Ressourcenhunger bleibt unbegrenzt
Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels für 1973 an den Club of Rome in der Frankfurter Paulskirche. V. l. n. r.: Ernst Klett, Aurelio Peccei, Eduard Pestel (beide Mitglieder des Exekutiv-Komitees des Club of Rome). Bild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F041173-0013 / Reineke, Engelbert / CC-BY-SA 3.0
Vor 50 Jahren hat der Club of Rome ein Ende des ungezügelten Wachstums gefordert. So blicken Experten heute auf die damaligen Prognose
Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Erscheinens des wegweisenden Berichts Die Grenzen des Wachstums, hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gefordert, den "Ressourcenhunger" drastisch zu zügeln. Denn wovor vor 50 Jahren noch gewarnt wurde, das ist heute real. "Die Belastungsgrenzen unseres Planeten sind weit überschritten. Und mit ihnen steigt die soziale Ungleichheit weltweit", sagt der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt.
Zwar beinhaltet Deutschlands Nachhaltigkeitsstrategie auch das Thema Ressourcenverbrauch. Aber nicht als absolute Obergrenze, sondern als einen ans Bruttoinlandsprodukt gebundenen Indikator. Tatsächlich verbessert sich dieser Wert, d.h. die Masse der produzierten Güter steigt gegenüber dem Rohstoffeinsatz. Der Rohstoffkonsum pro Kopf in Deutschland zeigte zwischen 2011 und 2014 keine eindeutige Tendenz nach oben oder unten, wie Zahlen des Umweltbundesamts zeigen.
"Zwar ist die Rohstoffproduktivität gesteigert worden, allerdings hat dies noch nicht einmal zu einer Reduzierung des Einsatzes von Primärrohstoffen geführt", kritisiert der BUND in einem Fact Sheet.
Dennoch würde der bisherige Ansatz der Bundesregierung fortgeschrieben, und noch dazu auf zu niedrigem Niveau. Der Umweltverband spricht sich dagegen für ein Ressourcenschutzgesetz mit absoluten Obergrenzen des Ressourcenverbrauchs pro Person und Jahr aus.
Das Umweltbundesamt weist für das Jahr 2014 einen Ressourcenkonsum von 16,1 Tonnen pro Kopf aus. Laut BUND sollte der Pro-Kopf-Konsum bis 2050 auf maximal sechs Tonnen bei nicht erneuerbaren Rohstoffen und zwei Tonnen bei erneuerbaren begrenzt werden.
Der wachsende Ressourcenverbrauch durch die Industrieproduktion war einer der Faktoren, die im 1972 vom Club of Rome veröffentlichten Bericht Die Grenzen des Wachstums voraussichtlich zum Kollaps auf der Erde führen würden. Neu an dieser wissenschaftlichen Studie, die von Wirtschaftswissenschaftler:innen des Massachussetts Institute of Technology (MIT) unter Leitung von Dennis Meadows erarbeitet worden war, war damals der Einsatz eines Computermodells für die Entwicklung des gesamten Erdsystems.
World3 – übertrieben oder akkurate Vorhersage?
Das Computermodell trug den Namen "World3" und betrachtete die Variablen Bevölkerung, Nahrungsmittelproduktion, Industrieproduktion, Umweltverschmutzung und Verbrauch nicht erneuerbarer natürlicher Ressourcen. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Grenzen des Wachstums innerhalb der nächsten hundert Jahre überschritten würden und dies zu einem eher plötzlichen Kollaps in der Bevölkerungsentwicklung und der Industriekapazität führen würde.
Sie waren aber auch der Auffassung, dass sich ein Zustand des ökologischen und ökonomischen Gleichgewichts herstellen ließe, in dem die Grundbedürfnisse jedes Menschen befriedigt sein könnten. Je eher sich die Menschheit entscheiden würde, dieses Gleichgewicht herzustellen, je höher die Erfolgsaussichten.
Inzwischen hat die Menschheit trotz seit Jahrzehnten anhaltenden Nachhaltigkeitsdebatten weder die Doktrin des ewigen wirtschaftlichen Wachstums hinter sich gelassen, noch ist die Weltbevölkerung oder die Industrieproduktion kollabiert. Der Bericht habe sich über die letzten 50 Jahre als bemerkenswert akkurat erwiesen, schreibt hingegen der Club of Rome anlässlich des 50-jährigen Jubiläums.
Weltbevölkerung und Wirtschaft seien ungefähr genauso wie vor 1970 weitergewachsen und wir stünden vor einem planetaren Notfall. "Die Grenzen des Wachstums war ein Weckruf, aber wir haben die Schlummertaste gedrückt. Als Ergebnis stehen wir nun den größten Herausforderungen unseres Zeitalters gegenüber, darunter Klimawandel, eine globale Pandemie und internationaler Konflikt", sagt die Ko-Präsidentin des Club of Rome, Sandrine Dixson-Declève.
Seit 1972 hat es mehrere Neubewertungen der Grenzen des Wachstums gegeben. 2021 erschien eine Studie der Ökonomin Gaya Herrington, in der sie befindet, dass sich die Menschheit noch immer im Business-as-usual-Szenario von damals befindet und mit diesem der Kollaps um das Jahr 2040 eintreten würde.
Aber sie untersuchte auch Szenarien, in denen dem Wachstum Einhalt geboten wird und in denen es folglich nicht zum Kollaps kommt.
Doch die damals eingesetzten Variablen sind aus heutiger Sich auch kritisch zu betrachten. "Das Bevölkerungswachstum ist meiner Einschätzung nach nicht die Kerngröße", sagt Christine Wenzl, Expertin für Nachhaltigkeit beim BUND.
Wie kann Ernährungssicherheit gewährleistet werden?
Mit einer Veränderung von Wirtschaftsweise und Konsum könnte etwa die Ernährungssicherheit gewährleistet werden. "Laut einer Berechnung des UN-Umweltprogramms könnten – prognostiziert auf die Fleischproduktion im Jahr 2050 – die Kalorien, die bei der Umwandlung von pflanzlichen in tierische Lebensmittel verloren gehen, im Jahr 2050 theoretisch 3,5 Milliarden Menschen zusätzlich ernähren", so Wenzl.
Hinzu kommen weitere Aspekte einer eklatanten Ungleichheit. Die Nichtregierungsorganisation Oxfam hat herausgearbeitet, dass das reichste Prozent der Menschheit für 16 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist und dass sich der Reichtum der zehn vermögendsten Menschen während der Covid-19-Pandemie noch verdoppelt hat. Sie besitzen zusammen mehr als die ärmsten 3,1 Milliarden auf diesem Planeten.
Und auch um den Zustand des Planeten zu bewerten, gibt es mittlerweile feinere wissenschaftliche Methoden als das zu Anfang der 1970er-Jahre zugrunde gelegte Modell World3.
"Die Wissenschaft ist seither um ein Vielfaches weitergekommen, es gibt die Berichte des IPCC, Berichte zum Stand der Biodiversität und seit Neuestem auch zum Chemikalieneintrag", sagt Christine Wenzl.
Allein die Sachstandsberichte des Weltklimarats IPCC basieren auf Zehntausenden wissenschaftlicher Studien und Modelle. Und die Problematik des Klimawandels war 1970 noch nicht auf breiter Ebene erkannt – wenngleich die Ölindustrie bereits bedenkliche Studien über den Treibhauseffekt von Kohlendioxid vorliegen hatte, aber nicht mit der Öffentlichkeit teilte.
Doch der Klimawandel stellt nur eine der Grenzen dar, die im Konzept der "Planetaren Grenzen", seit 2009 am Stockholm Resilience Centre entwickelt, abgebildet werden. Erst kürzlich haben wir an dieser Stelle berichtet, dass mit der Umweltverschmutzung durch Chemikalien (auch als "neuartige Substanzen" bezeichnet), allen voran Plastik, die fünfte der neun planetaren Grenzen überschritten wurde.
Derweil ist ein Abkommen zur Begrenzung der Plastikverschmutzung in Sicht. Bis Ende 2024 soll ein Entwurf für ein solches rechtsverbindliches Abkommen vorliegen. Die Direktorin des UN-Umweltprogramms (Unep), Inger Andersen nannte es die wichtigste multilaterale Umweltvereinbarung seit dem Pariser Abkommen.
Die globale Plastikproduktion ist von zwei Millionen Tonnen im Jahr 1950 auf 348 Millionen Tonnen im Jahr 2017 gestiegen. Eine weitere Verdoppelung bis 2040 wird prognostiziert. Sie steht gleichermaßen für einen verschwenderischen Verbrauch von Ressourcen – in erster Linie Erdöl – wie für eine beispiellose Verschmutzung jedes Winkels des Planeten, da Plastik sich kaum abbaut, sondern nur zu immer kleineren Partikeln zerfällt. Sie steht auch für ein ziemlich sinnloses Wachstum, da sehr viel Plastik für Einwegverpackungen und -produkte hergestellt wird.