Rundfunk-Debatte: Wie sauber arbeiten Journalisten, die Kritiker kritisieren?
Hauptsache ist das rechte Framing und wenn es nicht belegt ist, dann Fehler vertuschen? Ein Kommentar des DJV wirft Fragen auf.
Wie sauber arbeiten Journalisten, die andere Journalisten kritisieren? Das Fragezeichen ist nicht rhetorisch. Anlass dafür ist ein Kommentar zum Rundfunk-Manifest.
Das Manifest schlug vergangene Woche hohe Wellen, weil darin "Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ARD, ZDF und Deutschlandradio" bekundeten, dass Grundsätzliches beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk "in Gefahr" sei. In der journalistischen Praxis zeige sich, dass der Debattenraum eingegrenzt werde.
Nah am Dubiosen
Auf dem Blog des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) erschien dazu ein Kommentar mit dem Titel: "Nah am Rand".
Der Kommentar erfuhr ein Update, wie die Zeile über dem Titel hinweist. Der letzte Satz des fettgedruckten Teasers unter dem Titel kündigt die Stoßrichtung des Beitrags an: "Bei aller berechtigten Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen wirkt manches dubios."
Von dieser Einschätzung kann sich allerdings auch der Kommentar selbst nicht freimachen. Warum? Er beginnt in der upgedateten Form mit einer Gegendarstellung. Dort heißt es:
Gegendarstellung von Ole Skambraks, Herausgeber von meinungsvielfalt.jetzt: Im Impressum der Website https://meinungsvielfalt.jetzt steht seit ihrer Erstellung im Mai 2022 ausschließlich Ole Skambraks. Zu keinem Zeitpunkt gab es eine Beziehung von Ole Skambraks und Meinungsvielfalt.jetzt zu dem Verein Zivile Allianz.
Blog-Kommentar, DJV
Uneingeweihte Leserinnen und Leser dürften sich wundern. Warum diese Gegendarstellung am Anfang? Das müssten sie selbst nachschauen, bzw. "recherchieren" – es ist ja ein Beitrag eines Fachblogs. Eine Einordnung dazu bekommen sie vom Autor des Kommentars nicht.
Dabei ist die Sache einfach: Gäbe es eine nachweisliche Verbindung zwischen Ole Skambraks und dem Verein "Zivile Allianz", die sich auf der Seite meinungsvielfalt.jetzt – wo das Manifest erscheint – dokumentiert, so würde eine politische Zuordnung des Manifests aufgehen, die der Kommentar deutlich insinuiert.
Gesucht: Die Verbindung zur AfD
Die "Zivile Allianz" wurde von Sven von Storch gegründet, dem Ehemann der AfD-Politikerin Beatrix von Storch, der Verein gilt als Teil eines rechten Netzwerks, das eng mit der rechtsnationalen Partei verbunden ist.
Mit der Verbindung zur politischen Kampagnenarbeit der Storchs würde auch das Manifest deutlich in diesen Kontext gerückt.
Dass das Manifest mit Rechtspopulismus und dem Noise dazu in Zusammenhang zu bringen ist, markiert die Ausrichtung des DJV-Kommentars. Er beginnt mit dem Staunen darüber, dass die Erstunterzeichnerin Annekatrin Mücke ausgerechnet Tichys Einblick ein Interview gab, womit dieses "das erste Medium (war), das am Mittwoch auf das "Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland" einstieg".
Und er endet mit einer Empörung über "hater":
Kein Wunder, dass die Pressemitteilung des DJV vom 3. April, in der Transparenz der Unterzeichner gefordert wurde, in den Social Media auf große Begeisterung der Hater stieß. Als "Journutten" wurden wir beschimpft, als "linksgrün-versiffter Verband" und was die Szene sonst noch so im Repertoire hat. Das dürfte allen anderen, die über das Manifest nicht gleich in großen Jubel ausbrechen, ähnlich gehen.
Blog-Kommentar, DJV
Platzzuweisung wichtiger als Recherche?
Allerdings steht die "Zivile Allianz" nicht auf Ole Skambraks Website, auf der das Manifest veröffentlicht wurde. Da hat jemand möglicherweise nicht wirklich recherchiert oder war das vorgefasste Bild so übermächtig und stärker als die Wirklichkeit?
Im Manifest heißt es:
Nur sehr selten finden relevante inhaltliche Auseinandersetzungen mit konträren Meinungen statt. Stimmen, die einen – medial behaupteten – gesellschaftlichen Konsens hinterfragen, werden wahlweise ignoriert, lächerlich gemacht oder gar ausgegrenzt. Inflationär bedient man sich zu diesem Zwecke verschiedener "Kampfbegriffe" wie "Querdenker", "Schwurbler", "Klima-Leugner", "Putin-Versteher", "Gesinnungspazifist" und anderen, mit denen versucht wird, Minderheiten mit abweichender Meinung zu diffamieren und mundtot zu machen.
Manifest für einen neuen ÖRR
Es geht auch verständlicher und korrekt
Dass man die Richtigstellung einer falschen Information, die einen politisch diffamierenden Verdacht nährt, auch anders, nämlich verständlicher und korrekter, darstellen kann, zeigt sich bei einem Beitrag von t-online zur Reaktion auf das Manifest. Dort steht am Ende:
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, im Impressum der Seite "meinungsvielfalt.jetzt" habe bis vor Kurzem noch der Verein Zivile Allianz gestanden. Das haben wir korrigiert. Seit ihrer Erstellung im Jahr 2022 steht ausschließlich Ole Skambraks im Impressum.
t-online
Der Pressekodex
Das fehlende Eingeständnis eines Fehlers wie auch die Intransparenz seitens des DJV, der selbst journalistische Qualität einfordert, widerspreche dem Pressekodex, wie es ein früherer Autor des DJV-Magazin journalist in einem instruktiven Beitrag zur Debatte ausführt:
Mal schauen, wie der Presserat über unsere entsprechende Eingabe entscheiden wird. Aus berufspädagogischer Sicht wäre wohl eine öffentliche Rüge auszusprechen.
Spiegelkritik
Dass man sich zur Kritik im Manifest auch anders zur Debatte stellen kann – ohne sich ordnungshütend auf den politischen Platzanweiser-Finger auszurichten wie der DJV-Blog –, dokumentierte vergangene Woche auch die ersten Reaktionen der Journalisten und Redakteure aus den Rundfunkanstalten. Sie waren nicht einverstanden mit der Kritik, diffamierten aber die Kritiker nicht öffentlich.