Regierungsbildung in Spanien oder vierter Wahlgang in vier Jahren?
- Regierungsbildung in Spanien oder vierter Wahlgang in vier Jahren?
- "Das absolute gegenseitige Misstrauen"
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Die Lage ist weiter verworren, da Pedro Sánchez nicht wirklich verhandelt hat und seinen möglichen Bündnispartnern zudem mit Vetos entgegentritt
Der Chef der spanischen Sozialdemokraten Pedro Sánchez hatte im Frühjahr ein gefährliches Spiel gespielt und Neuwahlen provoziert, weil er nicht zu Zugeständnissen gegenüber denen bereit war, die ihm im Juni 2018 per konstruktiven Misstrauensantrag an die Macht gebracht hatten. Er bekam seinen Haushalt nicht durch das Parlament und musste deshalb Neuwahlen am 28. April ansetzen. Er hoffte, danach nicht erneut auf katalanische Stimmen im Parlament angewiesen zu sein.
Sein Wunschergebnis kam praktisch sogar zustande. Die Sozialdemokraten (PSOE) konnten gegenüber der weiter links positionierten Podemos zulegen und es hätte sogar zu einer stabilen absoluten Mehrheit mit den rechts-neoliberalen Ciudadanos (Cs) gereicht, wie sich Sánchez erhofft hatte.
Doch der Ciudadanos-Parteichef Albert Rivera hat auch gegen massive interne Kritik an seinem "Nein zu Sánchez" bisher festgehalten. Das ehemalige Mitglied der rechten Volkspartei (PP) hat sich längst auf einen Rechtskurs begeben. Dass die angeblichen "Liberalen" neben Andalusien nun auch in Madrid mit der rechtsextremen VOX verhandeln und paktieren, stößt nicht nur intern auf Kritik. Auch der französische Staatschef Macron droht den Cs mit dem Rauswurf aus der Liberalen-Fraktion im Europaparlament.
So ist für Montag, wenn Sánchez ab 12 Uhr im Parlament seine Rede hält, nichts klar. Vorauszusehen ist, dass er im ersten Wahlgang am Dienstag durchfällt, da ihm dafür die nötige Mehrheit fehlt. Ob er am Donnerstag im zweiten Wahlgang gewählt wird, wenn es reicht mehr "Ja" als "Nein"-Stimmen zu bekommen, hängt angesichts der Verweigerung der Cs von Stimmen aus dem Baskenland und Katalonien ab.
Die Stimmen, die Sánchez braucht
Alles hängt davon ab, ob die Republikanische Linke Kataloniens (ERC), die im strategischen Bündnis mit der baskischen Euskal Herria Bildu (Baskenland vereinigt) steht, wie beim Misstrauensantrag vor einem Jahr für Sánchez stimmt. Die Weigerung von Sánchez, mit beiden Parteien zu verhandeln, macht die Lage nicht einfacher.
Dazu kommt die Tatsache, dass der ERC-Chef Oriol Junqueras weiterhin inhaftiert ist, obwohl sogar die Arbeitsgruppe der UNO die Freilassung dieses politischen Gefangenen fordert und auch die Regierungsjuristen im Prozess hohe Haftstrafen gegen ihn gefordert haben, obwohl Beweise für die angebliche Rebellion, Aufruhr oder Veruntreuung vor allem durch Abwesenheit geglänzt haben.
Dass sogar verhindert wurde, dass Junqueras und andere ins Parlament gewählte Katalanen ihre Sitze einnehmen können, und man zuletzt auch verhindert hat, dass Junqueras ins Europaparlament einziehen kann, macht es den Linksparteien unmöglich, für Sánchez zu stimmen.
Bis zum Wochenende sah es sogar noch so aus, als würde Sánchez nicht einmal die Stimmen von Podemos erhalten. Denn vehement lehnte er zuvor eine Koalitionsregierung und Podemos-Minister im Kabinett ab. Da sich aber die Podemos-Basis in einer Befragung mit 70% klar dafür aussprach, Sánchez nur in einer Koalition zu unterstützen, musste er zuletzt doch teilweise einlenken.
Brüssel will stabilere Lage im viertgrößten Euroland
Er sprach sein Veto zuletzt nur noch gegen den Parteichef Pablo Iglesias aus. Ob er darauf hoffte, dass sich Podemos deshalb verweigern würde, um der Partei die Schuld für Neuwahlen im November zuzuschieben, darüber wird spekuliert.
Klar ist, dass Iglesias nach massivem Druck inzwischen zur Seite getreten ist. Damit wäre der Weg für eine Koalition frei und am Sonntag wurde eiligst verhandelt, was in fast drei Monaten verschlafen wurde. Ohnehin hat längt auch Brüssel Druck gemacht.
Dort will man eine stabilere Lage im viertgrößten Euroland sehen und angesichts der wirtschaftlichen Eintrübung in Europa und in Spanien endlich einen Haushalt vorgelegt bekommen. Ausgerechnet die parteinahe Zeitung El País brachte als Aufmacher, dass die "Schonfrist" für Sánchez abgelaufen ist.
Das Problem ist weiterhin, dass Sánchez im zweiten Wahlgang eine Enthaltung von ERC-EH Bildu braucht, um erneut Regierungschef werden zu können. Denn die Formation des ehemaligen katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont hat schon ein "Nein" angekündigt. Weil Sánchez es abgelehnt hat, über ein Unabhängigkeitsreferendum zu verhandeln.
Angesichts aufstrebender Rechtsradikaler in Spanien ist die Entscheidung der ERC-EH Bildu noch nicht ausgemacht, wie es Jon Inarritu vom baskischen Parteienverband im folgenden Telepolis-Interview erklärt.