Russenpropaganda vs. Nato-Framing: Wie hätten Sie folgende Frage beantwortet?

Seite 2: Ist Nato-Kritik nun russische Propaganda?

Diese Umfrage schaffte es umgehen in zahlreiche Medien: Russische Propagandakampagnen verfangen immer häufiger in der öffentlichen Meinung in Deutschland, heißt es in der Studie "Pro-russische Verschwörungserzählungen und Glaube an Desinformation in der Gesellschaft". Zentral dabei ist gleich die erste Frage einer nach eigenen Angaben repräsentativen Meinungserhebung.

"Die Nato hat Russland so lange provoziert, dass Russland in den Krieg ziehen musste", heißt es da gleich zu Beginn – und was soll man mit so einer Frage anfangen? Nein, natürlich hatte "Russland", gemeint ist die Regierung Putin, eine andere Wahl. Also mit Nein antworten und der Nato en passant die Absolution erteilen? Also "Weiß nicht" antworten! Doch halt, wie werden die Autoren das bewerten? Dazu gleich der zweite Satz der Studie.

Im Vergleich zu den Umfrageergebnissen (…) aus April 2022 stiegen sowohl alle Zustimmungswerte als auch alle Werte der teils-teils-Antworten im Hinblick auf die Haltung zu pro-russischen Verschwörungserzählungen in der deutschen Bevölkerung signifikant an.

Aus der Studie, Schreibweise wie im Original

Eine der drei möglichen Antworten ist also natofreundlich und parteiergreifend. Mit den anderen beiden landet man in der Putin-Ecke – und wer will da schon hin? Dass Sicherheitspolitiker weltweit, vor allem auch im Westen, angesichts unüberlegter Waffenlieferungen und Atomkriegsdrohungen beides machen – Russlands Krieg kritisieren, Nato-Politik und verfehlte Ost-Politik allgemein problematisieren – findet hier keinen Platz.

Verantwortlich ist die Umfrage ist eine junge Organisation namens Cemas mit Sitz in Berlin. Die ist so jung, dass sie noch nicht ihren ersten Geschäftsbericht veröffentlicht hat und wird von einer Industriellenstiftung finanziert.

Mit der beschriebenen Umfrage schaffte sie es nicht nur in die Nachrichtenagentur dpa, und damit in Zeitungen und Onlineportale landesweit. Mit erkennbarer Begeisterung tweetete der ehemalige Grünen-Politiker Ralf Fücks und rief gleich zum "Kampf um die Köpfe".

Der war mal Maoist und hat sich auf seine alternden Tage eines transatlantischen Besseren besonnen. Oder zumindest den lukrativeren Weg gewählt. Sein "Zentrum Liberale Moderne" arbeitet fast identisch dem Cemas und hat dafür schon relativ kurz nach Gründung Millionen aus Ministerien und dem Bundespresseamt erhalten. Man darf gespannt sein, ob die Cemas nach dieser Studienvorlage auch das Interesse staatlicher Financiers geweckt hat.

Meinungsmacher, die in Namen von Freedom and Democracy tendenziöse Fragen stellen oder schlechte Fallstudien erstellen? Wir von Telepolis werden das im Auge behalten und eine differenzierte Meinung verteidigen: indem wir Putins Krieg ebenso kritisch begleiten wie die immer gefährlichere Nato-Politik.

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