Rettet uns die Kernfusion aus dem Energiedilemma?

Investoren stecken weiter jede Menge Geld in Kernfusionstechnologie: Bloomberg-Artikel vom 25. Mai 2020. Bild: Steve Jurvetson / CC BY 2.0

"Durchbruch bei der Kernfusion" heißt es in vielen Schlagzeilen. Tatsächlich, bei einem Experiment in den USA konnte zum ersten Mal ein Energieüberschuss erzeugt werden. Ist das wirklich Grund zum Feiern? Eine Einordnung.

Zuerst ein kurzer Hinweis darauf, was in Sachen Kernfusion in den letzten beiden Wochen diskutiert wurde. Worum geht es? Danach folgt die Kommentierung von Energieexperte Hans-Josef Fell.

Am Sonntag, den 11. Dezember berichtete die Financial Times als erstes Medium, dass Wissenschaftler eines vom US-Bundesstaat geförderten Labors in Kalifornien erstmals eine Kernfusion mit positivem Energieertrag durchgeführt hätten. Das stelle einen Meilenstein dar und gebe Hoffnung, in Zukunft saubere Energie auf diese Weise zu produzieren.

Die Biden-Regierung in den USA setzt, neben der Förderung von Wind- und Solarenergie als bewährter sauberer Energielösung, insbesondere auf die Kernfusionstechnologie als Schlüsselinstrument im Kampf gegen den Klimawandel. Sie räumt ihr Priorität bei der Förderung ein. Die Washington Post merkt an, dass sich Kernfusionsprojekte "in der ersten Reihe befinden, wenn es um die zig Milliarden Dollar an Subventionen und Zuschüssen geht, die durch das große Klimapaket verteilt werden, das Biden im Sommer unterzeichnete und Inflation Reduction Act genannt wird".

Der renommierte Umweltjournalist und Mitbegründer der globalen Klimabewegung 350.org, Bill McKibben, kommentierte in der US-Zeitschrift The New Yorker:

"Am Ende des Jahres wird der Kernfusion viel Aufmerksamkeit geschenkt, aber es ist offensichtlich, dass unsere beste Chance für die nächsten Jahrzehnte darin besteht, dass wir unsere Energie vom großen Fusionsreaktor über uns erhalten, der neunzig Millionen Meilen über uns hängt."

David Goeßmann, Telepolis

In der letzten Woche ging in hunderten Artikeln durch die Weltpresse: "Historischer Durchbruch bei der Kernfusion". Geradezu euphorisch haben viele auf eine Meldung aus den USA reagiert.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, FDP, gratulierte den Wissenschaftlern auf Twitter für ihren Erfolg und sprach von einem "historischen Tag für die Energieversorgung der Zukunft". Erstmals sei gezeigt worden, dass man "die Sonne tatsächlich auf die Erde holen" könne.

Die verheerende, aber falsche Botschaft hinter diesen Meldungen: Es gibt zwar Hoffnung, endlich die Energieprobleme der Menschheit mit Kernfusion weit nach 2050 zu lösen, was man den Erneuerbare Energien aber nicht zutrauen will. Dabei werden nur die Erneuerbaren Energien den kommenden Weltbedarf an Energie decken können, niemals aber die Kernfusion.

Was das neue Experiment in den USA wirklich bedeutet

Was soll denn der angebliche Durchbruch sein? Forscher am Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien hatten gemeldet, erstmals mehr Energie aus einem Fusionsexperiment erhalten zu haben, als sie hineingesteckt hätten. Tatsächlich haben zum ersten Mal Laserkanonen Energie in das Plasma geschickt, worauf dann das Plasma eine Kernfusion zündete und einen relativ kleinen Energieüberschuss produzierte.

Plasma ist ein physikalischer Materiezustand mit extrem hohen Temperaturen jenseits des gasförmigen Zustandes. Hierbei können Fusionen von Atomkernen stattfinden, durch die dann Energie freigesetzt werden kann.

Doch es ist kein historischer Durchbruch im Sinne von "erstmals mehr Energie erzeugt, als hineingesteckt", wie viele Medien blind berichten. Tony Roulstone, Dozent für Nukleare Energie an der Universität Cambridge, sagte dazu:

Obwohl es eine positive Nachricht ist, sind wir damit immer noch weit von dem tatsächlichen Energiegewinn entfernt, der für die Erzeugung von Elektrizität erforderlich ist. Das liegt daran, dass sie 500 Megajoule (MJ) Energie in die Laser einbringen mussten, um 1,8 MJ an das Ziel zu liefern. Auch wenn sie also 2,5 MJ herausbekommen haben, ist das immer noch weit weniger als die Energie, die sie für die Laser benötigt haben. Mit anderen Worten: Der Energieoutput betrug nur 0,5 Prozent des Inputs.

Damit entpuppt sich diese Durchbruchsmeldung wieder als das, was es wirklich ist: Ein erneuter verzweifelter Versuch der Kernfusionsforscher, mit Forschungsdurchbrüchen eine euphorische öffentliche Stimmung zu schaffen, um auch weiterhin zig Milliarden an Forschungsgeldern aus der öffentlichen Hand zu erhalten.

Seit 70 Jahren wird an Kernfusion als Energiequelle ergebnislos geforscht

So geht das nun seit ca. 70 Jahren. Um 1950 wurden die ersten Ankündigungen gemacht, dass mit Kernfusionsreaktoren als "unerschöpfliche" Energiequelle etwa um 1980 zu rechnen sei.

Heute – selbst nach der aktuellen Durchbruchsmeldung – geht kaum jemand davon aus, dass die Kernfusionsreaktoren vor 2050 Energie liefern könnten, auch wenn manche Start-ups wie z.B. Marvel Fusion anderes versprechen und dafür eifrig viele Millionen von leichtgläubigen Investoren einsammeln.

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