es geschafft, aus den staatlichen Corona-Maßnahmen, der politischen Krisenkommunikation und entsprechenden Promi-Äußerungen Kapital zu schlagen?
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