Reformbedarf für einen zukunftsfähigen Strommarkt
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Regionen mit besonders vielen Solar- und Windparks oft mit besonders hohen Strompreisen. Neugestaltung des Strommarktes könnte Widerspruch beheben. Bundesregierung will zunächst die Netzentgelte reformieren.
Sonne und Wind liefern Energie und schicken keine Rechnung. Demnach müsste Solar- und Windstrom immer preisgünstiger werden, wenn der Markt für Solar- und Windenergieanlagen weiter wächst und die Preise sinken. Vor allem in Regionen, in denen Solar- und Windstrom geradezu im Überfluss erzeugt wird, wären niedrige Strompreise zu erwarten. Doch so einfach ist es nicht.
Der Grund dafür liegt im sogenannten Strommarkt-Design. Der deutsche Strommarkt ist so gestaltet, dass an der Strombörse in Leipzig für ganz Deutschland ein einheitlicher Großhandelsstrompreis ermittelt wird. Strom wird hier so gekauft und verkauft, als ob er ohne technische Beschränkungen von einem beliebigen Windpark im Norden und Osten an jedes Industrieunternehmen im Südwesten geliefert werden könnte.
Diese Marktgestaltung entspricht allerdings nicht der technischen Wirklichkeit: Denn in den deutschen Stromnetz-Regionen stellen sich immer wieder sehr unterschiedliche Verhältnisse von Angebot und Nachfrage ein.
Strom-Überschüsse und Leitungsengpässe
Im Norden und Osten gibt es oft einen hohen Überschuss an Solar- und Windstrom, während die großen Verbrauchszentren im Südwesten eher einen Strommangel verzeichnen. Der Überschuss-Strom müsste nun also in die Mangelregion transportiert werden. Doch diesem umfangreichen Stromtransport stehen Leitungsengpässe im überregionalen Höchstspannungs-Netz entgegen, die nur sehr langsam und zu hohen Kosten behoben werden können.
Damit die Strombörse dennoch einen einheitlichen Großhandels-Strompreis für alle deutschen Netzregionen ermitteln kann, müssen diese Engpässe in der technischen Wirklichkeit ausgeglichen werden.
Dazu dient vor allem der Redispatch. Dieses Instrument ermöglicht den virtuellen Stromtransport über einen Leitungsengpass, wenn im Großhandel wieder einmal mehr Strom verkauft worden ist, als über die vorhandenen Leitungen tatsächlich transportiert werden kann.
Beim Redispatch fahren Marktkraftwerke, die sich vor dem Engpass befinden, ihre Stromeinspeisung herunter. Hinter dem Engpass heben gleichzeitig andere Marktkraftwerke ihre Stromeinspeisung an. Reichen die dafür eingesetzten in- und ausländischen Marktkraftwerke dafür nicht aus, kommen auch noch in- und ausländische Reservekraftwerke zum Zug.
Für diese Aktionen erhalten die Betreiber der Markt- und Reservekraftwerke spezielle Vergütungen. Unterstützt wird diese Praxis außerdem durch geeignete Börsengeschäfte im Strom-Großhandel, die im Fachenglisch als Countertrading bezeichnet werden.
Ein weiteres Instrument, mit dem der deutsche Strommarkt und die Netze stabilisiert werden, ist das Einspeisemanagement für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und aus Anlagen mit Kraftwärme-Kopplung. Dabei regeln Netzbetreiber die Stromeinspeisung aus diesen Anlagen gegen Entschädigung ab, wenn es regionale Netzengpässe gibt.
Redispatch, Countertrading und Einspeisemanagement dienten ursprünglich vor allem dem Zweck, kleinere Unregelmäßigkeiten in den Netzen und Systemen auszugleichen und so die technische Sicherheit zu gewährleisten. Deshalb wurden sie von der Bundesnetzagentur zunächst unter dem Sammelbegriff "Netz- und Systemsicherheit" zusammengefasst.
In den vergangenen Jahren hat sich der Zweck dieser Maßnahmen allerdings zunehmend dahin verschoben, die wachsenden Engpässe im Höchstspannungsnetz auszugleichen.
Näher an die Wirklichkeit
Auch die Kosten dafür stiegen rasant: Im Jahr 2017 hatten sie mit 1,51 Milliarden Euro einen Rekordstand erreicht. Danach gingen sie bis zum Jahr 2019 auf 1,3 Milliarden Euro zurück, weil die Instrumente verbessert wurden und eine neue Höchstspannungs-Leitung zwischen Thüringen und Bayern in Betrieb gehen konnte. Im Jahr 2020 stiegen die Kosten wieder auf 1,4 Milliarden Euro an.
Die Bundesnetzagentur hat sich nun mit der Namensgebung an die Wirklichkeit angenähert: Sie erfasst die Maßnahmen zum Ausgleich der Engpässe inzwischen unter dem Sammelbegriff "Netzengpassmanagement". Bezahlt werden diese Engpasskosten von den Stromkunden: Sie fließen zunächst in die Netzentgelte ein, die wiederum auf die Strompreise für die Endkunden umgelegt werden.
Die Netzentgelte selbst sind noch einmal ein sehr spezielles Thema. Sie sind in den verschiedenen deutschen Regionen sehr unterschiedlich hoch. Das liegt vor allem daran, dass die regionalen Verteilnetze sehr unterschiedlich hohe Kosten verursachen. Diese Kosten preisen die regionalen Netzbetreiber ebenfalls in die Netzentgelte ein.
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