Rumänien geht in die Stichwahl: Anti-Nato-Kandidat Georgescu liegt vorn

Ein Mann geht durch eine Tür

Angeschlagen: Rumäniens sozialdemokratischer Ministerpräsident Marcel Ciolacu

(Bild: LCV/Shutterstock.com)

Prorussischer Kandidat führt überraschend die Präsidentschaftswahl an. Favorit Ciolacu landet auf dem zweiten Platz. Jetzt folgt die Stichwahl.

Die erste Runde der Präsidentschaftswahlen in Rumänien hat ein politisches Erdbeben ausgelöst. Nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen liegt der rechtsextreme und russlandfreundliche Kandidat Calin Georgescu mit rund 22 Prozent uneinholbar in Führung, berichtet die Nachrichtenagentur AP.

Der als Favorit gehandelte sozialdemokratische Premier Marcel Ciolacu erhielt rund 20 Prozent der Stimmen. Auf Platz drei landete die bürgerliche Kandidatin Elena Lasconi von der konservativ-liberalen Partei Rettet die Union Rumäniens (USR) mit knapp 18 Prozent der Stimmen.

George Simion, Vorsitzender der rechtsextremen Partei Allianz für die Einheit der Rumänen (AUR), erreichte 14 Prozent und stellte sich noch in der Wahlnacht hinter Georgescu. Die Stichwahl zwischen Ciolacu und Georgescu soll am 8. Dezember stattfinden.

Aufstand gegen das Establishment

Das starke Abschneiden von Georgescu, der keiner Partei angehört und seinen Wahlkampf fast ausschließlich auf der Videoplattform TikTok geführt hat, kam für die meisten Beobachter völlig überraschend.

Noch in Wahlumfragen vor der Abstimmung lag der 62-jährige Agrar- und Entwicklungsexperte mit beruflichem Werdegang bei den Vereinten Nationen lediglich bei fünf Prozent.

Auf seinem TikTok-Konto, wo er 1,6 Millionen Likes gesammelt hat, zeigt sich Georgescu beim Kirchgang, Judo und Laufen, aber auch in Podcasts. Er versprach, Rumäniens Abhängigkeit von Importen zu reduzieren und die Energieproduktion hochzufahren.

Der Politikberater Cristian Andrei bezeichnete das Wahlergebnis gegenüber AP als "großen Protest oder Aufstand gegen das Establishment".

Die Mainstream-Parteien hätten die Verbindung zu den einfachen Rumänen verloren. Georgescu hingegen treffe, obwohl er mit einem vagen und populistischen Manifest angetreten sei, den Nerv derer, die sich vom politischen System abgehängt fühlten.

Religiöser Nationalist in Opposition zur NATO

Georgescu gilt als religiöser Nationalist. Er verteidigt die faschistische Geschichte Rumäniens, weshalb gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet wurde. Rumäniens faschistischen Präsidenten Ion Antonescu, der das Land zwischen 1940 und 1946 im Bund mit Hitler als "Conducător" regierte, bezeichnete er 2020 als "Held".

Seine außenpolitischen Positionen weichen deutlich vom prowestlichen Kurs der bisherigen Führung ab. Er will die "Unterwürfigkeit gegenüber EU und NATO" beenden und verurteilte insbesondere die Unterstützung der Ukraine im russischen Angriffskrieg. Das NATO-Raketenabwehrsystem im rumänischen Deveselu bezeichnete er als "diplomatische Schande".

Experten schließen auch eine Einmischung Russlands nicht aus, um Georgescu einen Vorteil zu verschaffen. "Angesichts der Haltung Georgescus gegenüber der Ukraine und der Diskrepanz zwischen den Meinungsumfragen und dem tatsächlichen Ergebnis können wir das nicht ausschließen", sagte Sergiu Miscoiu, Politikwissenschaftler an der Babeș-Bolyai-Universität.

Wahl im Zeichen von Inflation, Armut und Korruption

Zentrales Thema im Wahlkampf waren die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten. Rumänien hat den höchsten Anteil armutsgefährdeter Menschen in der EU. Viele Wähler waren von den etablierten Parteien enttäuscht.

Die ausufernde Korruption ist ein großes Problem in Rumänien. Viele Rumänen sind frustriert von Amtsinhaber Klaus Johannis der einst als Hoffnungsträger galt, sich aber zunehmend mit den korrupten Eliten des Landes gemein gemacht hat.

Entgegen ersten Prognosen lag die Wahlbeteiligung mit rund 52 Prozent der Wahlberechtigten auf einem ähnlichen Niveau wie vor fünf Jahren.

Der Präsident hat in Rumänien vor allem repräsentative Aufgaben, aber auch großen Einfluss auf die Außen- und Sicherheitspolitik. Am 1. Dezember finden auch Parlamentswahlen statt, bei denen über die künftige Regierung entschieden wird.