Regen in Grönland

Gletscherkante in Grönland. Eine neue Studie zeigt, dass Regen vermehrt Eisschmelze an der Oberfläche des Inlandeises auslöst. Foto: Tim Brücher/GEOMAR

Die Energie- und Klimawochenschau: Von Permafrostböden, europäischen Klimazielen und den Rechenspielen der Luftfahrtbranche

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Über Grönland regnet es immer häufiger, selbst im Winter. Das sind keine guten Nachrichten für die grönländischen Gletscher, denn Regen lässt Eis schneller schmelzen. Der grönländische Eisschild hat bekanntermaßen in den letzten Jahrzehnten an Masse verloren. Schätzungsweise 270 Milliarden Tonnen sind es pro Jahr, die Grönland mittlerweile an Eismasse verloren gehen. Lange glaubte die Wissenschaft, dass dafür ins Meer kalbende Gletscher verantwortlich seien. Doch nun fließt rund 70% der Verlustmasse direkt als Schmelzwasser ab.

Regen ist immer häufiger der Auslöser des Abschmelzens, so berichtet ein deutsch-amerikanisches Forscherteam. Regenwetter selbst im Winter wird von relativ warmen Südwinden gebracht, und diese werden wahrscheinlich mit Veränderungen des Jetstreams aufgrund des Klimawandels häufiger auftreten. Aber nicht nur in Grönland regnet es mehr, sondern auch in der kanadischen Tundra und in Alaska, wodurch der Permafrostboden in größere Tiefen hinein tauen kann.

Tauender Permafrost und Fehlanpassung an den Klimawandel

Sorgen um die Stabilität der Permafrostböden in nördlichen Hemisphären machen sich auch die Vereinten Nationen in einer jüngsten Veröffentlichung. Am Montag begann die 4. Umweltkonferenz der UN in Nairobi, bei der rund 4700 Teilnehmende über einen nachhaltigeren Umgang mit dem Planeten verhandeln sollen. Überschattet wird die Konferenz von einem Flugzeugabsturz in Äthiopien, dem auch Menschen zum Opfer fielen, die auf dem Weg zur Konferenz waren.

Im Vorfeld der Konferenz wurde im Rahmen des UN-Umweltprogramms UNEP bereits ein Bericht vorgelegt, in dem die fünf größten Umweltgefahren definiert werden, die bislang zu wenig Beachtung finden. Eine davon sehen UN-Experten in den Folgen auftauender Permafrostböden, eine weitere in Fehlanpassungen an den Klimawandel.

"Permafrost-Torfmoore unterliegen raschen Veränderungen. Die Arktiv erwärmt sich heute doppelt so schnell wie die globalen Durchschnittstemperaturen. Die südlichen Grenzen des Permafrosts haben sich 30 bis 80 km nach Norden verschoben", heißt es in der Studie von UNEP. Bislang gefrorenes organisches Material könnte so zersetzt werden, dass bedeutende Mengen an Kohlendioxid und Methan freigesetzt werden und so wiederum zur globalen Erwärmung beitragen. Weitere Forschung sei notwendig, um für die Zukunft bessere Modelle zu erstellen.

Doch nicht nur die Erwärmung setze den Permafrostböden zu, sondern auch Wald- und Tundrabrände, menschliche Infrastrukturprojekte und die Ausbeutung von Öl- und Gasvorkommen in nördlichen Breiten.

Fehlanpassungen an den Klimawandel betreffen nach Auffassung des UNEP kurzfristige Lösungen, die nur lokal von Nutzen sind. "Fehlanpassungen sind Handlungen, die Treibhausgasemissionen verstärken, den verletzlichsten Teil der Bevölkerung überproportional belasten, hohe Zusatzkosten verursachen, Anreize zur Anpassung senken oder Entwicklungspfade vorgeben, die die Wahlmöglichkeiten künftiger Generationen einschränken." Gelungene Klimaanpassung müsse die Ziele nachhaltiger Entwicklung, sozialer Gerechtigkeit und Reduzierung der Armut berücksichtigen.

Ein Beispiel von Fehlanpassung sei ein Küstenschutzprojekt in Bangladesch. Zwar würde die betreffende Region in den nächsten Jahrzehnten von dem Projekt profitieren, ab 2050 würde sie aber aufgrund des steigenden Meeresspiegels überschwemmt werden. Kurzfristig bessere Lebensbedingungen würden Region eher attraktiver machen und noch mehr Menschen anlocken, was eine spätere Umsiedlung weiter erschweren würde.

Auch die Förderung von Schiefergas mit Fracking sei eine Fehlanpassung. Ursprünglich wurde Erdgas als eine Brückentechnologie betrachtet, um Kohle und Öl schneller aus dem Energiemix nehmen zu können, die Umweltprobleme durch Fracking seien am Anfang nicht absehbar gewesen.

Rückversicherer noch immer im Kohlegeschäft

Fehlanpassung mag es auch sein, Unwetterschäden bei nicht nachhaltigen Versicherern abzusichern. So kritisiert die Organisation Urgewald die Rückversicherung Hannover Re dafür, dass sie weiterhin indirekt die polnische Kohleindustrie versichert. "So ist Hannover Re seit Jahren ein treuer Unterstützer des polnischen Versicherers PZU, eine tragende Säule der dortigen Kohleindustrie: Die PZU Gruppe sichert 85 Prozent der Steinkohleminen und 70 Prozent der Braunkohleminen in Polen ab, außerdem alle vier großen polnischen Energieversorger, die alle neue Kohlekraftwerke planen."

Die Hannover Re hat in der vergangenen Woche ihren Geschäftsbericht veröffentlicht. Darin ausgewiesen ist eine hohe Summe für "Großschäden", die allerdings unter der aus dem Jahr 2017 liegt. 2018 schlagen sich Taifun Jebi in Japan sowie die kalifornischen Waldbrände Camp und Woolsey mit hohen Summen in der Bilanz nieder. "Rückversicherer wie Hannover Re müssen aufhören den Klimawandel, gegen dessen Auswirkungen sie Kunden versichern, durch Unterstützung des Kohlesektors selbst anzuheizen. Diese Strategie gefährdet uns alle", fordert Regine Richter von Urgewald in Bezug auf diesen Widerspruch.

Maßnahmen für die europäische Energiewende

Deutschland könnte in den 2020er Jahren das Verfehlen seiner Klimaziele teuer zu stehen kommen, denn dann müsste es auf dem europäischen Markt CO2-Zertifikate einkaufen. Doch auch europaweit muss noch so einiges getan werden, damit die EU ihr Klimaziel für 2030, die CO2-Emissionen um 40% gegenüber 1990 zu reduzieren, einhalten kann.

"Demnach verlangt die Umstellung, die Verbrennung von Kohle in der EU bis 2030 zu halbieren und den Verbrauch von Kraftstoffen, Erdgas und Heizöl um ein Viertel zu vermindern. An die Stelle der fossilen Brennstoffe treten Erneuerbare Energien, deren Anteil am EU-Energiemix sich bis 2030 verdoppeln muss. Das betrifft insbesondere die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien. Sie haben derzeit einen Anteil von 32,3 Prozent am EU-Strommix, dieser wird in den nächsten elf Jahren bei steigendem Stromverbrauch auf 57 Prozent wachsen. Außerdem stehen Investitionen in Energieeffizienz an, um den Energieverbrauch bis 2030 um 17% gegenüber heute zu verringern", schreibt der Thinktank Agora Energiewende.

Um das Ziel zu erreichen, bzw. es noch auf eine Reduktion um 50% nachzubessern, hat Agora Energiewende einen 10-Punkte-Plan vorgelegt, der nach der Europawahl im Mai umgesetzt werden sollte. Gefordert sind u.a. administrative Maßnahmen wie die Einrichtung eines Ständigen Ausschusses für die Energiewende im Europaparlament und die Festsetzung eines "Schattenpreises" für CO2-Emissionen, der bei zukünftigen Investitionsentscheidungen einberechnet würde. Durch die Verschärfung von Grenzwerten für Emissionen von PKW und LKW soll eine Dekarbonisierung des Verkehrs angestoßen werden. Es solle eine Beimischungsquote für erneuerbares Gas (etwa aus Power-to-Gas) sowie bei öffentlichen Bauvorhaben Stahl und Zement aus CO2-armer Produktion gekauft werden.

Luftfahrtorganisation beschließt Kompensationsregeln

Einen wachsenden Anteil am Treibhausgasausstoß, der sich zudem keinem einzelnen Staat zuordnen lässt, hat die internationale Luftfahrt, und das mit steigender Tendenz. Die Internationale Zivile Luftfahrtorganisation (ICAO) hat sich immerhin verpflichtet, dass sie ab 2020 nur noch klimaneutral wachsen möchte. Das heißt, es werden immer noch genauso viele Treibhausgase ausgestoßen, dabei aber mehr Passagiere transportiert.

De facto ist das nicht richtig, sondern bestenfalls in der buchhalterischen Bilanz. Ein Teil der Emissionsreduktion soll durch regenerative Treibstoffe erfolgen, ein Teil durch die Finanzierung von Emissionsreduktionsmaßnahmen an anderer Stelle, also durch "Offsetting". Für die Umsetzung des "Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation" (CORSIA) wurden in der vergangenen Woche weitere Details geklärt. Dabei ging es in erster Linie darum, dass die Ausgleichszahlungen nicht doppelt in die Klimabilanz einfließen könnten, etwa sowohl als Benefit für die Fluggesellschaft als auch für das Land, in dem sie stattfinden.

Kritisiert wird allerdings, dass weiterhin an Projekte gezahlt werden darf, die vor 2020 begonnen haben. Von einigen Umweltorganisationen wird das Prinzip der Kompensationszahlungen als solches schon länger kritisiert. Zum einen lässt sich nie sagen, ob darüber finanzierte Projekte wirklich zusätzlich sind, zum anderen führt der Bedarf an grünen Investitionen mitunter zur Verdrängung der lokalen oder indigenen Bevölkerung, beispielsweise durch den Bau von Wasserkraftwerken.