Republikanischer Bürgerkrieg

Peter Mühlbauer

Die Ablehnung des "Rettungspakets" zeigt, dass die Grand Old Party alles andere als monolithisch ist

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"Ich wusste nicht, dass ich der Schiedsrichter für einen Republikaner-internen Bürgerkrieg sein sollte" sagte der Abgeordnete Barney Frank, ein Demokrat aus Massachusetts, letzte Woche in der Early Show auf CBS. Hintergrund war der Streit um den mittlerweile mehrfach modifizierten "Rettungsplan" des Bush-Finanzministers Paulson, mit dem die Regierung Banken für insgesamt 700 Milliarden Dollar Schulden abkaufen soll. Am Montag hatten zwar die eigentlich oppositionellen Demokraten mit 140 zu 95 Abgeordneten dafür, aber die Republikaner mit 65 zu 133 dagegen gestimmt.

Der Vorgang führte auch europäischen Beobachtern vor Augen, dass es sich - wie in Ländern mit Mehrheitswahlrecht relativ häufig - bei Parteien um mehr oder weniger fragile Koalitionen handelt. Bei der demokratischen Partei ist dies nicht anders als bei der republikanischen - allerdings treten deren Widersprüche und Sollbruchstellen durch die aktuelle Finanzkrise derzeit wesentlich deutlicher zutage.

Es gibt eine Vielzahl von Modellen, mit denen sich die Fraktionen der republikanischen Politiker und Wähler aufgliedern lassen. Eines der übersichtlichsten und auch graphisch am besten aufbereiteten erschien 2006 in der New York Times.

Danach gibt es in der republikanischen Partei im Grunde vier Koalitionen: Die von der Zahl der Wähler her bedeutendste ist die "Leave-Us-Alone-Coalition", die aus zwei sehr großen Blöcken besteht, welche sich teilweise überschneiden: dem Anti-Washington-Block und dem Steuersenkungs-Block. Der Anti-Washington-Block steht jeder Form von Eingriffen der US-Bundesregierung grundsätzlich kritisch gegenüber. Ein wichtiges Symbolthema dieser Gruppe ist der Waffenbesitz.

Der Anti-Washington-Block besteht nicht nur aus konservativen Wählern, sondern auch aus protolibertären und einer Gruppe, für die Andrew Sullivan 2001 den Begriff South Park Republicans prägte. Matt Stone, einer der Schöpfer der namensgebenden Zeichentrickserie, fasste die Haltung dieser Wählergruppe wie folgt zusammen: "I hate conservatives, but I really fucking hate liberals." Symbolthema des fiskalkonservativen zweiten Blocks innerhalb dieser Koalition ist der Kampf gegen Steuern.

Zwei andere große Blöcke, die sich in der "Cultural Coalition" zusammenfassen lassen, sind die Religiöse Rechte und die Wertkonservativen. Das einigende Thema der fundamentalistischen Christen ist vor allem der Kampf gegen die Straffreiheit der Abtreibung. In der letzten Dekade kamen auch die Homoehe und die Stammzellenforschung hinzu. Auch für den wertkonservativen Flügel sind Abtreibung und Homoehe wichtige Symbolthemen, darüber hinaus spielen aber auch das Recht zum Waffentragen und die illegale Einwanderung eine zentrale Rolle.

Leises Durchwinken beim 700-Milliarden-"Bailout"nicht möglich

Eher in der Regierung und in Netzwerken vertreten als unter Abgeordneten und Wählern ist die "Security Coalition" Zur ihr gehören Neokonservative wie Paul Wolfowitz oder Richard Perle sowie der Law-and-Order-Block, für den der ehemalige New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani steht. Die Neokonservativen sind eine relativ kleine und verhältnismäßig stark von Intellektuellen geprägte Fraktion, welche die Politik der Bush-Administration maßgeblich mitbestimmte. Ihr Anliegen ist eine offensiv-interventionistische Außenpolitik, ein "Benevolent Imperialism."

Bei der republikanischen Wählerschaft stoßen die Ziele der Neocons auf eine verhältnismäßig geringe Akzeptanz, so dass diese in ihren theoretischen Schriften teilweise forderten, sie der Öffentlichkeit als etwas anderes zu verkaufen.

Eine relativ neue Neocon-Untergruppe sind die Neolibertären. Sie verbinden eine Ablehnung regulierender Eingriffe in die Wirtschaft mit einem missionarischen Anspruch auf die Ausweitung von Märkten, die auch den Einsatz kriegerischer Mitteln rechtfertigt. Hier sieht man eine Staatsverschuldung zugunsten "gerechtfertigter" militärischer Ziele teilweise auch als Gelegenheit, fiskalischen Druck aufzubauen, um später Sozialausgaben zu beschneiden. Wichtigster Block der vierten Koalition, der "Old Guard", ist die kleine aber einflussreiche Geldelite.

Eine emotional geprägte Ablehnung von Staatsausgaben und Marktregulierung ist vor allem in den ersten beiden Koalitionen stark ausgeprägt. Seit den späten 1970er Jahren wurde sie diesen Wählerschichten von der Partei offensiv angedient und fungierte als Identitätsstifter zur Abgrenzung gegenüber dem politischen Gegner. So lange dieser Vulgärliberalismus sich lediglich gegen die Zahlung von staatlichen Geldern an Arme oder Alte richtete, gefährdete er den Zusammenhalt der republikanischen Partei nicht.

Zwar vergab man im Kongress auch in der Vergangenheit üppige Staatszuschüsse an Unternehmen - allerdings erregen solche Projekte gemeinhin so wenig Aufmerksamkeit, dass sich Abgeordnete kaum rechtfertigen oder ihr Abstimmungsverhalten überdenken müssten. Doch ein leises Durchwinken von "Corporate Welfare", wie sonst üblich, ist beim 700-Milliarden-"Bailout" aufgrund der Präsenz des Themas nicht mehr möglich.

Diese grundsätzliche Skepsis gegen Staatsausgaben und Staatseingriffe hinderte den Kongress bisher auch daran, zustimmungsfähige Alternativen zum Paulson-Plan zu entwickeln, obwohl dieser tatsächlich alles andere als alternativlos ist. Heute Abend soll dem Senat nun ein auch bei Republikanern mehrheitsfähiger Plan vorgelegt werden, der wie ein Widerspruch in sich selbst wirkt: danach soll der Ankauf der faulen Kredite mit einer Steuersenkung für Unternehmen verbunden werden, die den Staatshaushalt noch stärker belastet.