Rote Liste Alarm: Hälfte der heimischen Fischarten bedroht

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In Deutschland sind 50 Prozent der Süßwasserfische wegen Klimawandel bedroht. Ursachen sind Dürre, hohe Temperaturen und Sauerstoffmangel in Gewässern.

In Deutschland steht seit Jahresbeginn die Hälfte der einheimischen Süßwasserfische und Neunaugen auf der Roten Liste oder ist bereits ausgestorben. Der Anteil ausgestorbener Fischarten liegt mit zehn Prozent weit über dem europäischen Durchschnitt von 2,5 Prozent.

Alarmierende Zahlen: Bedrohung der heimischen Fischpopulationen

Erstmals zählt auch die Forelle zu den 47 Arten, die in Deutschland gefährdet oder verschollen sind. Federführend bei der Aktualisierung der deutschen Roten Liste war das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB).

Zu den Ursachen des Fischrückgangs zählen laut IGB Bauten an Gewässern wie Dämme oder Wehre, das Fehlen natürlicher Altarme sowie die Auswirkungen des Klimawandels wie etwa die zunehmende Dürre, höhere Wassertemperaturen und die Abnahme des Sauerstoffgehalts im Wasser.

Bewusstseinswandel nötig: unsere Gewässer als Lebensraum

Für die meisten Süßwasserfische und Neunaugen sind die wichtigsten Gefährdungsursachen und geeignete Hilfs- und Schutzmaßnahmen seit Langem bekannt. Aber Gewässer werden noch immer nicht als wichtige Lebensräume wahrgenommen.

Ein großes Problem ist, dass uns als Gesellschaft oft andere Funktionen vor allem der Fließgewässer wichtiger sind: Hochwasserschutz, Schifffahrt, Entwässerung, Abwassereinleitung, Stromerzeugung, Wasserentnahme, Wärmeeinleitung zählen hier mehr als ökologische Kriterien.

Christian Wolter, IGB

Prioritäten setzen: Ökologie versus Wirtschaft

Doch auch wenn in Deutschland ein besonders hoher Anteil der Fischarten gefährdet ist, zeigt sich auch weltweit eine negative Tendenz. Die Ursachen für den Rückgang sind dabei überall ähnlich.

Insbesondere in den gemäßigten Breiten Europas und Nordamerikas herrscht in Binnengewässern immer häufiger Sauerstoffmangel. Länger anhaltender Sauerstoffmangel führt dazu, dass höhere Organismen in betroffenen Gewässern absterben.

Besonders fatal ist, dass durch einen einmal herrschenden Sauerstoffmangel im Wasser offenbar ein Negativkreislauf in Gang gesetzt wird.

Vicious Cycle: Die Langzeitfolgen von Sauerstoffmangel

"Hat ein See in einem Jahr einen kritischen Sauerstoffgehalt unterschritten, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass er im darauffolgenden Jahr von noch intensiverem Sauerstoffmangel betroffen ist", erklärt Maximilian Lau von der TU Bergakademie Freiberg, Co-Autor einer soeben im Fachjournal Global Change Biology veröffentlichten Studie.

Unter der Oberfläche: Die Ursachen des Sauerstoffmangels

Ein geringer Sauerstoffgehalt ist zwar zum einen Resultat eines hohen Nährstoffeintrags: Dieser begünstigt das Wachstum von Algen, die nach ihrem Absterben wiederum von Bakterien zersetzt werden, wobei im Wasser gelöster Sauerstoff verbraucht wird.

Zum anderen trägt auch die Klimaerwärmung zur Abnahme des Sauerstoffs bei. Dadurch, dass sich die oberen Wasserschichten im Frühjahr schneller erwärmen, dauert die Schichtung im Gewässer länger an.

Klimawandel und Gewässer: Eine gefährliche Kombination

Abbauprozesse in der Tiefe müssen mit dem dort vorhandenen Sauerstoff auskommen, aus den oberen Schichten kommt kein neuer nach. Gleichzeitig begünstigen wärmere Temperaturen im Frühjahr schon das Algenwachstum, wodurch auch früher Abbauprozesse in Gang gesetzt werden.

Für die Studie wurden Langzeit-Daten zum Gehalt an Phosphor, Chlorophyll und Sauerstoff im Wasser aus 656 Seen verwendet und anhand dieser der Kreislauf des Sauerstoffmangels untersucht.

Die Ergebnisse können Forschung und Behörden nun helfen, den Gesundheitszustand von Seen besser zu verstehen und durch gezieltes Nährstoffmanagement zu verbessern.

Bergakademie Freiberg

Neue Erkenntnisse: Wie wir unsere Seen retten können

Mit der Auswirkung des Klimawandels auf den Lebensraum See hat sich auch ein Forschungsteam der Cornell University in den USA beschäftigt. Es untersuchte Seen im Adirondack Park im Bundesstaat New York, in denen Fischarten vorkommen, die kaltes, sauerstoffreiches Wasser benötigen, wie Forellen oder andere lachsartige Fische.

Internationale Forschung: Klimawandel und seine Auswirkungen auf Seen

In der im Fachjournal PNAS veröffentlichten Studie betrachteten die Forschenden insbesondere die Verbräunung von Seen durch den Klimawandel.

Darunter ist der Eintrag von organischem Material aus der Umgebung zu verstehen, der dem Gewässer eine braune Farbe verleiht. Dieser wird durch längere Wachstumsphasen sowie durch Starkregen begünstigt.

Die Verbräunung der Wasseroberfläche kann ebenfalls dazu führen, dass sich ein Gewässer weniger durchmischt, aus den oberen Schichten also kein neuer Sauerstoff in die tieferen Wasserschichten kommt.

Das wiederum ist ein Problem für die Fischarten, die sich vor allem im Sommer in kühlere Tiefen zurückziehen. Eine Langzeitdatenanalyse zeigte, dass die Anzahl von Seen, in denen die lachsartigen Fische günstige Lebensbedingungen auch im Sommer fanden, seit den 1980er-Jahren deutlich zurückgegangen ist.