Religiöse US-Rechte: Warum sie die Erfolgschancen der Republikaner schmälert

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Pechstein und Spahn: In Deutschland stecken die Konservativen durch die AfD in einer Krise. In den USA spitzt sich der Kulturkampf zu. Was das für den Wahlkampf dort bedeutet.

In Deutschland legt der Kulturkampf gerade einen Zacken zu. Die Konservativen stecken in einer Identitätskrise. Politisch zeigt sich das in der Frage: Was die angestammten konservativen Parteien für Wähler attraktiv macht?

Dabei hat man Befindlichkeiten im Blick, mit den man das Umfragehoch der AfD erklärt. Der Auftritt von Claudia Pechstein bei der CDU, in Polizei-Uniform, mit AfD-nahen Äußerungen und die Äußerungen von Jens Spahn (CDU) über ein Penis-Problem der Ampel haben Debatten darüber ausgelöst, wohin der deutsche Konservativismus geht.

USA: Der Kulturkampf läuft heiß

In den USA ist man da schon weiter. Der sogenannte Kulturkampf läuft schon seit vielen Jahren und er hat die Gräben in der Gesellschaft vertieft. Die Frage, ob die konservative Partei vom Kulturkampf, wo sie neurechte Position vertritt, profitiert, ist dort nicht eindeutig zu beantworten. Die Sache läuft aber heiß, da im nächsten Jahr die Wahlen zur Präsidentschaft anstehen.

Wie es derzeit aussieht, müssen republikanische Anwerber auf das Oval Office um einen bedeutsamen, aber stetig schrumpfenden Teil der konservativen Wählerschaft kämpfen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die religiöse Rechte

Sie hat in den vergangenen Jahren zwar an Anhängerschaft eingebüßt, jedoch nicht an politischen Einfluss, - ganz im Gegenteil. Der unverhältnismäßige Einfluss der religiösen Rechten auf die konservative Bewegung spiegelt die überzogene Bedeutung des Kulturkampfes in der US-Politik wider.

Langfristig ist in den Vereinigten Staaten ist ein zunehmender Säkularisierungstrend zu beobachten, der, mit einer liberaleren Sozialpolitik einhergeht. Trotz des Rückgangs der Religiosität übt die Christliche Rechte jedoch immer noch erheblichen Einfluss auf Politik und Politiker aus.

Kulturkampf-Paranoia in der Southern Baptist Church

Dennoch sind selbst konservative Institutionen wie die Southern Baptist Church beunruhigt von der fortschreitenden Liberalisierung und Säkularisierung der US-amerikanischen Gesellschaft.

Die zunehmende Paranoia innerhalb der Kirchengemeinschaft (US-amerikanisch: Denomination) ereignete sich letzte Woche in New Orleans, als Delegierte der Gemeinschaft für den Ausschluss aller Pastorinnen stimmten.

Auch wenn der Streit um Frauen in Führungspositionen der Kirche ein immer wiederkehrendes Thema gewesen zu sein scheint, ist die aktuelle Identitätskrise innerhalb der Kirchengemeinschaft neu.

Die breitere gesellschaftliche "Debatte" über die Rechte und die Anerkennung von Trans-Personen veranlasst einige Evangelikale dazu, immer und überall ihre Idee von traditionellen Geschlechterrollen durchsetzen zu wollen.

Kulturkampfmix: Religiöse Rechte und neue politische Rechte

Dass die Kulturkampf-Paranoia auch innerhalb der Kirche um sich greift, zeigt, wie sehr sich die Ideologie der religiösen Rechten mit den kulturkämpferischen Themen der neuen Rechten unter Trump vermischt haben.

Dass Mike Pompeo, ehemaliger Außenminister, auf dem Kongress in New Orleans sprach und dabei dessen Einfluss auf konservative Überzeugungen betonte, bezeugt den direkten politischen Einfluss der religiösen Rechten auf die Wählerbasis der Republikaner.

Der neue Sozialkonservatismus besteht aus einer neuen reaktionären Ideologie, bestehend aus kulturkämpferischen Themen wie der Ablehnung von "Politischer Korrektheit" und "Critical Race Theory", vermengt mit etwas LBTQ*-Feindlichkeit und sentimentalen Patriotismus.

Das Problem für die Republikaner

Die Tatsache, dass die kulturkämpferischen Themen der letzten Jahre vorwiegend innerhalb religiöser Bewegungen und konservativ regierten Staaten reelle politische Folgen hatten, von der Gesamtgesellschaft jedoch entweder ignoriert oder abgelehnt werden, könnte für die Republikanische Partei zum großen Problem werden.

Nicht, dass die religiöse Rechte schlecht organisiert wäre. Im Gegensatz zu den meisten sozialen Bewegungen in den USA, die einen Rückgang ihres demografischen Einflusses verzeichnen mussten, konnte die religiöse Rechte ihre politische Macht über die Erosion der amerikanischen Zivilgesellschaft hinaus erhalten – mit weitreichenden Folgen.

Die Macht in der Justiz und Elitenbildung

Während andere Institutionen geschwächt wurden, haben die überlebenden Massenorganisationen an politischem Einfluss gewonnen. Trotz allem, stellt die Kontrolle über wichtige Stellen des US-Justizapparates durch Organisationen wie der Federalist Society, in einer Zeit, in welcher der kulturelle Einfluss von religiösen Vereinigungen in den USA eher rückläufig ist, zweifellos die echte Macht der religiösen Rechten dar.

Die politische Entwicklung in den Vereinigten Staaten seit dem Kippen von Roe vs. Wade durch das Oberste Gericht hat gezeigt, dass eine gut-platzierte Gruppe religiöser konservativer Richter ihre politischen Ziele gegen den Willen der Mehrheit durchsetzen kann. Den politischen Preis zahlt die Republikanische Partei.

Die politische Macht der christlichen Rechten innerhalb der konservativen Bewegung und ihr Mangel an Rückhalt bei der US-Wählerschaft könnten sich für die Republikanische Partei bei den Wahlen 2024 als verhängnisvoll herausstellen.

Religiöse Rechte: Trump-Effekt auf die Republikaner

Während die religiöse Rechte kurzfristig aufgrund der Unzufriedenheit mit der Biden-Regierung weiterhin politische Relevanz zu haben scheint, ist ihre politische Zukunft in den Vereinigten Staaten ungewiss. Und so könnte aus der ehemaligen politischen Bewegung bald eine kleine, aber mächtige extrem religiöse Elite mit Justizmacht werden.

So zeichnet sich vor den Präsidentschaftswahlen 2024 folgendes Bild einer politischen Landschaft ab: Eine minorisierte Rechte übt durch kulturkämpferische Politik große Macht über die konservative Bewegung allgemein und damit die Republikanische Partei aus, wodurch sie den landesweiten Machtanspruch der Partei einschränkt.

Die Demokraten ihrerseits müssen nur eine politische Alternative repräsentieren, um mehrheitsfähig zu bleiben.

Die religiöse Rechte nimmt in Bezug auf die Republikanische Partei also eine ähnliche Rolle wie der ehemalige Präsident Donald Trump ein. Durch ihre kulturkämpferische Rhetorik schmälert sie die Erfolgschancen der Republikaner in landesweiten Wahlen, bindet jedoch die Wählerbasis der Republikaner an sich.

Der Kulturkampf hat als machtpolitisches Mittel also noch nicht ausgedient, nur wie weit diese Macht in den USA über die politische Sphäre der Konservativen hinausreicht, ist ungewiss.