Resistenzgen übertragen

Wie das Antibiotikum "der letzten Reserve" von Bakterien geknackt wurde

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Vor einem Jahr (vgl. Der Superbug ist da) schrieb ich: "In den USA wurde der erste Kranke mit Vancomycin-resistenten Staphylokokken (VRSA) identifiziert. Ein Zeichen, dass die Bakterien den Kampf gegen die Ärzte gewonnen haben."

Inzwischen haben Linda Weigel und Fred Renover von den CDC (Centers for Disease Control) und Kollegen in Science den Weg nachgezeichnet, der sich aus dem Zusammenwirken von Staphylokokkus aureus, einem Vertreter der Gattung der "Staphylokokken" und Bakterien der Spezies Enterokokkus faecalis ergibt: Die Übertragung eines Transposons von E.faecalis, die Integration in ein Tn156 Gen von S.aureus, und dort die Ausbildung eines Vancomycin-resistenten Keimes.

Das Bakterium Staphylococcus aureus kann lebensgefährliche Leiden verursachen, breitet sich gerne in Krankenhäusern aus und ist mittlerweile gegen fast alle Sorten von Antibiotika resistent. Wie schon erwähnt wurde vor einem Jahr der erste Stamm entdeckt, der sogar gegen Vancomycin resistent ist.

Die unerwartete Übertragung von E.faecalis nach S.aureus (Bild: Science)

Voraussetzung dafür ist das gemeinsame Auftreten von E.faecalis und S.aureus. E.faecalis ist länger schon gegen viele Antibiotika und gegen Vancomycin resistent. Allerdings wird der Keim nur in Ausnahmefällen klinisch bedeutsam. Der S.aureus lebt üblicherweise auf der Haut und in der Nase gesunder Personen, nichts anderes hervorrufend als Pickel und Furunkel. Hospitalisierte Patienten hingegen sind zu Tausenden in Gefahr: durch Wundinfektionen mit zum Teil tödlichem Ausgang, durch Blutinfektionen bis zur Sepsis, und durch Pneumonien.

1992 beobachteten Wissenschaftler die Entstehung eines resistenten Enterokokkus faecalis, der seine resistenten Gene auf der Haut einer Maus übertrug. "Das war die Zeit, in der wir damit rechneten, dass sich dieser Vorgang bei S.aureus wiederholt", erklärte Fred Tenover.

Die Wissenschaftler isolierten zwei Stränge von der Patientin: Einer ist gegen die üblichen Antibiotika widerstandsfähig, der andere, vom Fuß der Kranken, ist sowohl gegen die Antibiotika wie gegen Vancomycin resistent.

E.faecalis, aber nicht die S.aureus-Kulturen, hatten ein Gen, genannt vanA, das die Vancomycin-Resistenz unterhält. "Kein Wunder: das arzneimittel-empfindliche Gen hat die Resistenz übertragen", sagt Lina Weis. Und so suchten die Forscher in den Plasmiden ein mobiles genetisches Element, das als Transposon bezeichnet wird. Und tatsächlich fanden sie ein Bruchstück der DNA, das aus einem Plasmid auswandern und sich in einen anderen hineinbohren kann. Auch erschien dieses Transposon in einer neuen VRSA-Kultur: also Bakterien, die gegen Vancomycin resistent sind. Womit die Kollegen vom "Institute for Genomic Research" das VRSA-Plasmid nachweisen und zudem zeigen können, dass das Transposon intakt und zum Überspringen fähig ist.

Daraus schließen die Wissenschaftler, dass sich E.faecalis aus dem Fußgeschwür und S.aureus zusammenlegt und das resistente Plasmid überträgt. Während Enzyme von S.aureus das fremde Plasmid vernichten, verlässt das Transposon wie eine Ratte das sinkende Schiff - und infiziert den S.aureus. Der Superbug ist geboren.

Genetische Elemente von Tn1546: 9 Gene sind auf dem Transposon gebildet.

Eine ungewöhnliche Infektion, aber ein unverkennbarer Beweis für die Übertragung. Natürlich sind die Erreger nicht so leicht herauszufinden. Tatsache ist, dass es keine Methode gibt, die VRSA und Vancomycin-empfindliche Keime voneinander unterscheidet. "Wir haben bei 300 Personen keinen Stamm dieser Art gefunden", klagt Donald Low von der Universität Toronto, und verweist auf einen Erreger, der offenbar einmalig einen Superbug ausgelöst hat, aber bei 300 Kranken keine Rolle spielte. Dennoch mehren sich die VRSA-Infektionen. Noch sind es einige wenige rote Lampen: in den USA, Kanada, Japan, Europa. Dessen ungeachtet nimmt die Infektionsrate zu. Beispielsweise in Kanada, wo man besonders auf den Erreger achtet. Die Pharmazeutische Industrie hat noch Linezolid und Quinupristin/Dalfopristin in Reserve. Vancomycin wird zunehmend ausgedünnt, und die Alternativen bieten nur einen gewissen Schutz, weil sich auch hier Resistenzen bilden.

Für die Ärzte in jedem Krankenhaus bedeutet diese Situation die primäre Frage: Liegt bereits "eine" VRSA vor? Dann könnte ein isolierter Befall angenommen und die Ausmerzung des Erregers versucht werden. Wenn zwei oder mehr Kulturen in einem Krankenhaus auftreten, käme der Rückzug auf die Reserve- Antibiotika in Frage. Damit würde die Therapie in dem Krankenhaus knapp werden.

Muss sich der Patient damit abfinden? Keineswegs, denn längst sind in Großbritannien Mikrobiologen aufgeboten, um Krankenhäuser auf unnötige Belastungen zu prüfen. Das kann die Forderung sein, dass die Operateure "saubere Hände" bekommen: waschen und bürsten statt großzügig verordneter Antibiotika. Diese Vorsorge wird auch den Schutz vor den Erregern mit sich bringen. Weil ein Vancomycin-empfindlicher Keim einerseits und ein als VRSA klassifizierter Keim andererseits nicht getrennt werden, sind vermehrte Untersuchungen unerlässlich, und möglicherweise auch die Trennung in Krankenhäuser mit und ohne VRSA. Allerdings: wir müssen darauf hinarbeiten, denn die Voraussetzungen fehlen. Noch gibt es in Deutschland keine Mikrobiologen, um uns zu schützen.

"Nichtinfizieren ist besser als Desinfizieren" ist der Leitsatz in der vorantibiotischen Ära. So wenig Krankenhaus, und wenn, dann so wenig Eingriffe wie möglich, muss die Losung unserer Zeit werden.