Rom: Bürgermeister mit brauner Vergangenheit
Die Wahl von Gianni Alemanno zum Bürgermeister von Rom zeigt das Ausmaß der Krise der Linken in Italien
Gespenstische Szenen spielten sich am Montagabend in Rom ab. Unter den Zigtausend Menschen, die die Wahl des rechten Bürgermeisterkandidaten Gianni Alemanno frenetisch bejubelten, befanden sich auch einige Hundert Rechtsextremisten, die den faschistischen Gruß zeigten und rechte Lieder anstimmten. Sie feierten mit Alemanno einen Kandidaten, der seine Vergangenheit in der neofaschistischen Bewegung nie verschwiegen hatte.
Das langjährige Mitglied der neofaschistischen Fronte della Gioventu kam 1982 wegen des Wurfs eines Molotow-Cocktails gegen die sowjetische Botschaft in Rom ins Gefängnis und musste 7 Jahre später erneut hinter Gittern, weil er an Ausschreitungen von Neofaschisten gegen den Besuch des US-Präsidenten George Bush senior beteiligt war. Nach Angaben von Dominik Straub trägt der neue Bürgermeister von Rom als Erinnerung an seine Vergangenheit noch immer ein Keltenkreuz an seiner Halskette und kommentiert seine Karriere als neofaschistischer Schläger mit der Bemerkung, einer gewesen zu sein, der sich noch nie einem Getümmel entzogen habe.
Alemanno steht heute am rechten Flügel der zu Rechtskonservativen gewendeten ehemaligen neofaschistischen Partei Alleanza Nazionale. Anders als der Parteichef Fini hält der neue Bürgermeister von Rom wenig von einer allzu starken Distanzierung von der Vergangenheit. So war es auch nicht Fini, sondern der Protest der jüdischen Gemeinde von Rom, die Alemanno von einem offenen Bündnis mit der rechten AN-Abspaltung La Destra abhielt. In dieser Partei sammeln sich all die ewiggestrigen Rechtsextremisten, die die von Fini vorangetriebenen Reformen ablehnen. Die Partei hat Kontakte ins gewaltbereite rechtsextreme Milieu.
Tiefe Krise der Linken
Während die Politiker und Medien aus dem Hause Berlusconi über den Wahlsieg ihres Kandidaten jubeln, herrschen bei den Linken und Liberalen Fassungslosigkeit und Entsetzen. Viele hatten bis zum Schluss begründete Hoffnung in einen Sieg von Alemannos linksliberalen Gegenkandidaten Francesco Rutelli gehegt. Er hatte Unterstützer bis weit ins liberale Lager. Anderseits wollten selbst Teile der äußersten Linken Roms, die sonst Wahlen häufig boykottieren, dieses Mal Rutelli als in ihrem Auge kleineren Übel die Stimme geben, um die Wahl des Mannes mit rechtsextremistischer Vergangenheit zu verhindern. Außerdem hofften die Anhänger von Rutelli, dass ihr Kandidat davon protestieren kann, dass viele Italiener nach dem deutlichen Wahlsieg der Rechten in beiden Kammern des Parlaments bei der Kommunalwahl einen Ausgleich schaffen würden. Selbst dieser demokratische Mechanismus. versagte dieses Mal.
Daher macht der Sieg Alemannos in Rom das Desaster der Linken und Linksliberalen erst perfekt. Doch über die Suche nach den Ursachen wird man sich sicher noch mehr zerstreiten. So sah Rutelli einen Hauptgrund für seine Niederlage, dass es die Linke nicht geschafft habe, das Thema innere Sicherheit zu besetzen, das von Alemanno ausgereizt wurde. Rutelli scheint den Weg des ehemaligen Gewerkschaftlers und jetzigen Bürgermeisters von Bologna Sergio Cofferati gehen zu wollen, der mit einem strengen Law-and-Order-Programm selbst die Rechten begeistert. Damit würde aber der Dissens zu den sozialen Bewegungen noch größer.
Der Teil der Aktivisten, der sich um die Organisierung von prekär Beschäftigten kümmert und die Mayday-Parade am 1. Mai vorbereitet, sieht hingegen vor allem in der Anpassung der linken Parlamentarier an die Wirtschaftsinteressen, sowie deren Bemühen, sich bloß nicht den katholischen Klerus zum Feind zu machen, einen Grund für die Niederlage. Außerdem habe die Regenbogenlinke den Kontakt zu den Basisbewegungen schon weitgehend verloren.
Die Protagonisten aus dem kommunistischen Milieu glauben hingegen, dass der Verzicht der Regenbogenlinken auf Symbole wie Hammer und Sichel ein Grund für den Absturz sei. Eine Neugründung der kommunistischen Partei wird diskutiert. Bei den italienischen Grünen wird sogar die Auflösung der Partei diskutiert. Auf jeden Fall scheint die Zusammenarbeit zwischen dem Teil der Linken, die sich theoretisch an den Schriften von Antonio Negri orientieren und der auf Marx rekurrierenden Reste der alten kommunistischen Bewegung mit der Niederlage der Regenbogenlinken vorerst gescheitert. Es hatte sich dabei auch eher um eine Zweckehe aus Angst vor dem Untergang bei den Wahlen gehandelt. Mit der Niederlage ist die gemeinsame Grundlage abhanden gekommen.
Die außerparlamentarische Linke, auf die sich bis zum G8-Gipfel in Genua im Jahr 2001 viele Globalisierungskritiker aus anderen Ländern positiv bezogen hatten, ist wie große Teile der globalisierungskritischen Bewegung in einer Sinnkrise gelandet. Selbst die Internetplattform Indymedia, ein wichtiges Medium dieser Teile der Linken, ist abgeschaltet.
Zerfall der Gesellschaft
Derweil warnen auch Liberale vor einer Aushöhlung der Demokratie in Italien. Die Gefahr bestehe nach Ansicht des an der Universität Trient lehrenden Soziologen Peter Wagner nicht in einer Wiederkehr des Faschismus, sondern in einen Durchbruch des totalen Egoismus.
Die Wahlen stellten das Volk dieses Landes (Italien P.N.) vor die Alternative, ihr Gemeinwesen in Selbstbestimmung weiter entwickeln zu wollen oder in schnellen Schritten jeglichen Sinn eines Gemeinsamen verfallen zu lassen und dann kollektive Regelungen zugunsten der „Freiheit“ von Gruppen und Einzelnen, sich gegen andere durchzusetzen, nach und nach abzuschaffen. Die Mehrheit wählte jene fragwürdige Freiheit, und selbst die Geschlagenen glauben nicht mehr daran, dass anderes möglich ist. Dies scheint mir ein Ergebnis dieser Wahl zu sein, dessen Bedeutung über das Land hinausweist.
Peter Wagner
Diese düstere Prognose von Wagner könnte sich schon am 1. Mai bei der Bürgermeisterwahl in London bewahrheiten. Dort liegt der aktuelle Bürgermeister und Labourkandidat Ken Livingstone in Umfragen hinter seinen rechtskonservativen Herausforderer Boris Johnson. Der ist mit seiner geistigen Ziehmutter Margret Thatcher und den italienischen Rechten der Meinung, dass so etwas wie eine Gesellschaft gar nicht existiert.